Читать книгу Die O´Leary Saga - Werner Diefenthal - Страница 11
Pub
ОглавлениеIm Fiddlers Inn herrschte Hochbetrieb. Bertie und Ida Moore hatten alle Hände voll zu tun. Die Inhaber des Pubs liefen emsig durch die Schankstube, in der die Luft nach schalem Bier, kaltem Rauch und Zwiebeln roch. Alle Tische waren voll besetzt und doch reichte der Platz nicht für alle. Gesprächsfetzen waren aus dem allgemeinen Gesumm der Stimmen heraus zu hören. Sie drehten sich, wie immer in den letzten Wochen, um das O’Leary Gut.
Viele der Einwohner waren Fischer. Sie fuhren am frühen Morgen hinaus und verkauften dann am Abend ihren Fang an William Murphy. Gemeinsam mit seiner Frau Elizabeth betrieb er eine kleine Pension für die angeheuerten Decksmänner auf den Fischerbooten und verkaufte die Fische, die man ihm anbot. Dazu fuhr er nach Dublin auf den Markt, doch die besten Stücke verkaufte er entweder auf dem Gut oder aber auf Howth Castle.
Williams Tochter Dorothy ging ihnen dabei zur Hand, während ihr Mann George hauptsächlich dafür verantwortlich war, die Fische frisch nach Dublin zu bringen. Elizabeth fragte sich immer, wann die beiden endlich einen Enkel in die Welt setzen würden, aber außer der Aussage ihrer Tochter, dass sie eifrig dafür üben würden, gab es immer noch keine Hinweise darauf, dass die Bemühungen der beiden mit Erfolg gekrönt wurden.
In den letzten Wochen hatte der Ankauf von Fischen auf dem Gut merklich nachgelassen. Das tat im Geldbeutel weh, hatte William angemerkt. Auch andere spürten, dass sich einiges geändert hatte.
Nachdem der Gutsherr, Patrick O’Leary, gestorben war, hatte Unsicherheit geherrscht. Die Pächter und auch die Bediensteten hatten um ihren Lebensunterhalt gefürchtet. Der alte Gutsherr war mit Sicherheit nicht der beste Freund der Menschen hier gewesen, aber es gab schlimmere. Er hatte das Gut nicht oft verlassen und mit den Leuten kaum ein Wort gewechselt, hatte lieber Ronald Murray für sich sprechen lassen, aber die Löhne für die Knechte und Mägde waren immer pünktlich gezahlt worden. Die Entlohnung war nicht üppig gewesen, aber man konnte sich darauf verlassen.
Bei den Pächtern war es anders. Einige hatte er vertreiben lassen, als sie die Pacht nicht hatten aufbringen können. Und dann hatte er von Kartoffeln und Getreide auf Rinder und Schafe umgestellt. Das bedeutete, dass weniger Menschen Arbeit hatten. Außerdem, und das wurden die Bewohner der Halbinsel Howth, nicht weit weg von Dublin, nicht müde zu betonen, war der Gutsherr Royalist gewesen. Und kein Katholik. Alleine das machte ihn in ihren Augen zu einem Menschen, den man nicht ins Herz schließen konnte.
Man hatte Ronald Murray, den Gutsverwalter, bestürmt, etwas über den Erben zu erzählen, doch auch dieser hatte nichts gewusst. Murray war die rechte Hand des Gutsherrn gewesen, hatte alles durchgesetzt, was man ihm aufgetragen hatte. So recht wurde niemand schlau aus ihm. Er stammte aus Queenstown, war also kein Einheimischer. Daher misstrauten ihm die Bewohner, obwohl er schon über zwanzig Jahre auf Howth lebte. Bis heute war niemandem völlig klar, auf welcher Seite er stand.
Seit nun die korpulente Frau mit der Stimme einer Kompanie Dudelsäcke die Herrschaft im Gut übernommen hatte, war die Unsicherheit nur noch gewachsen.
»Wer ist diese Frau?«, brummte James O´Reilly, der seinen Lebensunterhalt wie die meisten Einwohner der Halbinsel oft mehr schlecht als recht mit der Fischerei verdiente.
»Ist mir eigentlich egal«, erwiderte Joseph O´Connor. »Sie hat mir die ausstehenden Gelder gegeben und das ist alles, was ich will.«
Er war der Schmied und hatte auf dem Gut immer alle Hände voll zu tun gehabt. Er beschlug nicht nur die Pferde, sondern erledigte auch Reparaturen am Haus und den Ställen. Als der Gutsherr aus dem Leben geschieden war, da war noch eine recht hohe Rechnung offen gewesen. Ronald Murray hatte sie ihm nicht zahlen dürfen, ihm waren die Hände gebunden.
Als bekannt wurde, dass diese Frau alle Vollmachten besaß, war Joseph auf das Gut marschiert, hatte sein Anliegen vorgebracht und war sofort bezahlt worden. Das hatte ihn verblüfft, doch hatte er es nicht auf sein Aussehen geschoben, dass er sein Geld erhielt. Joseph war so groß, dass er unter den meisten Türen den Kopf einziehen musste, dabei muskelbepackt, glatzköpfig mit Stiernacken und tief in den Höhlen liegenden Augen. Seine Oberarme waren so dick, dass man sie mit zwei Händen nicht umfassen konnte. Die Frau hatte ihn nur angesehen und verkündet:
»Sie sollen Ihren gerechten Lohn erhalten. Wir bleiben niemandem etwas schuldig, merken Sie sich das. Und wenn Sie das nächste Mal vorsprechen, dann erwarte ich, dass Sie ein sauberes Hemd tragen und sich vorher waschen!«
Albert McCarthy, der Besitzer des einzigen Ladens, den es im Dorf gab, mischte sich ein.
