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Arendts Israelperspektive

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Arendt reiste mit allerhand israelkritischen Auffassungen nach Jerusalem. Als Gegnerin des Teilungsplans, als Fürsprecherin einer jüdisch-arabischen (palästinensischen) Verständigung war die einstige Zionistin eine Kritikerin der Staatsgründung von 1948 und somit des Ben-Gurion-Staats. Die Schaffung eines jüdischen Nationalstaats inmitten von feindlichen Nachbarn erachtete sie als ein politisch höchst gefährliches, gar selbstmörderisches Unterfangen. Die »Vernunftzionistin«1 betrachtete aber das Recht der Juden auf eine Heimstätte in Palästina sowie nach dem Holocaust die Einwanderung der in Lagern (Camps für sogenannte Displaced Persons) festgehaltenen Überlebenden in das britische Mandatsgebiet als gerechtfertigte historische Notwendigkeit. Den 1948 mit dem Segen der Vereinten Nationen gegründeten, auf externe Hilfe und Unterstützung angewiesenen Staat hielt sie jedoch für einen nationalistischen Irrweg, der keine friedliche Zukunft versprach.

Bereits im März 1945 schrieb Arendt nicht ohne Prophetie im New Yorker Aufbau: »Ein Jüdisches Nationalheim, das von dem Nachbarvolk nicht anerkannt und nicht respektiert wird, ist kein Heim, sondern eine Illusion – bis es zu einem Schlachtfeld wird.«2 Arendt war keineswegs eine kompromisslose Antizionistin. Der Weg, den sie zusammen mit Martin Buber und Judah Leon Magnes präferierte, darf angesichts der desolaten Situation im Nahen Osten heute noch als die einzig friedliche, nicht repressive, auf Ausgleich und Partnerschaft setzende, wenn auch utopische Notwendigkeit gelten.3

Neben ihren Bedenken angesichts der ungeklärten Rechtsfragen hatte Arendt erhebliche politische Besorgnisse. Sie resultierten aus ihrer zionismuskritischen Haltung und ihren Einwänden gegen die nationalistischen Bestrebungen der Jerusalemer Regierung. So meinte sie Monate vor Prozessbeginn: »Nehmen wir an, der Prozeß wird tadellos geführt. Dann habe ich die Befürchtung, daß Eichmann erstens beweisen kann, daß kein Land Juden wollte (also die Art von zionistischer Propaganda, die Ben Gurion will und die ich für ein Unheil halte) und zweitens demonstrieren wird, in welchem ungeheuerlichen Ausmaß die Juden mitgeholfen haben, ihren Untergang zu organisieren. Dies ist zwar die nackte Wahrheit, aber diese Wahrheit, wenn sie nicht wirklich erklärt wird, könnte mehr Antisemitismus erregen als zehn Menschenraube. Es ist leider eine Tatsache, daß Herr Eichmann persönlich keinem Juden ein Haar gekrümmt hat, ja daß sogar die Auslese derer, die verschickt wurden, nicht von ihm oder seinen Helfershelfern besorgt worden ist.«4

Die zuerst genannte, historisch verbürgte Tatsache war Arendt eigentümlicherweise keine nackte Wahrheit, die die Staatengemeinschaft zu ihrer Beschämung und die Weltöffentlichkeit unbedingt zu wissen hatten. Die andere, durchaus strittige hingegen ein offenbar feststehender, wenn auch noch zu erklärender Sachverhalt.

Unschwer erkennbar ist, welche Spuren Raul Hilbergs unveröffentlichte Arbeit5 über die Vernichtung der europäischen Juden neben León Poliakovs Werk Bréviaire de la Haine6 und H. G. Adlers Theresienstadt-Buch7 in ihrer Darstellung hinterlassen hatten. Überzeugende Beweise blieb sie freilich, wie noch zu zeigen ist, für nicht wenige von ihr behauptete Tatsachen schuldig. Arendts Denken »ohne Geländer«8 war mitunter recht freihändig und setzte ihr Werk erwartbarerweise der Kritik aus.9

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