Читать книгу Endlich im Knast! - Werner Siegert Ingrid Schumacher - Страница 7

Esmeralda Kleeblatt

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Nein, so etwas hatte Elsterhorst noch nie erlebt. Da wird er Zeuge eines Verbrechens, das wahrscheinlich gar keines ist. Er alarmiert die Polizei und macht alle Pferde scheu, kann den mutmaßlichen Täter genau beschreiben und sieht, wie das Opfer abtransportiert wird.

Und plötzlich gibt es weder Opfer noch Täter? Soweit so gut?

Und dann sitzt da ein ehemaliger Anwalt, hat sich selbst in Polizeigewahrsam begeben und besteht darauf, die Tat begangen zu haben. Er wird sogar handgreiflich. Sein Ziel: Er will in den Knast, unbedingt und zwar auf unbestimmte Zeit. Irgendetwas stimmt da nicht. Und er würde es herausbringen. Also machte er sich auf den Weg, um das angebliche Opfer, diese Esmeralda Irgendwas, aufzusuchen.

Ihre Adresse hatte er im Krankenhaus erfahren – mit Hilfe seines Dienstausweises und ein paar erfundenen Ausreden. Er hatte sich entschlossen, diesen Ausflug als privaten Besuch zu verbuchen. Also konnte er auch allein dorthin gehen.

Der Tag war trüb. Er schlenderte erst so dahin zwischen Staatskanzlei, Teehaus, Monopteros und Chinesischem Turm, bevor er sich in Richtung Giselastraße auf den Weg machte. Rinaldo blieb an jeder Hecke stehen und schnüffelte überall rum. Es wimmelte ja nur so von Hunden im Englischen Garten, die ihre Duftspuren freigiebig hinterließen.

Bald hatten sie das Haus mit der entsprechenden Nummer erreicht. Es war ein sehr altes Haus. Kein Wunder! Das ausersehene Pseudo-Opfer war ja auch alt gewesen. Neben der Klingel war ein vierblättriges Kleeblatt angebracht. Er läutete.

Die Frau, die ihm öffnete, war wohl in seinem Alter, eher jünger und trug Jeans und einen modischen Pullover. Ihre kurzen Haare sahen aus als wäre sie in einen Windstoß geraten. Sie lachte.

„Das ging aber schnell. So bald hätte ich Sie gar nicht erwartet.“

Erwartet? Elsterhorst verbarg sein Erstaunen hinter einem unverbindlichen Lächeln.

„Ich möchte Frau Kleeblatt sprechen. Ist das möglich?“

„Schon passiert. Ich bin Esmeralda Kleeblatt.“

Elsterhorst erinnerte sich genau an die alte Frau im Rollstuhl und war etwas verunsichert. Sollte das dieselbe Frau sein?

Bevor er noch etwas sagen konnte, bat ihn die Frau in ihr Wohnzimmer, warf einen Stapel Kleider und Perücken von einem Sessel auf den Boden und bot ihm den freien Platz an.

Rinaldo schnupperte an ihrer Hand und warf ihr einen Blick unsäglicher Dankbarkeit zu, bevor er sich auf dem Bündel Kleider niederließ.

„Lassen sie ihn doch!“ sagte sie, als Elsterhorst an der Leine zog, „und nehmen Sie Platz. Ich muss das doch sicher quittieren! 100 Euro! Wie ausgemacht! Gestern habe ich nur 150 bekommen. Eigentlich müsste ich mehr verlangen. Denn mit einer Nacht im Krankenhaus hatte ich nicht gerechnet. Zahlt das eigentlich die Kasse?“

Elsterhorst zog seinen Ausweis heraus und hielt ihn ihr hin.

„Ein Kommissar? Sind sie echt oder ist das wieder so ein Stunt wie gestern?“

„Sie können sich gerne bei meiner Dienststelle erkundigen“, erwiderte er, obwohl er gerade das am wenigsten herbeigewünscht hätte.

„Elsterhorst! Komischer Name!“

„Kleeblatt ist auch nicht gerade üblich.“

„Aber angenehmer. Kleeblätter bringen Glück, während Elstern ....“

„Frau Kleeblatt, ist Ihnen klar, dass Sie gestern in Lebensgefahr waren?“

„In Lebensgefahr? Das sind wir doch ständig, wie Sie sicher wissen, Herr Kommissar. Das Leben endet meist tödlich!“

„Das ist kein Scherz. Der Mann wollte Sie umbringen!“

Es läutete. Esmeralda wollte schon zur Tür eilen, als Elsterhorst ihr den Weg versperrte. Auch Rinaldo hatte sich erhoben.

„Sie sollten nicht jedem die Tür öffnen.“

„Dann säßen Sie jetzt nicht hier und würden Schauermärchen erzählen. Das ist Tommy. Er bringt mir Sheila zurück.“

Nach einem kurzen Gespräch und lautem Lachen kam sie zurück mit einem Riesenspitz im Gefolge.

