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DIE KUR

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Ich beantragte eine Kur und musste dafür durch viele Instanzen. Ich musste auch eine von der Krankenkasse bestimmte Vertrauensärztin aufsuchen, bevor die Kur genehmigt wurde. Durch die jahrelange, oft körperlich anstrengende und harte Arbeit im Krankenhaus schlichen sich bei mir schwerwiegende Rückenprobleme ein, die teilweise auch psychosomatisch waren und zunächst einige Jahre lang konservativ behandelt wurden. Das brachte aber keine wesentlichen Fortschritte, also stellte ich einen Kurantrag, nicht zuletzt auch, weil ich so depressiv wurde, bedingt auch durch die Fehlgeburt. Der Antrag wurde bewilligt und im Sommer, an einem schönen Junimorgen fuhr ich mit meinem alten roten Polo nach Bad Oeynhausen in eine onkologische und orthopädische Klinik. Eine wunderschöne Kurklinik. Die „Klinik am Baum“ erwartete mich. Sie glich eher einem Hotel und lag direkt neben einem großen schönen Park.

Die Eingangsuntersuchungen wurden abgeschlossen und ein Gespräch mit dem Chefarzt stand an. Er war ein sehr netter Mann mittleren Alters, der meine Akte genau studierte, in der alles über mich stand, was meine Ärzte und die Krankenkasse festgestellt hatten. Mitleidig blickte er auf. „Seit 2 Jahren sind Sie schon in diesem Leidenszustand. Na, dann hoffe ich mal, dass Ihnen diese Kur helfen wird.“

Ich fragte nach. „Was steht denn sonst noch in der Akte?“

Er sah mich an:„Wollen Sie das wirklich wissen?“

„Na klar!“ Ich war schon neugierig.

„Tja“, sagte er leicht seufzend.

„Hier steht: Frau Münchberg ist eine leicht adipöse und depressiv verstimmte Patientin. Danach folgt die Diagnose Ihres Rückens.“

In diesem Moment fiel mir alles aus dem Gesicht. Ich war wirklich geschockt. Adipös und depressiv? So habe ich also auf diese blöde Vertrauensärztin der Krankenkasse gewirkt. Na ja, im Vergleich zu diesem Hungerhaken von Ärztin war ich kräftiger gebaut, aber doch nicht adipös.

Ich fühlte mich gekränkt. Und depressiv? Na ja stimmt schon irgendwie. Dabei hatte ich doch bei der Untersuchung versucht mich als fröhlicher Mensch zu zeigen, also die schauspielerischen Fähigkeiten hatten dort wohl voll versagt.

Aber die beiden Worte „depressiv und adipös“ ließen mich nicht mehr in Ruhe und verfolgten mich. Ich musste ununterbrochen daran denken und gestand mir ein, dass ich eine ganze Zeit wie in Trance und in tiefem seelischen Schmerz lebte.

Am Abend betrat ich erstmals den Speisesaal. Schreck lass nach! Ich war mit Abstand der jüngste Kurgast. Die meisten Kurgäste waren weit über 50 Jahre. Ein Altersheim, (sorry, aber damals empfand ich es so, heute bin ich wohl für die Jüngeren auch eine ältere Dame) na, das konnte ja heiter werden. Ich schaute einmal kurz durch den Saal und entdeckte eine nicht ganz so alte Frau, die ich auf 36 bis 39 Jahre schätzte, und setzte mich zur ihr. Sie war gestern erst angekommen und hieß Barbara. Wir waren ab dem Abend unzertrennlich, Dank der guten Chemie zwischen uns. Barbara kam aus Bad Vilbel aus der Nähe von Frankfurt, war verheiratet und hatte drei große Kinder.

Ich bekam einen Kuranwendungsplan und so war ich ganz schnell im Routineablauf der Klinik gefangen. Morgens ging ich zu den Anwendungen und nachmittags in die Therme zur Wassergymnastik, anschließend schwamm ich im großen Außenbecken, das für alle zugänglich war.

Eines Tages bemerkte ich dort die Blicke eines sehr gut aussehenden Mannes, der mich ständig im Visier hatte. Abends ging ich mit Barbara in ein Kurtanzlokal, das etwa zehn Minuten zu Fuß von der Klinik entfernt lag. Wir trafen auf weitere lustige Kurgäste aus nahegelegenen Krankenhäusern, denn halb Bad Oeynhausen war ein Kurkrankenhaus.

Es gab allerdings strenge Auflagen. Punkt 22 Uhr musste jeder Kurgast wieder in seinem Luxusgefängnis sein. Nicht anders als damals zu Hause bei Mutti. Schon bei drei Verstößen wurde es der Krankenkasse gemeldet und man durfte die Rückreise antreten und bekam womöglich nie wieder eine Kur finanziert.

