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Kapitel V A. D. 183, Mai Der zweite Tod
ОглавлениеTúan stand Schweiß auf der Stirn und seine Haut war so weiß wie die Schneeflächen, die das Lager in Hunderten Tupfen auf graubraunem Grund umgaben. Er taumelte mehr, als dass er schritt durch die vielen Hütten und Zelte. Längst hatte er die Orientierung verloren und seine fiebrig glänzenden Augen suchten nach einem Wegzeichen, das ihn wieder zu Arianrhods kleiner Befestigung führen konnte. Er registrierte mit zwiespältigen Gefühlen seinen eigenen Gedanken, der das zentrale Gebäude als ihr Zuhause und nicht seines oder das von ihnen beiden einstufte.
Ich war tot und sie hat in dieser Zeit die Führung übernommen, dachte er und wäre beinahe gestolpert, als sein linker Fuß in einer Mulde im Schneematsch einsank.
Sollte ich ihr ihren Platz streitig machen? Sollte ich sie – meine Liebe – gefährden, nur um selbst die Cruithin gegen die Römer zu führen?
Er schüttelte den Kopf. Doch weder die Gedanken noch der zunehmende Schwindel ließen sich dadurch vertreiben. Er hielt inne und atmete tief durch; trotzdem drehte sich die Welt um ihn und er stürzte in voller Länge zu Boden. Die Nässe und Kälte stachen wie Eissplitter auf seine heiße Haut und ernüchterten ihn kurzfristig. Mit einem wütenden Schrei stand er auf und seine Arme wirbelten in der Luft, so als wollten sie unsichtbare Gegner mit blanken Händen zerreißen. Er schrie wieder und aus den nächsten beiden Hütten traten eine Kriegerin und zwei Krieger. Sie blickten ihn fragend an und suchten rasch die Umgebung nach möglichen Feinden ab. Aber da war niemand.
Bran zappelte um den Druiden herum und winselte. Es hatte die Ohren eng an den Kopf gelegt und versuchte ständig, diesen in eine Hand Túans zu schmiegen, aber es gelang ihm nicht.
»Túan mac Ruith!«, rief einer der Männer und die Kriegerin wie aus einem Munde.
Der zweite Mann schritt rasch auf den Druiden zu, der schwankend und mit rotgeränderten Augen nach den Schemen sah, die seine zuckenden Hände nicht greifen konnten.
»Druide, was ist mit dir?« Der kräftige Mann packte Túan und erschrak, als er dessen Haut berührte. »Er ist kochend heiß!«, rief er den anderen zu und weitere Cruithin kamen aus den Behausungen und sahen sich neugierig um.
Die Kriegerin fasste den Druiden nur kurz an die Stirn und drehte sich dann zu einem schlanken Jungen um, der flammend rotes Haar hatte und stolz seine ersten Tätowierungen zeigte. Trotz der Kälte trug er einen ärmellosen Umhang. Jeder sollte die Zeichen sehen.
Die Frau deutete auf ihn. »Du, eile dich! Hole Sétanta und sag Swidger Bescheid!«, befahl sie und der Junge wollte schon davonstürmen.
Túan sah ihn einen Moment vor sich und rief aus vollem Hals.
»Eamon!«
Der Junge blieb erschrocken stehen und blickte zwischen der Kriegerin und dem scheinbar wahnsinnig gewordenen Druiden hin und her.
»Geh endlich!«, schrie die Frau den Jungen an und er stürzte davon. Dann winkte sie die beiden ersten Krieger zu sich. »Kommt, wir nehmen ihn in die Mitte und bringen ihn nach oben.«
Längst hatte sich eine stattliche Anzahl Beobachter eingefunden und sie bildeten rasch eine Gasse, durch welche die Männer und die Frau den Druiden Richtung Anhöhe mehr schleppten als führten. Zweimal wäre er ihnen beinahe aus den starken Händen gerutscht, so nass geschwitzt war sein Körper. Sie packten ihn an der Druidenkutte und griffen ihm unter die Arme.
