Читать книгу Die O´Leary Saga - Werner Diefenthal - Страница 15
London
ОглавлениеAndrew hatte das kleine Hotel gefunden, dessen Besitzer er schon lange kannte. Vor einigen Jahren hatte er ihn mal mitten in der Nacht zusammenflicken müssen, weil ein betrunkener Seemann sein Messer in den Bauch des Hoteliers gestoßen hatte.
Er bekam zwei Zimmer, die zwar nicht besonders schön, aber sauber waren. Danach nahm er sich eine Kutsche und machte sich auf den Weg zu Ralph Finnegan, dem Rechtsanwalt.
Der war sichtlich überrascht, als Andrew vor ihm stand. Nach einigen Begrüßungsfloskeln überreichte Andrew dem Anwalt die Briefe, die ihm Henry Gordon in Ägypten mitgegeben hatte. Ralph Finnegan las alle Dokumente sehr sorgfältig. Als er das letzte auf den Tisch legte, kratzte er sich hinterm rechten Ohr.
»Nun ja, das ist alles sehr … verwirrend, nicht wahr?«
»Das mag sein, aber es entspricht den Tatsachen.«
»Ist der junge Mister Gordon …«, er brach ab, hob die Hände. »Nein, ich will es nicht wissen, dann muss ich nicht lügen, wenn ich gefragt werde.« Er kramte in einigen Unterlagen, die er aus einem Schrank geholt hatte. »Wollen wir doch mal sehen. Also, da haben wir es ja. Mordopfer Francis Gordon, Täter laut schriftlichem Geständnis, welches am Tatort gefunden wurde, Horatio Gordon. Seit der Tat vermisst, vermutlich Selbstmord begangen. Für tot erklärt am 28. August 1890.« Er sah Andrew an.
»Folgendes: Wenn ich mit diesem Brief zur Polizei gehe, fallen die mir doch glatt um, nicht wahr? Denn erstens wurde der Täter für tot erklärt. Damit wurden die Ermittlungen eingestellt. Zweitens würde mit dem Brief Henrys der Polizeiapparat aufwachen. Träge, aber er würde. Zunächst würde man versuchen, die Erklärung für eben den Tod des augenscheinlichen Täters für ungültig erklären zu lassen. Was aber wohl nicht geschehen würde, da ja nur dieser Brief seines Stiefvaters als Beweis vorlag. Aber: Man würde Sie und Ihre Tochter hier festhalten. Und wie lange, das kann ich beim besten Willen nicht sagen.« Bewusst hatte er Horatios Namen nicht erwähnt. Finnegan klopfte mit einem Finger auf den Schreibtisch. »Das andere, das ist überhaupt kein Problem, nicht wahr. Das kann ich alles regeln.«
Andrew hörte dem Anwalt aufmerksam zu und wartete darauf, dass dieser ihm die Lösung für das Problem präsentierte, die er mit Sicherheit parat hatte.
»Ich schlage vor, Sie und Sarah reisen nach Irland. Am besten mit dem nächsten Schiff. Halten Sie sich nicht in London auf. Ich regele alles, was Henry und Sie mir gerade auftragen. Und was die andere Sache betrifft: Ich würde sie zunächst einmal unter dem Deckmantel des Schweigens liegen lassen. Weder die Polizei noch die Richter in London sind im Moment besonders daran interessiert, diesen Mord zu verfolgen, vor allem, wenn diese Angelegenheit so kompliziert ist, nicht wahr. Ein Toter kehrt zurück. Und dann würde man vielleicht sogar noch eine Verbindung zu den Ripper - Morden konstruieren, denn den hat man auch noch nicht.« Er beugte sich ein wenig vor. »Sie wissen, dass die Serie abriss, als Horatio verschwand?«
Andrew zuckte zusammen. Horatio der Ripper? Das war lachhaft.
»Das glauben Sie doch selber nicht!«, rief er aus.
»Was ich glaube, das spielt keine Rolle, nicht wahr. Es gab zwar noch einige seltsame Todesfälle, die von der Presse dem Ripper zugeordnet wurden, aber die Polizei geht von Nachahmungstätern aus.«
Andrew konnte nur den Kopf schütteln. Er kannte Horatio mittlerweile gut genug, dachte er. Niemals würde dieser solche Morde begehen.
»Vielleicht drehen Sie die Sache mal anders.«
Der Anwalt hob die Brauen.
»Die Mordserie endete ja auch mit dem Tod von Francis Gordon.«
»Eine interessante Theorie. Und praktisch wäre sie auch, denn er kann sich ja nicht verteidigen. Vielleicht kann ich da was draus machen. Aber was würde Henry Gordon dazu sagen?«
»Ich denke, er wäre einverstanden. Er hat die wahre Natur von Francis endlich erkannt. Und er will mit allen Mitteln Horatio schützen.«
»Nun denn, ich sehe, was ich tun kann. Aber ich würde Ihnen trotzdem zur Weiterreise raten, nicht wahr?«
»Also sollen wir verschwinden?«
Finnegan nickte.
»Suchen Sie eine Passage. Ich werde meine Kontakte spielen lassen, sobald ich weiß, dass Sie alle außer Landes sind.«
Andrew bedankte sich und verließ die Kanzlei. Das wurde immer schöner, dachte er sich. Zuerst wurde seine Tochter verdächtigt und jetzt auch noch Horatio. Wenn er dies Sarah erzählte, so fürchtete er, würde sie auf einen Rachefeldzug gehen. Er suchte nach der nächsten Möglichkeit, nach Irland zu gelangen und hatte Glück. Bereits am nächsten Abend lief ein Schiff aus und er konnte zwei Kabinen ergattern.