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Am Donnerstagabend hat Ira Schnee ein hellblaues Crêpe-de-Chinekleidchen an, ein hübsches, kurzrockiges Abendkleid vom Jahr zuvor, Ellen Hammacher ein schwarzes Spitzenkleid, zipflig und lang, soeben von der Schneiderin geliefert.

Hammacher ist erst fünf Minuten zuvor heimgekommen. Ira hat ihn in der Badewanne schnaufen und prusten hören, denn die Hammachersche Viereinhalbzimmer-Neubauluxuswohnung ist schrecklich hellhörig. Jedenfalls sind die Damen zunächst allein.

Sie gehen lächelnd aufeinander zu, drücken sich fest die Hand und nicken übertrieben mit dem Kopf. Sie sprechen schnell aufeinander ein. Heftig, mit viel gegenseitiger Zustimmung.

Sie mögen sich nicht. Was können sie auch schon voneinander haben außer Kummer und Ärger und daß sie sich gegenseitig im Wege stehen?

Sie wird natürlich meinem Hamm nachstellen und er ihr, denkt Ellen.

Sie ist scheinbar glücklich mit ihm, aber sie hat auch Kummer, denkt Ira. Sie hat ihn. Aber sie hat ihn nicht ganz sicher.

Sie prüfen einander unbarmherzig. Ellen stellt befriedigt fest, daß Iras Brüste nicht mehr ganz fest sind und Ira findet Ellens etwas spitze Nase komisch. Frau Hammacher ist nach Iras Geschmack, der ein Eigengeschmack ist, zu mager für ihre Größe.

Während der Prüfung sprechen sie über kurze und lange Röcke, über kniefreie und knöchelfreie, über Zipfel und Rüschen. Es kommt heraus, daß Ellen einen Beruf hat. Sie ist Photographin, Modephotographin hauptsächlich. Sie schleppt ein Album heran und zeigt ihre letzten Arbeiten. Mannequins als Akte, in Unterkleidung und in Kleidung. „Die Schneider müssen den Körper sehen lernen und die Frauen müssen lernen, sich nach ihren Körpern anzuziehen und nicht nach der Mode. Dazu ist das“, sagt Ellen eifrig.

„Ich bewundere das“, ruft Ira, „was für selbständige Gedanken!“

Es kommen dann andere Leute, ein Möbelhändler, der nach Millefleurs riecht, ein bekannter Photograph, die Schauspielerin Schwild, die ihr Tagewerk, sieben Sätze in einer Ausländertragödie schon hinter sich hat, es kommt Römer ohne Pelerine aber statt Kragen und Schlips mit weißer Halsbinde zum schwarzen Abendanzug. Es kommen ein paar Leute ohne Gesicht und ohne Körper, ein paar Anzüge und ein paar Kleider also, von Pappköpfen überhöht. Und endlich kommt Hammacher.

Er reißt die Tür auf, daß sie zittert, steht als wäre er geblendet und schlägt die Hände über den Kopf zusammen vor Freude.

„Schön, daß Ihr da seid“, ruft er, „schön, schön!“

Er drückt oder küßt die Hände, er umarmt die Schauspielerin, er hält Iras Hand in der linken, während er mit der rechten dem Möbelhändler auf die Schulter klopft. Er sieht ganz famos aus in seinem Smoking mit der weißen Weste, einem Schmetterlingsschlips wie auf Draht geheftet, aber etwas größer, als die Mode vorschreibt, mit den gewellten Haaren, die er so gebürstet hat, daß sie blinken und glänzen.

Die Gäste sind gleich alle ein wenig lauter und vergnügter. Ellen lacht einmal ganz glücklich auf als er sie um die Schulter faßt und Ira kann gar nicht begreifen, daß sie ihn bei seinen Einkäufen bei Prinz & Priester immer so gleichgültig behandelt hat. Natürlich ist er tagsüber nicht so, denkt sie, aber trotzdem war ich verrückt. Wenn ich meinen verflossenen mit Hammacher vergleiche, na, es ist ja zum Lachen.

Sie ist den Abend über nicht sehr lebhaft, sie spricht kaum, auch mit Hammacher nur ein paar Worte als er sich neben sie setzt und nach dem Stand ihres Bräutigamkummers forscht.

„Ach, hören Sie auf“, sagt sie, „es ist schon zwei Tage her. Das klingt doll, nicht wahr?“

Sie schiebt das Kinn vor und lächelt wie Hammacher. Sie ist ganz verzaubert. Ein Mann, der ein richtiger Mann ist, breit und kräftig und talentvoll dazu, ein Mann, der nicht poltert und nicht öde Geschlechtswitze erzählt und nicht gleich eine angespitzte Meinung, eine todbringende Überzeugung aus der Westentasche hervorzieht und um sich sticht. Ein Mann, der tanzt und singt und pfeift und dabei noch alle seine Gäste im Auge hat ... na ja ... eben ein Mann.