Doch beide Männer zuckten zurück, als sie dort Ausbeulungen fühlten, die dort nicht hingehörten. Und Túan hatte vor Schmerz aufgebrüllt, als sie ihn dort anfassten.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass ihr Druide krank war. Und mit jedem Schritt, mit jedem Straucheln Túans und den verbissenen Flüchen seiner Helfer, wenn er sich plötzlich gegen ihre Hände aufbäumte und mit den Füßen nach ihnen trat, wandelten sich die besorgten Rufe der Menge in Schreckenslaute. Noch nie hatten sie ihren Druiden in so einem Zustand gesehen. Sogar als er tot schien, hatte er lebendiger gewirkt als jetzt.
Dieser schweißnasse Mann, dessen Haut wie Schnee aussah und doch wie Feuer zu brennen schien, machte ihnen Angst. Mancher trat einen Schritt zurück, als die Gruppe ihn passierte. Fiel ein Blick aus Túans Augen in die eines Kriegers, sah dieser darin kleine Dämonen tanzen und viele machten magische Zeichen der Abwehr, die sie von ihm selbst, Sétanta oder anderen Druiden gelernt hatten.
Sie hatten die halbe Strecke hinter sich gebracht, als sich Túan so wild gebärdete, dass zwei weitere Männer hinzutreten mussten, um den jetzt mit aller Kraft tobenden Druiden zu bändigen.
Die menschliche Gasse wurde breiter und von der Anhöhe kamen Arianrhod und dicht hinter ihr Swidger mit gezogenem Schwert mehr schlitternd als laufend herunter.
Aus einer anderen Richtung lief deutlich vorsichtiger Sétanta in Begleitung des Jungen heran.
Túan begann nun zwischen seinen Schreien Laute und Wortfetzen auszustoßen, die kein Cruithin um ihn herum verstand. Auch als Arianrhod und Swidger näher kamen und entsetzt die Augen aufrissen, konnten sie die Worte weder als Latein noch als germanisch, schon gar nicht als cruithin erkennen. Der Druide murmelte und schrie abwechselnd in einer unbekannten Sprache. Aber jede Silbe, jedes Wort, das er ausspuckte, als wäre es pure Galle, steigerte die giftige Wolke aus Angst, die diesen Teil des Winterlagers einhüllte wie ein schwerer Mantel.
Arianrhod versuchte mit ihren Händen den Kopf Túans stillzuhalten und rief ständig seinen Namen. Doch ihr gelang es nicht, seinen Blick auf sich zu lenken. Swidger stand kreidebleich und mit steinernem Gesicht daneben und rief innerlich alle germanischen Götter an, die er kannte, in der Hoffnung, Túan zu helfen und den Dämon von sich zu halten, der seinen Freund befallen zu haben schien.
Als Sétanta endlich heran war und in der allgemeinen Aufregung ein von allen unbemerktes winziges Lächeln seine Mundwinkel durchzuckte, blieben die vier Träger und die Kriegerin mit Túan in ihrer Mitte stehen. Natürlich hofften sie auf Hilfe durch den alten Druiden. Und der begann nun ein Schauspiel darzubieten, dass er lange geübt hatte.
Er hob beide Arme und gebot stumm Platz zu machen. Die Menge folgte ihm nur zu bereitwillig, denn Túan wand sich wie ein glitschiger Aal in den Händen der Krieger. Dabei stieß er Worte und halbe Sätze heraus, die niemand außer Sétanta verstand und die ihnen mehr Furcht einflößten, als der mächtigste Feind im Gefecht.
Kaum hatte Sétanta Raum genug für seinen Auftritt, trat er mit gewichtigen Schritten an den offensichtlich Besessenen heran und legte ihm blitzschnell beide Hände auf die Schläfen.
Bran knurrte drohend, schien aber unschlüssig zu sein. Er beobachtete jede Bewegung Sétantas.
Zu Arianrhods Erstaunen beruhigte sich ihr Liebster fast augenblicklich. Túan wand sich noch eine kurze Weile und sein Gebrüll verfiel in anhaltendes Gemurmel, das so leise wurde, dass niemand hätte sagen können, in welcher Sprache er redete.
