Читать книгу Das Mitternachtsschiff - Wilfried Schneider - Страница 12

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»Beruhige dich!« mahnte der Offizier. Abdi-ashirta lief von Fackel zu Fackel und schlug gegen die Halterungen. Geisterhaft tanzten die Schatten der Wachen an den Wänden. Das gedankenlose Spiel füllte die leere Zeit.

»Zum dritten Mal! Folge mir! Hat ein Gott dich mit Taubheit geschlagen?« Der Sidoner erschrak, er hatte den Ruf des Priesters erst jetzt gehört.

Die Fenster des Audienzsaales waren mit gelb-blauen Stoffen verhängt. Trompeten verkündeten das Nahen des Herrschers, dann unterbrach allein noch das Knistern der Öllampen die Stille. Die Portalwächter schwenkten ihre Hellebarden zur Seite. Licht füllte den Raum, als trete Gott Re selbst durch die Mauern. Der Oberste Rat warf sich zu Boden. Als Abdi-ashirta zögerte, drückte ihn Kerifer-Neiths Hand nach unten.

»Der Göttliche will eure Augen sehen, und ihr sollt die Ohren öffnen. Das sagt euch Ptah-hotep, Oberster Priester des Ptah und Mund des Stadtgottes von Menfe. Ptah-hotep, der neben dem Herrn steht.«

Der rote Zeremonialmantel hob den Göttergleichen aus der Kahlheit des Raums, sein Kopf war verhüllt, wie Neferheres es gesagt hatte. Er öffnete den Mund, noch bevor er zu sprechen begann, bewegten sich die Hände in heftigen Gesten. Lobpreisungen Kemets folgte die Schmähung Babylons, Worte schufen Bilder in den Farben des Hasses. Die Stimme wurde laut, schrie beschwörend auf die Herren des Rates ein.

»Da nun Re im Sternbild des Hundes wanderte, ward Hor, dem Seher, die Gnade eines göttlichen Traumes zuteil. Am Ufer eines Wassers, das nicht Meer war und nicht Fluss, reifte der Emmer auf fruchtbarer Erde. Bauern schnitten die Ähren, bereiteten Mehl, die Heimat zu ernähren. Im Wind der wogenden Felder tanzten Frauen zu klingenden Harfen. Doch jäh stiegen Vögel auf. Ihre Schatten fielen auf das Land und versetzten die Menschen in Schrecken. Schiffe mit krummnasigen Männern teilten das Wasser, an ihrem Bug die Zeichen von Sidon und Zor. Sie hatten Mäuler! Mäuler wie Tore, größer als Häuser, groß wie der Schlund von Abdju. Die Schiffe fraßen den Emmer Korn um Korn in unersättlicher Gier. Den Feldern folgten Menschen, den Menschen alles, was Kemet ist. Alles! Alles!«

Speichel rann Necho über das Kinn. Der mächtige Leib zuckte, in den Schläfen pulsierte das Blut. Die Schnabelschuhe traten den Stein.

»Ich habe den Stier geschlagen. Ich habe Ptah geopfert. Ich habe das Orakel der Priester gehört. Ich gebe dem Obersten Rat der Stadt Menfe und beiden Kemet bekannt: Der Kanal nützt unseren Feinden. Sein Bau wird eingestellt. Aber Osiris hat mich auserwählt, Kemets Ruhm in alle vier Häuser zu tragen. Eine Gesandtschaft wird unbekannte Meere befahren. Ihr Admiral wird Abdi-ashirta sein. Abdi-ashirta aus Zor, Seefahrer dieser Stadt. Sidonien wird Kemet dienen, an uns gebunden und nicht an die Feinde.«

»Ein Traum! Nur ein schrecklicher Traum!« Der Mann neben Abdi-ashirta kniete nicht wie die anderen. Er hatte die Stirn auf den Granit gelegt. »Es ist zu Ende. Mein Geschäft! Ich habe Knoblauch an den Kanal geliefert. Osiris!«

Sandalen scharrten über den Steinboden. Hinter Ptah-hotep bewegte sich ein Vorhang. Papyrusrollen fielen zu Boden. Die zitternden Hände des Beamten griffen dreimal danach.

