Читать книгу ad Hannah Arendt - Eichmann in Jerusalem - Werner Renz - Страница 5
Оглавление»Ein Prozess ist nicht dazu da,
Geschichte zu machen,
sondern Recht zu sprechen.«1
Adolf Eichmann vor Gericht war für Hannah Arendt Gelegenheit und Herausforderung zugleich, die Reichweite ihrer Urteilskraft zu ermessen. »[P]olitisch denken und historisch sehen«2 hatte die Schülerin von Martin Heidegger und Karl Jaspers im bereits Mitte 1933 beginnenden Exil in Frankreich gelernt. Aus Deutschland musste Arendt fliehen, nachdem die Berliner Gestapo sie vorübergehend verhaftet hatte. Ins Visier der Geheimen Staatspolizei war sie geraten, weil sie im Auftrag der Zionistischen Vereinigung für Deutschland in der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin eine »Sammlung aller antisemitischen Äußerungen auf unterer Ebene« anlegen wollte.3
Von Auschwitz, vom Mord an den europäischen Juden, erfuhr sie zehn Jahre später in New York.4 1941 war ihr zusammen mit ihrem Mann Heinrich Blücher die Flucht nach Amerika gelungen. Als bei der staatenlosen Exilantin die Erkenntnis reifte, dass geschehen war, was nicht hätte geschehen dürfen, so Arendt5 bereits 1948, stellte sie sich die Aufgabe, das präzedenzlose Ereignis zu verstehen. Das Unbegreifliche denkend zu durchdringen war eine existenzielle Herausforderung, denn es galt einen Zustand zu überwinden, den sie in einem Brief an Kurt Blumenfeld, bis 1933 Präsident der Zionistischen Vereinigung für Deutschland, ergreifend beschrieb. Arendt meinte, sie könne sich nicht ausdrücken, »weil mir meist das Herz zu schwer ist und mir zu mies ist vor tout le monde. Sieh mal, es ist einfach so, daß ich über die Vernichtungsfabriken nicht wegkommen kann, und zwar in jener Region des brutal Tatsächlichen, in welcher diese neueste Fabrikationsart noch nicht einmal mehr etwas mit Juden zu tun hat oder mit Deutschen.«6
Arendts unbedingtes »Bedürfnis zu verstehen«, sich dem welthistorischen Ereignis denkend auszusetzen, den Zustand der Sprachlosigkeit zu überwinden, zeitigte das Totalitarismus-Buch von 1951.7 Der fortwährende Drang zum »Verstehenmüssen«8 führte sie eine Dekade später zum Prozess gegen Adolf Eichmann nach Jerusalem.