»Die weiß auf jeden Fall, was sie will. Gestern ist sie bei uns aufgetaucht mit ´ner Liste, die war so lang wie von Dublin bis London. Alles, was sie sagte, war: ›Können Sie das bis nächste Woche besorgen? Wenn nicht, sagen Sie es gleich. Dann versuche ich es in Dublin. Wenn ja, dann haben Sie regelmäßige Lieferungen an uns.‹ Tja, was soll ich sagen? Klar besorge ich dieser Frau alles, was sie will.«
Sein Sohn Shane, der neben ihm saß, nickte nur. Er fühlte sich sichtlich unwohl, aber sein Vater hatte ihm ganz eindeutig zu verstehen gegeben, dass er, wenn er schon mal aus Dublin, wo er seine Lehre zum Steuergehilfen machte, nach Howth kam, sich auch sehen lassen müsste.
Jetzt räusperte sich Thomas Walsh, einer der ansässigen Fischer.
»Meine Ellen war ja schon bei dem Alten die Köchin. Der hat nie große Ansprüche gestellt. Das kann man von dem Drachen nicht sagen.«
»Schikaniert sie Ellen?« »Nun erzähl schon.«
Er zuckte mit den Achseln.
»Nun, sie sagte von Anfang an, dass sie kritisch sei. Und das war nicht gelogen! Ellen hat sich viel Mühe gegeben! Sie ist eine fantastische Köchin. Aber die Alte hat sich alles angesehen, probiert, rumgestochert, sich die Küche angesehen und meinte nur: Na ja, dann versuchen wir es mit Ihnen.«
»Frechheit!« »So was!«
Die Stimmen wurden immer lauter. Man war sich einig, dass diese Frau ganz gehörig einen Dachschaden haben musste.
Auf einmal flog die Tür auf und Ronald Murray, der Gutsverwalter, polterte herein, sah sich um und nickte.
»Das ist gut, alle da, die ich suche.« Alle Augen richteten sich auf den Verwalter, der nun um Aufmerksamkeit bat. »Folgendes: Ich habe den Auftrag und auch die Erlaubnis, euch mitzuteilen, dass der neue Gutsherr bald eintreffen wird. Es handelt sich dabei um den Neffen Andrew O´Leary, der mit seiner Tochter dieses Gut führen wird. Bei der Frau, die im Moment dort das Kommando führt, handelt es sich um die Schwägerin des neuen Gutsherrn.«
Er ließ sich schwer auf einen freigewordenen Stuhl fallen und starrte an die Wand. Die Entwicklung der Dinge gefiel ihm ganz und gar nicht, und das war an seinem Gesicht deutlich abzulesen.
»Die Alte führt sich auf wie ein Sergeant Major! Ist den ganzen Tag damit beschäftigt, jedem über die Schulter zu schauen, damit auch ja alles so gemacht wird, wie sie es für richtig hält. Ich glaube nicht, dass sie die Befugnis hat, jemanden hinauszuwerfen, sonst hätte sie das wohl schon getan. Aber so, wie sie redet, hält der neue Gutsherr viel von ihrer Meinung.«
Alle sahen sich an. Es ging also weiter. Und doch blieben Zweifel. Man konnte nicht wissen, wen sie weiter beschäftigte und wer gehen musste. Fast jede Existenz in Howth hing auf die eine oder andere Art mit dem Gut zusammen.
Ida Moore stellte Ronald ein Bier hin.
»Danke, Ida«, murmelte der Verwalter.
Er wurde mit Fragen bestürmt, hob schließlich die Hände.
»Langsam. Also, ihr vollständiger Name ist Margret Green. Ihr Schwager ist Arzt und gebürtiger Ire, der eine Engländerin geheiratet hat, nachdem er Irland verlassen hatte. Mit dieser hat er eine Tochter, die auch auf dem Gut einzieht. Die Mutter ist bei der Geburt gestorben. Mehr hat sie mir nicht erzählt.«
Verwunderte Blicke und aufgeregtes Gemurmel.
»Ein Ire?« »Hoffentlich nicht wieder so ein verkappter Royalist!« »Ein Flüchtling, was ist davon zu halten?«
Ronald verdrehte die Augen, als die Fragen kein Ende nahmen. Auf einmal war er jedermanns Freund. Ein neues Bier erschien auf seinem Tisch.
»Ich weiß doch auch nicht mehr. Nur, dass sie sämtliches Geschirr und alle Wäsche aus dem Haus verbannt und durch welches aus ihrem alten Haushalt ersetzt hat. Das Bild der Königin Viktoria hängt jetzt im Wohnzimmer, in Übergröße. Sie jedenfalls ist eine Königstreue.«
Die Gesichter verzogen sich. Das war mehr als übel. Wenn wieder jemand dort einzog, der zur Herrschaft der Königin über Irland stand, dann waren das äußerst schlechte Nachrichten. Royalisten tendierten dazu, die Iren zu schikanieren, nur um ihnen zu zeigen, wer der Herr war. Die Skepsis überwog jetzt, die Fragen verstummten. Langsam leerte sich der Pub.