So kam es zu tumultartigen Szenen. Denn nach dem Tanzen rannten alle wie die Wiesel in ihre Krankenhäuser. Das sah schon lustig aus, wie die Kurgäste in Strömen die Straße entlang hetzten. An einem der ersten Tage rief ich meinen Mann an und fragte ihn, ob er mich an den Wochenenden mit Barbaras Ehemann besuchen kommen würde, schließlich wohnten beide nicht weit voneinander entfernt. Doch mein Göttergatte meinte, die lange Fahrt wäre ihm zu aufwändig. Ich war es ihm also nicht wert? Im umgekehrten Fall hätte ich jede Strecke auf mich genommen, da war ich mir sicher. Na gut, das merkte ich mir.

Einen Tag später kam der schöne Mann – 1,80m groß und ein echter Adonis – im Solebad auf mich zu und sprach mich an. Ob ich Kurgast sei und was ich heute Abend vorhätte. Er wolle mich zum Tanzen einladen. Ich willigte ein und sagte Barbara ab. Natürlich hatte sie Verständnis für meine Situation. Es war ein toller Abend, der leider um 21.45 Uhr abgebrochen werden musste. Ich rannte schnell zurück in die Klinik.

Am nächsten Abend war auch Barbara mit dabei und lernte den Adonis kennen, ja er war schon eine Augenweide. Ich genoss die Abende mit Barbara, dem schönen Mann und wir hatten viel Spaß zusammen. Es kam auch vor, dass wir am frühen Nachmittag mit den Anwendungen fertig waren und so bummelten wir zwei Frauen durch die Altstadt von Bad Oeynhausen.

Die 22-Uhr-Sperrstunde der Klinik empfand ich als persönliche Lebens-Qualitätseinschränkung, die fast einer Freiheitsberaubung glich. Sie gefiel mir überhaupt nicht und ich überlegte mir eine Strategie.

Am folgenden Abend öffnete ich vor dem Tanzen das Fenster im ersten Stock zu meinem Treppenhaus, legte Turnschuhe in mein Auto und eine Jogginghose. Als alle anderen Kurgäste um 21.45 Uhr Richtung Klinik rannten, tanzten wir ca. bis zwei Uhr in die tiefe Nacht.

Es war für mich ein sehr prickelndes Gefühl, von solch einem Mann begehrt zu werden. Ich fühlte mich wieder als Frau, obwohl ich laut Krankenakte als adipös abgestempelt worden war. Er schmiegte sich beim Tanzen an meinen weiblichen Körper und gestand mir, dass er Frauen dieses Formates liebte. Ich verliebte mich in ihn und erfuhr, dass er Arzt in einer anderen Klinik war.

Fortan war ich die gesamte Kurzeit am Schweben. Er stammte gebürtig aus Russland und sagte oft ‚ja lüblü tebja’ – ‚ich liebe dich’. Seine Küsse waren heiß und innig.

Er brachte mich zum Auto, schaute mir verdutzt zu, wie ich mein Tanzkleid und die High Heels gegen Turnschuhe und Jogginghose tauschte, mich von ihm verabschiedete, die Regenrinne wie ein Äffchen hochkrabbelte, in das noch offene Fenster stieg und leise im Zimmer verschwand. Einige Abende später schleuste ich ihn unauffällig in mein Zimmer und wir hatten unglaublich schönen Sex.

Am Morgen gegen 7 Uhr wachten wir auf und es fing von neuem an. Leider waren wir dabei nicht gerade leise und das Bett stieß bei jeder Bewegung an die Wand, die zum Flur lag. Als ich ihn verabschiedete und kurz darauf auch das Zimmer verließ, saßen drei Neuankömmlinge direkt neben meinem Zimmer und warteten auf die Krankenschwester, die sie gleich einzeln zur Blutentnahme ins Schwesternzimmer aufrufen würde. Sie schauten mich an und lächelten.

Einer konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen. „Tolle Klinik! So möchte ich meinen Kuraufenthalt auch gestalten, gibt es das alles auch auf Krankenschein?“

An einigen Abenden hatte mein russischer Adonis Dienst und ich ging mit Barbara zum Tanzen. Dabei lernte ich den Kurgast Paul aus Karlsruhe kennen, der sehr gut tanzen konnte. Man muss mich schon gut führen können, sonst tanze ich aus der Reihe.

Paul lud mich auf eine Radtour im Teutoburger Wald ein, der in unmittelbarer Nähe von Bad Oeynhausen lag. Ich lieh mir nach den Anwendungen ein Damenrad. Es ging los und wir hatten einen Heidenspaß.

