Читать книгу Rendezvous mit dem Tod - Warum John F. Kennedy sterben musste - Wilfried Huismann - Страница 6
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Spuren in Mexiko
Оглавление»Im Mordfall Kennedy ist Mexiko die Büchse der Pandora.«
Laurence Keenan, FBI
Unten liegt Mexico City im grau-gelben Smog. Schon seit zehn Minuten überfliegen wir ein riesiges Häusermeer. Anfang und Ende der größten Stadt der Welt sind nicht zu erkennen. 26 Millionen Menschen leben in diesem Hexenkessel. Wie soll man darin die Spuren eines schmächtigen Mannes finden, der hier vor über vierzig Jahren mit einem Bus aus New Orleans ankam, um sich als »Soldat der Revolution«, wie er beim Abschied zu seiner Frau Marina gesagt hatte, zu verdingen? Genauso gut könnte man eine Nadel im Heuhaufen suchen. Denn die FBI-Ermittler haben nicht sehr viele Erkenntnisse hinterlassen. Sie bekamen heraus, mit wem Lee Harvey Oswald im Bus nach Mexico City saß, dass er im Hotel Comercio abstieg, in der kubanischen Botschaft einen Visumantrag stellte und wahrscheinlich einen Stierkampf besuchte. Ansonsten verlieren sich Oswalds Spuren im Nichts. Sechs Tage seines Lebens, verschwunden im schwarzen Loch der Zeitgeschichte.
Mexikos Stadtbild wird von grün-weißen VW Käfern beherrscht. Es sind Taxen, hierzulande liebevoll vochos genannt. Sie quälen sich zu hunderttausenden durch die Staus, unverwüstlich und zäh, so wie ihre Besitzer. Laura, eine gute mexikanische Freundin, hindert mich erfolgreich daran, eines dieser praktischen Transportmittel zu besteigen, um auf dem schnellsten Wege zu Oswalds Hotel in der Calle Sahagún zu kommen. »Viel zu gefährlich«, behauptet sie und erzählt mir Geschichten von europäischen Touristen, die von Taxifahrern verschleppt, ausgeraubt und sogar getötet worden seien. Erst als ich ihr versprochen habe, niemals so ein Teufelsgefährt zu besteigen, lädt sie mich in ihren VW-Jetta, tritt das Gaspedal bis zum Anschlag durch und steuert zielsicher einen imaginären Punkt an, während sie gleichzeitig auf mich einredet, um mir die Gefahren der Metropole einzuschärfen. Wir fahren ungefähr eine Stunde im Kreis, bis Laura beschließt, einen Straßenpolizisten zu fragen, wo denn die Calle Sahagún zu finden sei. Der verzieht missbilligend das Gesicht und sagt: »Nach rechts und dann immer geradeaus.« Laura reißt das Steuer energisch nach links und kommentiert meinen ratlosen Blick mit den Worten: »Jeder weiß doch, dass mexikanische Polizisten rechts und links nicht voneinander unterscheiden können, also mache ich genau das Gegenteil von dem, was er sagt.«
Als das Rot der Sonne mit dem Schwarz der Nacht verschmilzt, stehen wir endlich vor dem Hotel Comercio, ganz in der Nähe der Metrostation Revolución. Ein Blick auf den Stadtplan verrät mir: Mit dem Taxi wären es höchsten 10 Minuten gewesen. »Aber«, kontert Laura, »bei meiner Methode bist du immerhin am Leben geblieben.« Dagegen ist nun wirklich kein Einwand möglich. Das Viertel voller fliegender Händler, Zuhälter, Huren und Drogendealer gilt als unsicher. Selbst der kleine Getränkekiosk neben dem Hotel ist mit dicken Eisenstangen verbarrikadiert. Nachfrage bei der verstört wirkenden Empfangsdame des Hotels. Sie zuckt mit den Schultern und wirft einen ängstlichen Blick in Richtung Treppe. Sie selbst habe Oswald nicht gekannt. Nur der Besitzer des Hotels, Herr Guerrero, dürfe zu diesem Thema Auskunft geben. Der sei schon 1963 Eigentümer des Hotels gewesen. Im Moment sei er aber auf Auslandsreise und niemand wisse, wann er wiederkomme.
Im Hintergrund lärmen ein paar Huren mit ihren Freiern. Das Comercio ist heute ein schäbiges kleines Stundenhotel, am Rande der Legalität. Ein Zimmer kostet hier 6,50 Dollar, zu Oswalds Zeiten waren es nur 1,28. Filmen und Fotografieren, so belehrt mich die Empfangsdame, seien in diesem Hotel grundsätzlich verboten. Es wird fast ein Jahr Verhandlungen und eine hübsche Stange Geld kosten, bis wir endlich das Zimmer Nummer 18 betreten und auch filmen dürfen. Die spartanische Einrichtung der sechziger Jahre: Abgewetzte Möbel in rötlichem Holz mit schwarzen, von Zigaretten eingebrannten Löchern. Das Zimmer ist dunkel, mit Fenster zum Hof. Nur die Holzvertäfelung sei neu, so die Empfangsdame. Sonst ist alles so wie zu Oswalds Zeiten. Hier also hat der Mörder Kennedys gewohnt.