Читать книгу Wenn im Wal die Puppen tanzen - Wiebke Otto, Annedore Oligschlaeger, Alexander Otto - Страница 9
Das Einmaleins beherrschen Sprechen
ОглавлениеIhr Name deutet es bereits deftig-charmant an: Die wichtigste Bewegung der Klappmaulpuppe ist ihre Mundbewegung. Nicht umsonst ist ihr Mund überdurchschnittlich groß. Dieses klappende Maul geht beim Sprechen auf und zu – am besten in einer Weise, die wir kennen und einordnen können: Denn die Wörter, die das Publikum hört, verknüpft es nur dann mit der Puppe, wenn die Artikulation der Wörter glaubhaft zu den Bewegungen ihres Klappmauls passt. Jeder hat von Kindheitstagen an anderen beim Sprechen zugeschaut und Bewegung und Stimme zu „lesen“ gelernt. Alles, was wir über das Sprechen wissen, haben wir bei anderen beobachtet, von den Lippen abgelesen und dann selbst umgesetzt. Nun gilt es, dies noch einmal wahrzunehmen und dann bei der Puppe umzusetzen. Nachahmung führt zum Erfolg!
Übung: Schaue die Puppe beim Wörtersprechen an. Hierbei merkst du intuitiv, was richtig ist und natürlich aussieht. Durch Beobachtung und Korrektur kannst du der Puppe glaubhafte Sprechbewegungen geben. Die Koordination von „Hirn“ mit „Hand“ wird trainiert und miteinander verbunden. Man wundert sich manchmal, was die eigene Hand macht – oder eben nicht macht, obwohl man es doch will!
Es gibt drei Grundregeln für gutes Sprechen einer Klappmaulpuppe:
Pro Silbe einmal aufmachen
Hierfür muss man jedes Wort in seine Silben aufteilen und dann den Mund der Puppe pro Silbe einmal öffnen. Das Wort „Haus“ hat nur eine Silbe, also gibt es nur eine Öffnung des Mundes. „Tür-öff-ner“ hingegen hat drei Silben, also wird der Mund dreimal dazu geöffnet. Wer diesen ersten Tipp umsetzt, hat schon viel gewonnen!
Übung: Sprich mit deiner Puppe mehrsilbige Wörter. Fange mit einem einsilbigen Wort an: „Ohr“. Setze die Übung mit Wörtern fort, die jeweils eine Silbe mehr haben als das vorherige Wort: „Ohr-ring“, „schwer-hö-rig“, „Son-nen-bril-le“, „Füh-rer-schein-prü-fung“, „Hals-na-sen-oh-ren-arzt“ usw. Schaue dabei auf den Mund der Puppe und kontrolliere jede Silbe.
Wer diese erste Regel zum Sprechen verfeinern möchte, kann zusätzlich Folgendes beachten: Bei allen Silben, die den Buchstaben „A“ beinhalten, öffnet sich der Mund der Puppe etwas weiter als bei allen anderen Vokalen.
Übung: Um die größere „A-Öffnung“ zu üben, sprich mit deiner Puppe diese Wörter und öffne bei den Silben unterschiedlich weit: „A-bend-MAHL“, „A-bend-brot“, „MA-ler-werk-STATT“, „KRAN-ken-WA-gen“, „Ge-burts-TAGS-ein-LA-dung“, „Gut-ten TAG“.
Bei den Übungen sollte der Puppenmund bewusst geöffnet und geschlossen werden, um die Silben mitzählen zu können. Bei längeren Wörtern klingt dies künstlich, weil es eine unnatürliche Sprechweise ist. Schneller sprechen allein hilft allerdings nicht: Die Puppe kann dabei zu „klappern“ anfangen und unschön mit dem Kopf wackeln. Es hilft, ihren Mund nach jeder Silbe nur halb zu schließen und bei der nächsten Silbe einen neuen Impuls zur Öffnung zu geben. Erst wenn das Wort oder der Satz beendet ist, schließt sich der Mund wieder komplett.