Die nächsten Tage legte ich meine Anwendungen so, dass ich am frühen Nachmittag fertig war und mit Paul Fahrrad fahren konnte. Ich entwickelte so viel Enthusiasmus, dass unsere Touren über viele Kilometer und einem wesentlich größeren Radius um Bad Oeyhausen führten. Paul bescheinigte mir echtes Talent und so kaufte ich mir kurzerhand ein preiswertes Mountainbike.

Die Folge meines Programms war, dass ich in kürzester Zeit fünf Kilo verloren hatte und es ging weiter bergab, also mit meinen Kilos natürlich. Kein Wunder! Anwendungen, Fahrradfahren, abends zum Tanzen und das auf 800 Kalorien reduzierte Essen wegen meiner Adipositas.

Nicht zu vergessen meine heißen Liebesnächte.

Durch einen dummen Zufall bekam Paul dieses Verhältnis mit. Ich sagte für eine Radtour am kommenden Tag ab mit der Begründung, dass ich zu meiner Oma nach Hannover-Garbsen fahren wollte. Am nächsten Tag bummelte ich Hand in Hand mit dem schönen Mann über das Stadtfest. Plötzlich stand Paul mit großen Augen vor mir und meine Augen wurden noch größer, meine Beine immer kürzer und meine Nase immer länger.

„Hast du deine Oma aus Garbsen auf das Stadtfest gebracht – so sieht sie also aus“ … Er missbilligte mein Verhältnis sehr, da ich doch verheiratet sei. So etwas tue man nicht, meinte er, dazu lächelte ich nur verschmitzt. Er wollte nur das Beste für mich.

Die ersten beiden Wochen vergingen wie im Flug. Die Kur war auf vier Wochen anberaumt. Da ich so gerne länger bleiben wollte, ging ich zum Chefarzt und bat um Verlängerung, ich erfuhr jedoch, dass nur onkologische Patienten einen Anspruch darauf hatten.

So bot ich ihm einen Deal an. Sollte ich nach der vierten Woche zehn Kilo abgenommen haben und ihm eine Luftaufnahme seiner Klinik schenken, die er sich seit langem wünschte, das hatte ich heraus bekommen, müsste er meine Kur verlängern. Er schaute mich an. „Ich kenne Ihr Geheimnis“, sagte er. „Es tut Ihnen ausgesprochen gut, denn von den Depressionen sehe ich hier nichts mehr, es scheint eine wirklich gute, selbstausgesuchte, alternative Therapie zu sein, die allerdings weit weg von unserem Konzept ist. Das war wohl auch der Grund, dass wir letzte Woche das offene Fenster im ersten Stock schließen mussten.

Wie haben Sie eigentlich die Nacht verbracht? Im Park?“

„Nö“, sagte ich ehrlich und fühlte mich ertappt. „Im Auto.“

Zum Glück zog es keine Konsequenzen nach sich und der Deal stand trotzdem. Ich wollte zehn Kilo abnehmen mit viel Sex und Mountainbike fahren. Und der Chefarzt sollte die Luftaufnahme seiner Klinik bekommen. Denn ich hatte am Anfang der Kur einen Piloten in der Therme kennengelernt, der mich unbedingt zu einem Flug einladen wollte.

Zuerst wollte ich nicht, aber jetzt kontaktierte ich ihn wieder. Natürlich nur für die Luftaufnahme.

Barbara lud ich auch dazu ein, ich versprach ihr eine tolle Überraschung, denn alleine wollte ich nicht mit ihm in die Luft gehen. … und sie war echt überrascht … damit hatte sie nicht gerechnet. Es war eine tolle Aktion. Ein schöner Sommertag, an dem wir den Rundflug starteten.

Der Arme dachte wirklich, dass ich mich abends mit ihm zum Essen treffen würde. Doch da war ich leider verhindert.

„Mein Gott, was war ich für ein Schluri! Böses Mädchen!“

Natürlich gab mir der Chefarzt zwei Wochen Kurverlängerung, denn er bekam seine Luftaufnahme in einem wunderschönen Bilderrahmen und den Beweis auf der Waage.

Ich hatte tatsächlich zehn Kilo abgenommen. Barbara reiste nach der vierten Woche leider ab, (heute 1/2021habe ich nach 28 Jahren wieder den Kontakt über Facebook aufgenommen und 30 Minuten später telefonierten wir miteinander und es war so vertraut, wie damals, wir haben uns riesig gefreut und wollen uns nach Corona unbedingt treffen).

Die weiteren Nachmittage verbrachte ich mit Paul zum Biken und abends und nachts mit dem Adonis. Eine wunderschöne, wilde und aufregende Zeit.

Heiß, es war sehr heiß und prickelnd grhmmmm …!