Swidger steckte sein Schwert in die Scheide und machte das Zeichen gegen den Bösen Blick. Er stand ein wenig schräg hinter Arianrhod, um Túan beobachten zu können und gleichzeitig dessen Frau den Rücken zu decken. Er zeigte deutlich, dass er hier Mächte am Werk vermutete, die er nicht begriff und die ihm klar machten, dass es Feinde gab, die man nicht mit Axt und Schwert bekämpfen konnte. Dies war nicht sein Schlachtfeld.
Arianrhod warf Sétanta einen dankbaren Blick hin und wollte ebenfalls auf Túan zutreten, doch der alte Druide verbot ihr dies mit einer herrischen Geste.
»Nicht du, Königin. Es genügt, wenn sich diese tapferen Cruithin in Gefahr begeben. Dein Gemahl ist jetzt - so leid es mir tut, es sagen zu müssen - ein scharfes Beil, das an einem seidenen Faden über all jenen hängt, die ihm in die Nähe kommen.«
Nur mit größter Anstrengung gelang es Arianrhod, zwei Schritte zurückzutreten und mit ruckartigem Nicken ihre Zustimmung kundzutun. Sagen konnte sie kein Wort. Wie mit eisernen Klammern umfassten die unbekannten Laute, die Túan ausgestoßen hatte, ihr Gehirn und würgten ihr die Kehle zusammen.
Die aufgeregten Rufe und Bewegungen der Menge hatten sich mittlerweile in einen Block aus Eis verwandelt. Jeder, der einen Blick auf den Druiden hatte werfen können, stand starr und geschockt. Die dahinter Stehenden waren längst informiert und versuchten durch Lücken einen Blick zu erhaschen, sagten aber ebenfalls nichts.
Die ganze Zeit waren Sétantas Hände an den Schläfen Túans gelegen und in der jetzt vorherrschenden Stille murmelte er seinerseits magische Beschwörungen und Wörter mit scheinbar heilender Kraft. Niemand konnte ahnen, dass sie genau das Gegenteil bewirken sollten. Und es auch taten. In Wahrheit brauchte er jedoch nichts weiter zu tun, er musste nur noch abzuwarten, bis die Saat aufging, die er schon vor Monaten ausgesät hatte. Als Túan wieder seine Stimme anhob und sich stärker zu regen begann, verkehrte Sétanta die Bedeutung seiner Beschwörungen in Lügen.
»Ich konnte ihn vorerst beruhigen«, sagte er an Arianrhod gerichtet, aber so laut, dass es viele der Umstehenden hören konnten. »Aber für eine mögliche Heilung muss er in meine Unterkunft. Dort habe ich die Medizin, die ihm helfen könnte.«
Wäre Arianrhod nicht ohnehin schon blass gewesen, so hätten die Worte des Alten es sicher bewirkt.
»Mögliche Heilung?« Ihre Stimme zitterte. »Und deine Medizin könnte nur helfen? Und warum soll er für mich – seine Frau – eine Gefahr sein? Er würde mir nie etwas zuleide tun.«
Mit gespielter Miene schüttelte Sétanta den Kopf und insgeheim beglückwünschte er sich, so lange und intensiv an einem Gesichtsausdruck geübt zu haben, den er Zeit seines Lebens noch nie echt empfunden hatte: Mitleid.
»Es tut mir leid, Königin«, sprach er und jubelte innerlich über seinen gelungenen Tonfall. »Vielleicht lag er schon zu lange - scheinbar tot und doch wieder nicht, da sein Körper nicht verfallen wollte -, und befand sich wohl auch zu nahe am Tor zur Anderswelt, bis wir ihm den Trank gaben. Nicht alle Auswirkungen des Trankes sind gelüftet …«, log er weiter. »aber ich werde alles tun, um ihn in dieser Welt zu halten.«
Er bedeutete den Kriegern, ihn wieder aufzunehmen, da diese ihn zu Boden gelegt hatten, sobald Sétanta ihn zur Ruhe gebracht hatte.
