Читать книгу Wenn im Wal die Puppen tanzen - Wiebke Otto, Annedore Oligschlaeger, Alexander Otto - Страница 10

Bewegung

Оглавление

Bewegung ist Leben. Deshalb braucht es Bewegung in den Puppen! Wenn eine Puppe nur steht und spricht, stört einen die Textlastigkeit des Auftritts irgendwann, selbst wenn es sich um einen guten Text handelt. Daher gilt es, so oft und so viel Bewegung ins Spiel einzubauen wie möglich. Ebenso wie beim Thema „Sprechen“ sollte man sich dabei am Menschen orientieren. Je natürlicher die Bewegungen der Puppe sind, desto besser kann das Publikum sie „lesen“.

Werden verschiedene Bewegungen gleichzeitig gemacht, kann es schnell undeutlich werden und das Publikum kann diese nicht mehr „lesen“. Es sollte immer jeweils nur eine Bewegung gespielt werden. So kann jede für sich angeschaut und gedeutet werden, bevor die nächste wahrgenommen wird. Auch für die Spielerin / den Spieler ist es eine Erleichterung, die Bewegungen nacheinander zu spielen. Es gibt unterschiedliche Bewegungen:

•Sprechbewegung: äußert sich im Unterkiefer und Oberkopf der Puppe

•Laufbewegung: äußert sich im Körper der Puppe

•Blickbewegung: äußert sich im Kopf und Körper der Puppe

•Handbewegung: äußert sich in konkreten Gesten der Puppenhand

Sprechbewegung

Sprache braucht einen Adressaten. Das Gesagte wird nicht in die leere Luft hineingesprochen, sondern zu jemandem „geschickt“, der das hören soll: zu einem Gegenüber, zum Publikum, zu sich selbst. An wen ein Inhalt gerichtet ist, kann auch durch Bewegung sichtbar gemacht werden. Und zwar indem sich die Puppe dem Adressaten zuwendet, etwa mit dem Kopf oder sogar mit dem ganzen Körper, was eine stärkere Zuwendung bedeutet. Innerhalb eines Textes kann es mehrere Adressaten geben, die durch diese Körpersprache angesprochen werden. Körperbewegung beim Sprechen ist nicht zu unterschätzen: Sie sorgt für Dynamik im Puppenspiel.

Laufbewegung

Damit eine Puppe richtig läuft, muss sie klare Schritte setzen. Dabei sollte das Schrittmaß in erster Linie zur Puppe passen – nicht zur Spielerin / zum Spieler! Wenn es an der Bühne möglich ist, empfiehlt es sich, selbst echte Schritte zu machen, die sich am Schrittmaß der Puppe orientieren. Der Schrittimpuls kann auf diese Weise durch den Körper der Spielerin / des Spielers bis in den Puppenkörper ausstrahlen – der Gang wirkt dadurch natürlicher. Außerdem wird dabei ein echtes Schrittgeräusch für die Schritte der Puppe erzeugt.

Die Spielerin / der Spieler ordnet sich mit den eigenen Körperbewegungen der Puppe also unter und tut alles, um unentdeckt zu bleiben. So glaubt das Publikum, bei der Puppe handele es sich um ein unabhängiges Wesen. Wenn sich die Puppe dreht, dann um ihre eigene Achse, nicht um die der Spielerin / des Spielers. So vermeidet man, sich als Person hinter der Bühne zu „verraten“ – und die Puppe wird auch nicht unschön herumgeschleudert.

Blickbewegung

Bei der Puppe gibt es keine Augenbewegungen, sodass jeder Blick mit einer Kopfbewegung gespielt werden muss. Die Blicke der Puppe sollten klar gesetzt sein und nicht „schwimmen“. Nur so kann das Publikum deuten, wen oder was sie gerade anschaut. Durch klar fokussierte Blicke kommuniziert die Puppe auch auf der nonverbalen Ebene: Es steckt zum Beispiel eine Aussage dahinter, in welche Richtung sie blickt, was oder wen sie anschaut – oder auch nicht anschaut – und wie lange ihr Blick auf etwas verweilt. Schaut sie jemandem zum Beispiel nur kurz ins Gesicht, aber immer wieder auf den Bauch, sagt sie etwas damit aus, ohne es auszusprechen – etwa „Hast du zugenommen?“.