»Osiris!« ächzte wieder der Kaufmann. »Es ist vorbei, vorbei, vorbei …« Er reihte das Wort bis Pharao sein Zepter auf den Thronsockel stieß. Jeder Laut erstarb.

»Verkündet eure Meinung!«

Die Männer wiesen mit offenen Händen auf ihren Herrn, den gottgleichen Necho, der sich verächtlich abwandte.

»Euer Denken ist Kemet würdig«, sprach Ptah-hotep und entbot einen Gruß. Die Männer verließen den Saal. Der letzte von ihnen verhielt den Schritt, als könne eine Fügung der Götter sie zurück rufen. Dann fiel das eichene Tor zu. Sie liefen den Weg, den sie gekommen waren. Worte brachen sich Bahn. Erstaunt blickten die Wachen zu den Erregten, deren Gesten die gewohnte Vornehmheit fehlte. Die den Kanal verteidigten, verstummten unter den Reden der Mehrheit.

Abdi-ashirta bemerkte nicht Kerifer-Neiths Zeichen, er hörte die Stimme Sin-hos, Vorsteher des Seefahrtsamtes in Zor und Hir-Rectars Vertrauter, der den Kanal als Straße nach Punt bezeichnet hatte, dessen Wasser die Truhen der Stadt füllen wird. Sin-ho, was für eine Nachricht wird dich bald erreichen! Der Sidoner fror in der Kühle des Palastes, die Nischen beunruhigten ihn, hinter den Vorhängen standen Gardisten.

»Phenesch!« drohte Ptah-hoteps Stimme. Abdi-ashirta warf sich vor die Thronstufen. Nach dem dritten Befehl erhob er sich, wie es Neferheres ihn gelehrt hatte.

Necho zog die Lippen zwischen die Zähne, wischte sich über den Mund und roch an den Fingern. An seinem rechten Auge kroch eine Fliege über den Tränensack, er spürte es nicht, die Haut war tot. Seine Hand rieb das Gewand zwischen den Beinen. Die Sinne schienen in die Ferne zu schweben, er bewegte sich, als wäre er allein.

»Was fühlst du, Phenesch?« schrie er plötzlich. »Du schweigst? Hat man dich auf diese Frage nicht vorbereitet?« Die Schuhspitzen wippten, eine Kokosmatte dämpfte die Geräusche.

»Göttergleicher, du erhebst meine Seele … aus dem Staub, du … du bist der Wind der vier Häuser. Du bist …«

Der Pharao riss an den Bordüren seines Sessels. »Sprach ich zu einem Weib? Küsse mir nicht die Füße, Phenesch! Ich will den Mann hören, der das Äußere Meer befuhr, nicht den, der die Stelle leckt, auf die ich spuckte. Lass die Hüllen, zeig Gedanken und keine leeren Bilder!« Die Faust schlug auf die Lehne. »Geblähte Worte von Höflingen!«

Die Gesichter der beiden Priester waren reglos geblieben. Necho ächzte, lautlos öffnete er mehrmals den Mund und fragte dann noch einmal: »Was fühlst du, Phenesch?«

Abdi-ashirta reckte den Kopf. »Freude!«, rief er.

Kerifer-Neith stöhnte. Der Pharao schlug sich auf die Knie.

»Freude! Er freut sich, der Phenesch! Und warum freut sich ein Phenesch, wenn er vor Kemets Herrscher liegt?« Ein Glucksen kam aus seiner Kehle. Der Pharao lachte. Abdiashirta blickte in die kranken Augen.