„Das ist Sheila. Mein einziger Luxus.“

Sheila hatte ein blaugraues Fell und goldbraune Augen. Sie schien an Besucher gewöhnt, denn sie streifte Elsterhorst nur mit einem gleichgültigen Blick. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Rinaldo. Und umgekehrt. Die beiden schienen sich auf Anhieb sympathisch zu sein. Anders als ihre Besitzer.

„Oh nein!“ murmelte Elsterhorst. „Nicht schon wieder ein Fall mit Hund!“

Esmeralda öffnete eine Terrassentür und nahm Rinaldo die Leine ab.

„Ab in den Garten!“ rief sie. Und zu Elsterhorst:

„Frisch verliebte Paare wollen unter sich sein. Was war das eben mit dem Mord?“

„Sie sollten das ernst nehmen, Frau Kleeblatt. Wie sind Sie überhaupt in diese Situation gekommen?“

„Es war keine Situation, wie Sie das nennen. Es war ein Stunt.“

„Ein was?“

„Ein Stunt! Eine Agentur hat mich angerufen, ob ich eine erkrankte Schauspielerin in dieser Szene vertreten könnte. Mann spritzt Frau zu Tode, um an das Erbe zu kommen. Sie boten 250 Euro für diesen kurzen Auftritt.“

„Und das haben Sie so ohne weiteres angenommen?“

„Natürlich! Ich habe kein Bombengehalt wie Sie und muss mit jedem Cent rechnen.“

Elsterhorst sah sich in dem großen, mit antiken Möbeln eingerichteten Raum um.

„Alles geerbt.“ Esmeralda kriegte offenbar alles mit. Elsterhorst wurde amtlich.

„Wie heißt die Agentur?“

„Moment. Hier ist der Zettel! Ich habe es mir aufgeschrieben. Ach, jetzt kann ich ihn nicht finden. Ist es wichtig?“

„Sehr wichtig!“ Haben Sie eine Telefonnummer?“

Sie brachte das Telefon. Die Nummer war noch gespeichert. Elsterhorst wählte.

Kein Anschluss unter dieser Nummer.

„Eigenartig. Dabei war doch alles professionell vorbereitet. Sie holten mich hier ab. Ich hatte mich entsprechend den Anweisungen hergerichtet. Der Rollstuhl war im Kofferraum ....“

„Den Rest kenne ich. Ich habe zugesehen.“

„Sie haben ....?“ Esmeralda hatte die Angewohnheit, Sätze unvollendet zu lassen.

Elsterhorst erstattete ihr eine Art Zeugenbericht. Wenig professionell. Esmeralda sah ihn unentwegt an. Ihre klaren grauen Augen waren ernst und ohne Spott. Und Elsterhorst fuhr fort mit seinen Ausführungen.

„Er, ich meine, der Täter, will ins Gefängnis. Gibt es denn so etwas?“

„Ist er krank?

„Er ist alt und halbblind.“

„Wo soll er dann auch sonst hin? Da wird er besser behandelt als in jedem Heim!“

Wer stellte nun eigentlich die Fragen?

„Sehen Sie es doch mal so, Herr Elsterhorst. Er ist hilfsbedürftig. Ein Heim kann er sich nicht leisten. Da ist der Seniorenknast doch keine schlechte Lösung?“

„Gibt es das öfter?“

„Um das herauszubringen, müssten Sie sich schon selbst dort einmieten. Die geben sicher an mit ihren Tricks.“

„Und wenn mich jemand erkennt?“

„Das lassen Sie mal meine Sorge sein. Ich bin Maskenbildnerin und richte Sie so her, dass selbst Ihr Hund Sie für einen Fremden hält. Warten Sie mal.“

Sie gab ihm ein Kärtchen mit Ihrer Telefonnummer und einer E-Mail Adresse. Elsterhorst erhob sich. Esmeralda rief die Hunde herein. Ein kurzer Abschied.

„Vielen Dank für Ihre Aufrichtigkeit, Frau Kleeblatt.“

Kein „Auf Wiedersehen“?

Dann stand er auf der Straße und trat den Heimweg an. Rinaldo trottete mit liebeskummriger Miene neben ihm her.

Elsterhorst war zutiefst unzufrieden mit sich. Wie kam er dazu, mit dieser wildfremden, arroganten Frau über einen seiner Fälle zu sprechen? Obwohl – am Ende war sie doch sehr verständnisvoll gewesen. Aber was hieß das schon? Vielleicht war sie bis über beide Ohren in die Angelegenheit verwickelt? Er wollte sie nie wieder sehen – es sei denn im Gerichtssaal.

Morgen würde er Schäfer erneut verhören. Ganz offiziell. Keine Sonderaktionen mehr. Aber er würde die Wahrheit aus ihm herauspressen.

Er, Elsterhorst, in den Knast gehen? Verrückte Idee von dieser Maskenbildnerin. Ach, zum Teufel mit allen Kleeblättern!

Endlich im Knast!

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