Interessantes Puppenspiel kommuniziert immer auf mehreren Ebenen: auf der verbalen Ebene, durch Sprache, aber auch viel auf der nonverbalen Ebene, durch Körpersprache. Jede Puppe ist jedoch anders und muss daher für ihre Blicke justiert werden. In der Regel zeigt die Puppennase auf das, was angeschaut wird. Man kann sich aber auch vorstellen, dass der Zeigefinger der Spielerin / des Spielers, der im Kopf der Puppe steckt, auf das zeigt, was angeschaut wird.

Übung: Lasse die Puppe dein Gesicht betrachten und beobachte ihre subtilen Bewegungen, während sie deine Nase, deine Lippen, deine Stirn usw. mustert. Die Puppe schaut immer genauer jede Wimper und jeden Pickel an, vergleicht die Mundwinkel und schaut tief ins Nasenloch. Lasse die Puppe sagen, was sie anschaut, zum Beispiel „Nase“. Wenn der Blick nicht klar genug gesetzt ist, korrigiere ihn. Verweile unterschiedlich lange mit den Blicken der Puppe auf deinen Gesichtspartien und beobachte, wie die Puppe etwas über dich denkt. Äußert sie das sogar?!

Puppen können durch Blickkontakt mit dem Publikum interagieren. Sie können es mit ins Geschehen einbeziehen und zu Verbündeten machen, ohne hierfür Text zu verwenden. Ein Beispiel: Es ertönt ein Schrei hinter der Bühne. Die Puppe schaut zunächst selbst in die Richtung, aus der der Schrei kam. Als nächstes schaut sie ins Publikum, das den Schrei auch gehört hat. Ohne Text und allein mit ihrem Blick fragt die Puppe: „Habt ihr das auch gehört?“ Auf diese Weise verbündet sie sich mit dem Publikum und sichert sich seine Aufmerksamkeit.

Handbewegung

Gesten bereichern das Spiel, machen es lebendig und zeigen den Körper der Puppe in Aktion. Für konkrete Gesten wird die Hand der Puppe eingesetzt. Zum Gähnen und Niesen geht die Hand vor den Mund, zum Fürchten vor die Augen, zum Trösten einer anderen Person auf deren Schulter, zum „Sich-schön-Finden“ streichend über den Kopf, zum Jubeln verrücktwedelnd in die Luft. Auch hier sollte so gut wie möglich beim Original „Mensch“ abgeschaut werden. Mit Richtung und Abfolge der Bewegung und in Kombination mit Fingern und Körper lässt sich ein lesbarer Code transportieren. Nachdem eine Geste ausgeführt wurde, sollte die Hand nicht freischwebend irgendwo vergessen werden, wo sie nichts mehr aussagt. Sie geht zurück in ihre Grundstellung, seitlich hängend am Körper, und befindet sich wieder unterhalb der Spielleiste.

Es kann humorvoll sein, absichtlich unstimmige Gesten zu machen: Zum Gähnen berührt die Hand die Schulter einer anderen Person, zum Jubeln wird sie vor den Mund gehalten, zum Fürchten werden die Arme in die Luft gerissen, zum Niesen fällt man um. Solche Gesten sollten gut dosiert werden – sie können eine Geschichte bereichern, aber auch sprengen. Genau das ist es aber, was man an Puppen liebt: Sie können solche Dinge einfach machen, lustig, quirlig und unverschämt sein, sich aufspielen, sich für etwas begeistern und extrem in ihren Reaktionen sein. Und man freut sich daran, dass sie dabei voller Leben stecken! Sie sollten daher nicht nur als Mittel zum Textvortragen verstanden werden, sondern als Botschafter für Lebendigkeit.

Übung: Mache mit deiner Puppe diese verschiedenen Bewegungen nacheinander: laufen, stehenbleiben, gucken, sich am Kopf kratzen, „Nanu?“ sagen, sich umschauen, sich an die Nase fassen, „Möööp“ sagen, die Hand von der Nase nehmen, ins Publikum blicken, lachen, sich umdrehen, wieder losgehen. Wiederhole die Abfolge und setze dabei Akzente. Spiele einige Bewegungen schneller, andere langsamer. Probiere aus, wie lange die Bewegungen spannend bleiben. Wie lange sollte sich die Puppe kratzen? Wie lange sollte sie etwas anschauen, ehe sie „Nanu?“ sagt? Wohin kann sich die Puppe überall umschauen?

Wenn im Wal die Puppen tanzen

Подняться наверх