»Ich bezwang das Äußere Meer. Ich durchfuhr die Tore des Melkart. Nicht Worten bin ich zugetan, ich strebe nach unbekannten Ufern.« Er richtete sich auf. »Du bist kein Gott für mich! Du bist der Wind, der Segel füllt, du bist die Kühnheit. Von solchem Mann einen Auftrag zu erhalten, vollendet das Leben. Was kann es Besseres geben, als in den Dienst Nechos zu treten, der bei Bast den Bau des Kanals begann. Wie soll ich mich da nicht freuen?«

Er hielt inne, sah Kerifer-Neiths heftige Zeichen. Der Name des Herrschers durfte nicht ausgesprochen werden, dreimal hatte Neferheres es ihm verboten.

»Weiter!«, forderte Pharao mit heiserer Stimme. Abdi-ashirta zögerte.

»Bitte, Göttergleicher, zürne mir nicht. Deine Vorfahren, türmten Steine und schufen Welten, die ihre Namen in die Ewigkeit tragen. Ich legte meine Schiffe an viele Küsten. Sprachen dort die Menschen von ihren Herrschern, färbte oft Angst die Worte. Wenn das künftige Volk Kemets von seinen Toten spricht, wird dein Name mit Liebe genannt werden, da es ihn mit goldenen Farben im Herzen trägt. Du wirst also die Welt nicht verlassen, denn du hast sie verändert. Der Kanal …«

»Sein Bau ist eingestellt!«, rief Ptah-hotep. »Der Gott hat es verkündet!« Die Stirn des Priesters durchzogen Falten, die Hände, die einen König führten, zitterten.

Necho zog sich aus dem Stuhl, seine Finger umklammerten das Holz. »Gott! Gott! Gott! Ich rede hier nicht als Gott.« Schwerfällig stieg der Pharao die Thronstufen hinab und stellte sich neben den Sidoner auf die Platten. »Der schreckt dich mit Göttern, als wärest du ein Sklave! Höre, Phenesch! Priester! Meine Jugend gehörte ihnen. An den Wassern des Hapi und unter den Dächern des Palastes ging ich nie allein. Den Knaben regierte die Angst, ihr Missfallen zu erregen. Sie befahlen mein Leben ihrem Plan. Meine Zunge wurde ihre Zunge. Ich sehe mit ihren Augen. Den Kanalbau einzustellen, war ihr Wille. Ihr Denken lehnt auch die Gesandtschaft ab, die sie mir boten wie dem Kind ein neues Spielzeug. Ich habe mich zu euren Weissagungen bekannt, Ptah-hotep. Doch diese Stunde gehört mir! Keiner wage es, mich zu hindern. Keiner!« Schnaufend mühte sich der Pharao zum Thronsessel und fiel schwer in die Polster. Er leckte sich die Finger und glättete seine Brauen. Statt der Hand bewegte er den Kopf. Necho, der Göttliche, war ein Mensch.

»Die Karte!« schrie er. Kerifer-Neith brachte eine Rolle. Der König öffnete den Papyrus. Er schaute den Sidoner an, als sein Finger die Ostküste Libyens nachzog.

»Punt?« fragte Abdi-ashirta, »aber Punt ist doch hier … ein Nachbar. Die Küste … so weit nach Süden … und hier biegt sie sich nach Westen … die Gelehrten von Zor … sie kehrt zum Anfang zurück!« Abdi-ashirta stieg das Blut in den Kopf. »Ich soll …« Er stöhnte und presste die Hände an den Mund. »Der Kreis! Ihr Götter! Der Kreis!«

Der Pharao schloss die Augen, er lächelte.

Der Seefahrer sah Bilder seiner Schiffe, die toten Gesichter früherer Fahrten, die bleichen Nebel des Nordmeeres, die schweren Wasser der Großen Bucht. Unfähig zu einem lauten Wort flüsterte er: »Ich soll den Kreis … Hirams Fahrten nach Punt … wie klein … wie klein.« Zors Admiral grub die Nägel in die Haut, der Plan des Herrschers über Kemet war der Traum eines Wahnsinnigen. Der Tod hatte sein Gesicht.