Durch das Bewusstmachen der einzelnen Silben verbindet die Spielerin / der Spieler in der Übung die Sprache mit der Handbewegung. Doch darf die Puppe sich später im Spiel nicht wie ein Roboter anhören, der jede Silbe einzeln spricht (es sei denn, sie ist ein Roboter). Ein Satz sollte immer eine flüssige, natürliche Sprachmelodie haben, der man gern zuhört. Je natürlicher die Puppe spricht, desto besser. Natürlich ist, wie wir uns jeden Tag miteinander unterhalten – unnatürlich dagegen ist, wie man in der Grundschule oder vor dem Weihnachtsbaum auswendig gelernte Gedichte herunterleiert.
Das richtige Öffnen und Schließen
Der Impuls der Silbe ist ein Öffnen des Puppenmundes, kein Schließen! Am Anfang ist der Mund immer geschlossen. Mit der Silbe öffnet er sich und schließt sich weich zum Ende der Silbe. Mit ihrem Verklingen ist der Mund also wieder komplett geschlossen – oder nur halb geschlossen, wenn sofort weitere Silben folgen sollen. Ober- und Unterkiefer sind wie mit einem unsichtbaren Gummiband miteinander verbunden. So wird der Mund nach jeder Öffnung immer wieder automatisch geschlossen. Man kann sich auch vorstellen, dass die Silbe wie eine Seifenblase ist, die mit der Öffnung der Hand ausgehaucht und auf die Reise geschickt wird. Liegt hingegen der Impuls der Silbe auf dem Schließen, hat die „Silben-Seifenblase“ keine Zeit, ausgehaucht zu werden und platzt noch, bevor sie fliegen kann. Wie sie platzt auch die Illusion, dass die Puppe spricht.
Übung: Nimm deine Hand aus der Puppe und simuliere, wie sie in ihr steckt, indem du die Hand entsprechend formst. Stell dir vor, dass um Finger und Daumen ein unsichtbares Gummiband locker gewickelt ist. Beobachte deine Hand beim pantomimischen „Tennisball-Wegschmeißen“, „Matsch-gegen-die-Wand-Klatschen“, „Superpowerstrahlen-aus-der-Handfläche-Herumschießen“ – im Gegensatz zum „Pflaumenpflücken“, „Moos-von-der-Wand-Zupfen“ oder „Meerschweinchen-wilde-Frisuren-Stylen“. Die Hand geht nach vorne und öffnet sich, anstatt geschlossen nach hinten zu gehen.
Mit dem Unterkiefer sprechen
Beobachtet man andere beim Sprechen, stellt man fest: Wir sprechen hauptsächlich mit dem Unterkiefer und nur wenig mit dem Oberkiefer bzw. dem ganzen Kopf. Das ist bei der Puppe genauso: Um den Unterkiefer der Puppe zu öffnen, muss der Daumen der Spielerin / des Spielers in der Puppe nach unten gehen. Dies geht aber nur bis zu einem gewissen Grad. Kippt die Spielerin / der Spieler das Handgelenk leicht nach vorne, geht der ganze Puppenkopf dabei nach unten. Das wiederum erlaubt dem Daumen mehr Spielraum nach unten, der Mund kann weiter geöffnet werden. Der Oberkopf darf aber nicht stillstehen, er sollte bei jeder Öffnung mitschwingen und sich leicht nach oben bewegen. Die größere Bewegung sollte allerdings der Unterkiefer machen. Wenn stattdessen die Finger nach oben geklappt werden, wird der Oberkopf zu weit nach hinten geschmissen. Das Publikum hat es schwer, das Gesicht der Puppe zu erfassen, da es immerzu nach oben wegklappt. Außerdem verwuscheln dabei die Haare der Puppe. Besonders für langhaarige Puppen und solche, die einen großen Oberkopf haben, ist es wichtig, dass der Unterkiefer aktiver ist als der Oberkopf. Puppen mit kleineren Köpfen dürfen ihren Oberkopf durchaus mehr bewegen, das sieht glaubhafter aus.