„Nett sind Sie“, sagt sie einmal beim Tanzen und legt ihm auch die rechte Hand auf die Schulter. Hammacher nickt. „Ja, ja“, seufzt er, „ich bin sehr nett. Ganz reizend.“

Im übrigen verläuft der Abend wie alle solche Abends. Zwei Männer sitzen in einer Ecke und haben sich vermittelst eines ernsthaften Gespräches ineinanderverhackt, eine Dame hat Tränen in den Augen, weil ihr Mann sich zuviel mit der Schauspielerin Schwild befaßt, zwei andere lachen über ein Abenteuer einer dritten und pfeifen dann die Grammophonmelodien mit, die übrigen tanzen viel und lachen und sprechen wenig. Die Zigaretten gehen nicht aus. Die Schnapsgläser stehen in allen Ecken herum, gegen Zwei geht man.

Hammacher bringt die Gäste herunter, verstaut sie an der nächsten Droschkenhaltestelle, richtet es so ein, daß zuletzt Ira Schnee übrig bleibt.

Sie stehn vor der erleuchteten Droschke, die Ira wegfahren soll. Ira schüttelt ihm immer wieder die Hand. Es ist zu reizend gewesen. Sie sieht entzückend aus in ihrem braunen Abendcape mit dem Fuchskragen. Endlich steigt sie ein. Das Licht löscht aus. Ihr Gesicht leuchtet aus dem Dämmern in geheimnisvoller Süße.

„Soll ich Sie heimbringen?“ fragt Hammacher und hat einen Fuß auf dem Trittbrett. „Wollen Sie mich mitnehmen? Nein, nicht nur bis zur Tür. Drei Schritt weiter, zwei Treppen höher. Wie? Böse? Nein — nicht böse sein. Also gut.“

Er steckt den Kopf in den dunklen Wagen. Sie hat angstvoll das Gesicht weggedreht, so trifft sein Mund zunächst die pappene Fuchsschnauze des Pelzkragens, dann erst Iras Schnees Lippen. Sie sind merkwürdig hart und schmecken nach Himbeer. Wahrscheinlich von der Lippencreme.

Hammacher geht, die Hände in den Hosentaschen zum Haus zurück. Er ist nicht zufrieden, weil er zu wenig erreicht und schon zuviel angerichtet hat. Hätte er gewußt, daß sie ihren Mann so schnell vergißt, wäre er vorsichtiger gewesen, sagt er sich auf der ersten Treppe. Auf der zweiten ist er eher der Ansicht, daß er der Sache zuviel Wert beimißt. Da sie ihren ersten Mann so schnell vergißt, wird sie auch ihren zweiten Mann (Hammacher?) schnell vergessen. Oben vor der Tür muß er sich gewaltig ausschelten. Es ist geradezu als handle es sich um vollzogene Tatsachen. Dabei ist es doch, Himmeldonnerwetter, nicht sicher, ob er sich in die Geschichte überhaupt einlassen wird. Nein, als er die Flurtür hinter sich zugeknallt hat, ist er viel eher entschlossen, die ganze Sache auf sich beruhen zu lassen. Was hat man schon davon? Meist doch nur Kummer, Lügerei und sonstige Gefahr. Nein!

Er geht schnell ins große Zimmer. Hedwig, das Mädchen, in blauer Schürze, und Ellen in einem unendlich langen Nachthemd haben schon fast alles weggeräumt.

Hammacher ergreift noch eine Obstschale mit der einen Hand, mit der anderen aber klaubt er ein paar Schnapsgläser aus den Ecken. „Wie fandest du es“, fragt er, und bleibt vor Ellen stehen. Sie antwortet nicht, nimmt ihm die Obstschale aus der Hand. Er läuft mit den Schnapsgläsern hinterdrein. „Wie fandest du es?“ fragt er in der Küche vor Hedwig.

„Ganz nett“, antwortet Ellen und geht in ihr Zimmer.

Sie liegt im Bett und wartet auf Hammacher. Sie ist schon nicht mehr böse, sicher hat sie Gespenster gesehen. Sie wird ihm das sagen.

Aber Hammacher kommt nicht. Er ist bereits ins Bett gestiegen. Es ist ihm nun zu dumm. Er hat nichts getan, weswegen man ihn von oben herab behandeln müßte. So schnell zu verführen ist er denn doch nicht. Nein, diesmal geht er nicht zu Ellen. Diesesmal kann sie kommen.

Sie kommt aber nicht. Sie schläft mitten im Zorn ein, mit einem Fuß außerhalb der Bettdecke, so als wäre sie im Aufbruch vom Schlaf überrascht.

Schade. Denn nun, nachdem noch mit Trotz gefeuert wird, läuft die Geschichte wie auf Schienen ab. Für Menschen, die eine Ursache der menschlichen Handlungen brauchen, kann man sagen: weil Ellen Hammacher ihren Zorn etwas übertrieben laufen ließ, ihre Ahnungen behandelte als wären sie Tatsachen, deshalb kam die Geschichte in Gang. Vielleicht ist manchem mit einer so einfachen Erklärung gedient.

Komödie der Liebe

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