»Das willst du von mir?«, schrie er auf. Ein Gardist sprang aus der Nische und riss ihn zu Boden.

»Das hat noch niemand getan! Das nicht!« Er lag auf den Knien. Necho erhob sich, drückte die Schultern nach hinten und genoss den Anblick des zerstörten Mannes zu seinen Füßen.

»Lass ihn oder du hängst an der Mauer!« Der erschrockene Soldat trat wieder hinter den Vorhang. Nechos Arme schienen Wände zu verrücken. »Alles wurde ein erstes Mal getan. Wer vermaß zuerst die Felder am Hapi? Wer wies dir deine Wege in die Meere? Admiral! Vollbringe das Einmalige! Umsegele Libyen! Die Königshäuser sind stolze Geschichte, ich will lebendige Werke. Phenesch, aus dir hat meine Seele gesprochen. So höre mich doch, Admiral!«

Necho rüttelte den Sidoner an der Schulter.

»Verzeih mir, Göttergleicher. Meine Gedanken waren bei Zors Gelehrten. Manche von ihnen glauben auch, dass Libyen sich biege. Münder formten frühes Wissen zu Fantasien. Angeblich beschrieben Tafeln in unserer Bibliothek Küsten südlich von Ophir. Sie sprachen von Wäldern wie Mauern, von riesigen Tieren und friedfertigen Menschen. Blaublättrige Bäume berührten den Himmel, und es gäbe Regen, als fielen Flüsse vom Himmel. Die Tafeln sind verloren, die sie einst lasen, tot. Aber wie entstand dieser Papyrus? So kenne ich die Küsten nicht, vermögen wir es doch nicht, die Gewässer im Südlichen Haus zu befahren. Der Kanal …« Abdi-ashirta blickte auf Ptah-hotep und schwieg.

Necho wies auf Kerifer-Neith. »Sein Tempel bewahrt eine alte Schrift. Sie enthält den Bericht eines kemetischen Reisenden, den einst unbekannte Winde nach Süden trieben, in einer Zeit, da Hatschepsut regierte, die Göttliche. Sein Name ist in den Jahren gelöscht, die Landschaften, die er sah, sind vergessen. Der Papyrus ist zum Teil verdorben. Unachtsamkeit der Priester. Sie wollen dieses Wissen nicht. Nach spärlichen Angaben ließ ich die Karte zeichnen. Unsere Welt ist das Band am Fluss. Wo der Sturm jetzt Sand zu Fontänen peitscht, jagten die Ahnen in dichten Wäldern. Öffne unsere Welt, Sidoner. Die Priester lieben die Macht. Sie sind zufrieden, ein Haus zu kennen und nicht die Stadt. Ich muss hinter den Horizont sehen. Fahre für mich, Held aus Zor, und bring mir eine neue Welt.«

»Seit Ewigkeiten ist die Allgewalt des Göttergleichen das Fundament, auf dem Kemet als Mitte der Erde steht.«

»Sei still, Ptah-hotep!« Der Pharao hob die Hand gegen den Priester. »Ihr seid wie die Felsen. Unbeweglich überdauert ihr die Zeit an einem Ort. Euren Augen erschließ sich nicht das Neue, denn die Welt kommt nicht zu euch. Ihr befasst euch nur mit dem, was euch nützt. Es gibt aber Dinge, die muss man um ihrer selbst willen tun. Dieser Phenesch kennt das wahre Maß. Die gestrige Sonne wärmt nicht den heutigen Tag. Ein Sklave sieht nicht die Weite. Nicht der Arm allein treibt das Schiff, es braucht den Geist, der ihm befiehlt. Admiral aus Sidonien, du wirst drei Schiffe erhalten. Erkunde Küsten, die noch kein Mann dieses Erdkreises betrat. Oder geh zurück nach Zor und vergiss! Kein Zwang soll dich leiten. Mache meinen Traum zu deinem und du wirst ein Fürst sein. Dir wird das Landgut Ift-ar gehören, ich gebe dir Neferheres, die Tochter des Nomarchen von Menfe zur Frau. Kerifer-Neith hat es so gesagt? Gut. So wird es sein. Neferheres.« Er wiederholte den Namen, zögerte und sagte noch einmal leise »Schön ist ihr Antlitz.« Er hob den Arm. »Oder verlasse Kemet noch heute. Es wird in Ehren geschehen. Du hast mein Wort.«