»Rasch jetzt, bringt ihn in meine Hütte! Jeder Augenblick zählt«, befahl er und Arianrhod nickte bestätigend, als mehrere der Angesprochenen sie anblickten.
Sétanta registrierte diese Blicke sehr wohl und kochte innerlich.
Na schön, noch folgt ihr der Römer-Hure. Aber bald werdet ihr meine Krieger sein.
Sie nahmen Túan wieder auf und schritten durch eine neue Gasse, die sich augenblicklich gebildet hatte, als der alte Druide mit der Hand in Richtung seiner Unterkunft deutete.
Bran blieb dicht an der Seite der Gruppe, warf ab und zu einen Blick auf den alten Druiden und fletschte die Zähne.
Plötzlich setzte ein leichter Regen ein und verwandelte das gesamte Lager binnen Minuten in eine matschige Fläche mit langsam verschwindenden Schneeresten.
Túan öffnete die Augen und blickte in den Himmel. Seine Lippen bewegten sich stumm und er ließ es zu, dass man ihn trug. Arianrhod lief direkt neben ihm, aber er nahm weder sie noch jemand anderen wahr. Sie war versucht seine Hand zu ergreifen, aber als ihre Rechte auch nur ein wenig zu seiner Rechten zuckte, schüttelte Sétanta bedauernd aber unerbittlich seinen Kopf. Also ließ sie es. Túans Augen schienen in den Wolken nach etwas zu suchen und unentwegt formte er unhörbare Worte.
Es war der einzige und letzte Moment, in dem er ein wenig Vernunft und Klarheit zurück erlangte. Er spürte, dass der Trank, dieser eine Tropfen, den er erhalten hatte, nicht aus der Qualität bestand, auf die er selbst immer so sorgfältig geachtet hatte. Túan konnte nicht ahnen, dass er damit absolut richtig lag. Sétanta hatte zu dem Rest von Túans Rezeptur eigene Bestandteile hinzugefügt. Túan fühlte in sich das Brodeln einer Hitze, deren Quelle sich von seinem Magen in die ganze Brust ausgebreitet hatte. Er versuchte alle Heilsprüche, selbst solche, von denen er eigentlich überzeugt war, dass sie nicht wirkten und blanke Scharlatanerie waren, mit denen sich weniger begabte Druiden ein kärgliches Einkommen sicherten. Doch nichts half. Das Brennen nahm wieder zu und er begann sich wieder gegen die Hände zu wehren, die ihn trugen.
Ohne das es jemand aussprechen musste, legten die Träger an Tempo zu. Nur schnell weg von dem Wahnsinnigen. Sollte doch der alte Druide versuchen, ihn den Dämonen zu entreißen, die erneut mit scharfen Zähnen nach ihm zu beißen schienen.
Gerade als sie die Schwelle zu Sétantas kleiner Holzhütte passierten, fing Túan wieder an vor Schmerzen zu schreien. Sein Körper war nun doppelt nass, vom Regen und vom Schweiß. Sie betteten ihn auf die Liege des alten Druiden, doch dort zappelte er heftig herum, sodass Sétanta in eine Ecke des Raumes deutete.
»Dort sind Seile, bringt sie!«, befahl er. »Schnell. Und bindet ihn fest! Wenn er um sich schlägt, kann ich ihm wenig helfen.«
Sie taten wie geheißen und wickelten die Seile um alle Gliedmaßen. Doch Túan wehrte sich und sie mussten die Seile enger und enger schnüren, damit er sie mit seinen zu Fäusten geballten Händen nicht schlagen konnte.
Mit einem Ruck hob Túan plötzlich den Kopf und stieß ein grässliches Wort hervor, dass wie ein Schlag zwei der Krieger von sich stieß und sie zurücktaumeln ließ.
Den anderen traten beinahe die Augen aus den Höhlen, als sie ihren Druiden so toben sahen. Ihre Pupillen waren schreckgeweitet und sie beeilten sich, die Fesseln festzuschnüren.
Bran gebärdete sich zunächst wie wild und hätte beinahe einen der Kreiger gebissen, ging dann aber zurück und stand mit gebeugtem Kopf in einer Eckes des Raumes.
