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Das seltsame Verhör des Dr. Joannes Schäfer
ОглавлениеObwohl Elsterhorst so tat, als sei es eine Katastrophe, dass man ihn während seines Urlaubs aufs Präsidium bat, hätte ihm nichts Besseres passieren können.
Sein Privatleben sei in Gefahr, fuhr er den Kollegen Lothar Velmond am Telefon an, der natürlich wusste, dass Elsterhorst ein solches gar nicht pflegte. Er müsse aber kommen, drängte ihn Velmond, wegen des Vorfalls im Englischen Garten heute morgen. Der Mann habe sich selbst gestellt. Man bitte ihn sehr, seine persönlichen Termine zu verschieben.
„Ich werde es versuchen“, log Elsterhorst mit knurriger Stimme und machte sich nach einer angemessenen Pause voller Spannung mit Rinaldo auf den Weg. Bevor er das Verhörzimmer betrat, wurden ihm noch einige sehr überraschende Informationen ausgehändigt.
Ja, das war der Mann. Elsterhorst erkannte ihn sofort. Es waren die Haare, die er sich, als er die Tür öffnete, mit dieser fahrigen Bewegung zurückstrich, obwohl sie sich bei geschlossenen Fenstern wohl kaum bewegt hatten. Die etwas gebeugte Haltung, die er auch im Sitzen beibehielt, ließen ihn keine Sekunde an der Identität des Mannes zweifeln, den er am Morgen gesehen hatte.
Der Mann erhob sich. Er trug einen teuren Anzug. Ein Markenhemd und die dezent gemusterte Krawatte bewiesen sowohl einen guten Geschmack wie die Zugehörigkeit zu einer Schicht, deren Mitglieder normalerweise nicht mordend durch die Parkanlagen von München ziehen. Er erhob sich halb von seinem Stuhl und hielt Elsterhorst eine lange knochige Hand entgegen.
„Gestatten, Dr. Schäfer! Sehr erfreut, Herr Kommissar, dass Sie gekommen sind. Sie sind also mein Zeuge.“
Die senkrechten Falten seines Gesichtes ließen ein echtes Lächeln nicht zu und in seinen Augen leuchtete etwas auf, was man bei anderer Gelegenheit als Ironie hätte deuten können.
Nach kurzem Zögern ergriff Elsterhorst widerwillig die dargebotene Hand. Lieber hätte er den merkwürdigen Mann gleich aufgefordert, wieder Platz zu nehmen.
„Also?“
„Was heißt da ‚also’? Ich habe die Frau umgebracht. Ich erstatte Selbstanzeige!“
„Warum?“
„Was warum?“
„Warum haben Sie sie umgebracht?“
„Muss man für alles ein Motiv haben?“
„Für einen Mord hat man meistens eins. Wie heißt sie?“
„Martha Klein.“
„Woher kannten sie die Frau?“
„Diese Frage muss ich nicht beantworten.“
„Jetzt noch nicht. Später schon. Wie haben Sie Martha Klein getötet?“
„Na, hören Sie mal! Haben Sie denn hier keinen Gerichtsmediziner, der die Todesursache feststellt?“
„Doch, haben wir! Aber die Frau lebt! Sie hat nur eine Weile ziemlich fest geschlafen. Außerdem heißt sie nicht Martha Klein, sondern Esmeralda Kleeblatt und ist Schauspielerin!“
Dr. Schäfer war sprachlos.
Elsterhorsts Ton wurde schärfer. Das ist nicht nur grober Unfug, sondern Irreführung der Staatsgewalt, Vortäuschung einer Straftat. Dafür kommen Sie unter Umständen für mehrere Jahre ins Gefängnis. Mit etwas Glück bekommen Sie Bewährung!“
Schäfer war aufgesprungen.
„Nein!“ rief er. „Nein! Es war versuchter Mord. Ist es meine Schuld, dass das Zeug nicht wirkte? Hören Sie, ich bin nicht irgendwer! Ich bin 77 Jahre alt. Ich war Anwalt und kenne meine Rechte!“
„Die da wären?“
„Ich habe alles in meiner Macht stehende getan, um diese Frau zu töten. Dass es nicht geklappt hat, kann mir nicht angelastet werden. Ich habe ein Recht auf mindestens zehn Jahre Knast. Ich bestehe darauf.“
„Sie unterstehen der Rechtsprechung wie jeder andere.“
„Und was …“, schrie Schäfer und stieß den Tisch um, der ihn von Elsterhorst trennte, „was ist, wenn ich Sie jetzt mit bloßen Händen erwürge? Ich bin gemeingefährlich, ich gehöre in den Knast, in den Seniorenknast!“
Er hatte seine knochigen Hände noch nicht um Elsterhorsts Hals gelegt, da sprang schon Rinaldo an ihm hoch, zwei Polizisten stürmten herein und überwältigten den alten Mann. Das feine Tuch ging in Fetzen.
„Sie werden sich noch wundern!“ rief er laut.
Und das tat Elsterhorst auch.