Die letzten zwei Wochen verliefen genauso spannend. Hin und wieder übernachtete ich im Auto, da das Fenster im ersten Stock geschlossen wurde oder der russische Arzt übernachtete bei mir im Zimmer. Es wurde inzwischen vom Personal stillschweigend geduldet. Ich war ja auch ein außergewöhnlicher, liebenswerter und herzerfrischender Kurgast, sagten jedenfalls der Chefarzt und das Personal.

Ich durfte sogar mein neues und heiliges Mountainbike mit auf mein Zimmer nehmen. Irgendwie hatte schon Narrenfreiheit.

So eine Patientin hätten sie noch nie erlebt. Ich bekam meine Verlängerung und hatte noch sehr viel Spaß und zum Schluss 15 kg weniger.

Die Kur war zu Ende und ich verabschiedete mich vom gesamten Personal, das mich mit all meinen wilden Eskapaden geduldet hatte. Auf der Heimreise kullerten mir die Tränen herunter, es war eine wundervolle Kur, an die ich noch viele Jahre denken musste.

Am darauffolgenden Montag befand ich mich sofort wieder in der Routine der Arbeit. Meine Kollegen bemerkten im Krankenhaus alle den unglaublichen Wandel der Schwester Wera. Eine neue Frau stand plötzlich da. Wieder mitten im Leben und immer fröhlich und vor allem von Größe L jetzt in Größe S. Ich fühlte mich wie ein Topmodell.

Abends hörte ich noch lange russische Musik als Erinnerung an den Arzt und die schöne Zeit. Nicht selten standen mir dabei Tränen in den Augen. Mit Paul habe ich bis zum heutigen Tag Kontakt. Einmal im Jahr rufen wir uns zum Geburtstag an.

Damals, nach der Kur, fing ich an, extrem viel Rad zu fahren. Es war wie ein Rausch. Ich trainierte die Woche bis zu vier Mal, jeweils zwischen 50 und 80 Kilometer am Nachmittag nach meinem Job im Krankenhaus.

Die Stationspsychologen fragten mich, warum ich so extrem viel bike, das es nicht nur aus Spaß an der Freud sein kann. Ich sagte nur, dass es nun meine neue Passion sei, in Wirklichkeit kompensierte ich natürlich meine Einsamkeit.

Einige Zeit später war ich zu Besuch in Karlsruhe. Pauls Verein nahm mich sehr nett auf. Ein reiner Männer-Mountainbike-Verein. Ich sollte als einzige Frau die anstehende Toskanatour im Frühjahr des nächsten Jahres mitfahren. Es war eine Ehre für mich, in diese Männerdomäne einzubrechen. Das hatte noch keine andere Frau geschafft.

Natürlich kochte die Gerüchteküche:

Wo hat Paul diese Frau kennengelernt?

Aha, in der Kur!

Und sie kommt extra aus Frankfurt nach Karlsruhe?

Da muss doch mehr dahinter stecken.

Bei einem Vereinstreffen, an dem auch die Ehefrauen und Freundinnen der Männer anwesend waren, wurde ich begutachtet. Das Eis brach jedoch sehr schnell und ich wurde liebevoll integriert. Ich nahm sogar einmal im Winter mit meinem Ehemann an der Skifreizeit des Vereins am Pitztal-Gletscher teil.

Für die Toskanatour war eine Woche anberaumt. Es galt jeden Tag 100 bis 150 Kilometer zu fahren. Dafür musste ich hart trainieren. Vorab waren wir mit dem Verein in Frankreich. Zwanzig Männer und einige wenige Frauen. Wir fuhren die Route de Crètes am Grand Ballon. Bei dieser Tour geschah jedoch ein Unglück. Ein Biker verstarb am Berg an einem Herzinfarkt. Die Stimmung war auf dem Nullpunkt und alle beschlossen aus Anstand, die Tour abzubrechen.

Eine Erklärung gab es auch für den Todesfall. Der Biker hatte das ganze Jahr kaum trainiert, wollte aber unbedingt dabei sein. Alles für das liebe Ego.Dafür war er gestorben.

Ich jedenfalls schaffte die Berge, die wirklich knackig waren, und durfte mit in die Toskana. Aber dazu später mehr.

Nun war mein großes Ziel, auch so ein tolles Bike zu haben wie die Männer es hatten. Aber es war eine echte Investition. Ich benötigte mal wieder einen guten Nebenjob. Also kaufte ich mir die FR und las die Stellenanzeigen durch und wurde fündig: gesucht wird eine Masseurin, auch ohne Massage-Examen, sie sollte gute Umgangsformen haben und Spaß am massieren haben. Diese Anzeige war wie für mich gemacht und ich rief gleich an und schon am nächsten Tag war das Vorstellungsgespräch.

Tantra, das Feuer meiner Passion

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