Arianrhod erstickte ihren Aufschrei mit der eigenen Faust, die sie sich vor den Mund hielt, als sie sah, wie die Seile in die Haut ihres Geliebten schnitten.
Mit keuchendem Atem traten endlich die Männer und die Frau zurück und blickten zu Sétanta. Der hatte derweil in seinen Sachen gekramt und allerlei Kräuter und undefinierbare Gegenstände auf einen Tisch gelegt und schnippelte daran herum. Mit scheinbarer Hast und fliegenden Händen produzierte er einen hellen Brei, den er in einer Schale mit ein wenig Met verdünnte und dann mit einem Löffel an den Gefesselten herantrat.
Doch Túan presste die Lippen zusammen und rollte mit den Augen, dass nur noch das Weiß zu sehen war.
Auf einen Wink Sétantas packten zwei Mann den Kopf des Kranken und pressten die Kiefer auseinander. Der alte Druide fackelte nicht lange und schob Löffel um Löffel zwischen die Lippen Túans. Nach jeder zweiten Portion hielten sie dem immer wilder sich aufbäumenden Mann die Nase zu und zwangen ihn so, den dünnen Brei zu schlucken. Nach dem zehnten Löffel beendete Sétanta scheinbar befriedigt die Quälerei und trat an den Tisch zurück.
»Es wird ein wenig dauern«, sagte er. »… wenn es wirkt«, und er schaffte es, gespielte Hoffnung und Zweifel am Erfolg seiner Medizin in diese Worte zu legen.
Wie zur Bestätigung röchelte Túan und im Licht der hastig entzündeten Fackeln und des ohnehin vorhandenen Feuers in der Raummitte sahen alle, was nun mit Túan geschah.
Swidger bemerkte es zuerst, dann Arianrhod, danach die Krieger und die wenigen, die durch den geöffneten Eingang hereinblicken konnten. Sétanta sah es als Letzter, denn er hatte sich abgedreht um seine Utensilien wegzulegen, aber schon vorher gewusst, was nun folgen musste.
Der Gefesselte dampfte!
Die Feuchtigkeit aus Schweiß und Regen verließ seinen Körper und schwebte wie eine dünne Hülle über dem sich windenden Mann. Ein Gestank erfüllte den Raum, in dem nur der Schweiß ein bekannter Geruch war. Alle - bis auf Sétanta - schoben dies auf die verabreichte Medizin und blickten gespannt auf die einfache Liege.
Aber der Mann darauf schlug seinen Kopf hin und her und seine Hände öffneten und verkrampften sich in Sekundenschnelle. Er schrie wieder und es war ein Mischmasch aus Cruithin, Germanisch, Latein und unbekannten Sprachen. Als er begann, sich in die Lippen zu beißen, steckte ihm Sétanta rasch ein Lederbündel zwischen die Zähne, doch fast augenblicklich spuckte Túan es wieder aus.
Niemand wagte es, es aufzunehmen und ihm erneut in den Mund zu stopfen. Die Folge war, dass Túan sich die Lippen blutig biss und seine heftigen Worte rote Spritzer nach allen Seiten schleuderten.
Arianrhod liefen die Tränen in Strömen aus den Augen und Swidger fasste sie an den Schultern.
Doch als sie glaubten, diese Qual nicht mehr mit ansehen zu können, begann die nächste Stufe in Sétantas bösartigem Wirken.
Über Túans Körper züngelten dünne Lichtblitze in einer grässlichen Färbung. Wie bei der Erweckung der Spiegelkrieger, zuckten grüne Flammenzungen wie giftige Schlangen über seinen Leib, und fügten ihm offensichtlich noch mehr Schmerzen zu. Heller und heller wurden die Blitze und genauso heller wurden seine Schmerzensschreie. Bis weit nach draußen schallten seine schrecklichen Rufe und Arianrhod wäre zusammengebrochen, hätte Swidger sie nicht mit verkniffenem Ausdruck im Gesicht gestützt.
Als wäre dies noch nicht genug, veränderte sich die bleiche Haut Túans und nahm zunächst ein blasses Grün an. Innerhalb von Augenblicken wurde sie immer dunkler und bildete schließlich grünbraune, faulig wirkende Schwären aus. Als diese nach einer kurzen Phase blendend hellen Schimmers wie gelber Eiter aufplatzten und ekligen Gestank ausströmten, hielt es Arianrhod nicht mehr aus.
»Sétanta!«, schrie sie und erntete nur betrübtes Kopfschütteln.
Sie floh tränenüberströmt aus der Hütte und rannte durch die bestürzte und geschockte Menge, die immer noch im anhaltenden Regen ausharrte und ununterbrochen die Schreie wie körperliche Schläge hinnahm.
Swidger lief ihr hinterher, ein Riese von Mann, niedergebeugt von seiner Hilflosigkeit.
Drinnen jedoch war von dem Mann, der einmal Túan mac Ruith gewesen war, nur ein zuckender brauner Albtraum übrig, der es immer noch schaffte, zwischen zerbissenen Lippen- und Zungenfetzen unartikulierte Laute auszustoßen, die kälter waren als das kälteste Eis auf den höchsten Gipfeln des Gebirges.
An den Wänden, auf der Liege und rings um diese, war alles mit rotem Blut und braunem Auswurf besudelt. Ein Krieger nach dem anderen verließ die Hütte und auch Sétanta wich - scheinbar verzweifelt und widerstrebend - als Letzter zurück.
Er wusste, was nun kam.
Der letzte Akt des Dramas.
Der alte Druide hatte kaum die Schwelle zu seiner Hütte erreicht und war von Bran mit einem drohenden Knurren begrüßt worden, als sich die züngelnden Blitze in echte Flammen verwandelten. Anstelle von Gold und Rot brannten sie in allen Schattierungen von Grün über Túans Körper. Im Nu war seine verdreckte Kutte ein schwelender Fetzen, sein Geschrei erreichte markerschütternde Höhen und der Gestank der Geschwüre mischte sich mit dem von brennendem Menschenfleisch.
Mit nur wenig gespieltem Entsetzen wich Sétanta vollständig ins Freie und befahl mit wischenden Bewegungen der Menge Platz zu schaffen.
Hinter ihm erklang das langgezogene Heulen Brans und Sétanta unterdrückte seine Befriedigung, dass das Tier so anhänglich war.
Das erspart mir, den Köter zu töten. Soll er doch mit Túan verbrennen!
Zu Túans grässlichem Gebrüll und Brans immer schrecklicher werdendem Gejaule fügte sich nun das Knistern und Prasseln des Feuers hinzu und viele der ringsum stehenden Krieger griffen nach Eimern mit Regenwasser. Andere warfen mit blanken Händen Matsch und kalten Lehm in die heftigen Flammen, doch nichts konnte dieses unheilige Feuer löschen.
Und immer noch drangen Túans Schreie zu ihnen.
Erst als aus allen Ritzen der Stämme, welche die Hüttenwände bildeten, Rauch und Flammen loderten, erstarb seine Stimme.
Die ganze Hütte brannte lichterloh und die seltsamen Farben der Flammen zeigten allen, dass dies kein Feuer von Menschenhand war, sondern ein bösartiger Brand dunkler Mächte. Selbst der immer noch fallende Regen hatte keine Chance gegen dieses Feuer.
Auch wenn es Sétanta so nicht erwartet hatte, verschaffte ihm doch die Ungewöhnlichkeit dieses Feuers ein Alibi. Niemand würde je auf den Gedanken kommen, dass er durch die Manipulation des Trankes die Schuld am Tod Túan mac Ruiths trug.
In gespielter Trauer blieb er solange stehen, bis seine Hütte - und der Mann und das Tier darin - vollständig niedergebrannt waren. Nur wenige leisteten ihm dabei Gesellschaft. Als schließlich nur noch ein schwelender Haufen dem Regen die Stirn bot, wandte er sich endlich ab.
Niemand sah den grausamen Zug um seinen Mund und das verhaltene Grinsen, als er seine Kapuze über den Kopf zog und sich davon machte.