Im Portal zeigte sich ein Offizier. Ptah-hotep, der sich ihm zuwandte, warf einen höhnischen Blick auf den Seefahrer.

»Rede zu mir, Sothur!« Die Männer traten zum Thron. Der Gardist verneigte sich.

»Göttergleicher! Menfes Straßen hält der Pöbel in Besitz. Unterkünfte von Fremden werden zerstört. Aus den Hütten verbreitet sich Empörung. Vor den Warenlagern am Fluss rotten sich Frauen zusammen.«

»Genug!« Necho stampfte mit dem Fuß auf. »Griechische Wachen zu Neferheres, nicht unter deinem Kommando, Sothur. Ptah-hotep, kümmere dich! Syrische Hundertschaften treiben den Pöbel in die Häuser. Handle, Ptah-hotep. Sothur geht in die Garnison. Hass auf Fremde! Hass auf den Kanal! Ihr Priester schürt die Glut und freut euch über die Flamme. Geh endlich, Ptah-hotep!«

Abdi-ashirta war in den Hintergrund getreten. Sothur! Er kannte den Namen aus Merit-Res Mund, als sie im Garten mit der Herrin unter dem Eukalyptusbaum saß. War der Gardist … wie konnte er annehmen, dass Neferheres allein lebte … aber ein Gardist des Hofes … doch er sprach die Worte wie ein Gebildeter … die Gedanken verwirrten sich, er dachte an Neferheres, an ihr Lächeln, wenn sie von Necho sprach, an die altkemetische Wortweise, die sie so gern nutzte. Sothur ging an ihm vorbei, er hatte das Gesicht eines Kemeten des Südens. Er neigte unmerklich den Kopf. Verwundert sah der Sidoner diesen Gruß, den der Gardist in Gegenwart des Herrschers nicht entbieten durfte, der aber von Anerkennung sprach. Abdi-ashirta war so befangen von dieser Geste, dass er den Pharao nicht beachtete, der wieder auf seinen Thron stieg. Die Handflächen des Herrschers klatschten auf die Lehne.

»Es ist mein Wille: Die Expedition findet statt! Die Priester sagen, der Kanal gefährde Kemet. Sie flüsterten mir die Umsegelung Libyens in die Ohren, um mich von seinem Bau abzubringen. Ich aber mache die Umsegelung zu meinem Werk! Zu meinem! Der Kanal folgt einem alten Lauf. Was siehst du mich so an? Ja doch, es gab ihn schon früher einmal. Das wissen nicht viele. Unsere Umsegelung aber ist einsam. Sie gab es noch nie.« Das Gesicht Nechos verkrampfte sich, aus weiten Augen starrte er den Sidoner an. »Gib mir die Antwort, Phenesch!«

Abdi-ashirta griff in sein Gewand, die Finger rieben den Stoff, richteten den Gürtel und zerrten erneut an dem Tuch.

»Wann antwortest du, Phenesch?«

»Als Kind besuchte ich oft die Schwester meiner Mutter. Sie wohnte in einer Bergsiedlung. Viele Wege führten von dort in meine Stadt. Sie verzweigten sich an drei Stellen. Vor der letzten Biegung war ich stets nach links gegangen. Einmal flogen über mir Störche. Ich folgte den Vögeln. Ich ging den unbekannten Weg.«

»Deine Antwort!« Der Herr der mächtigsten Welt stand auf drei Schritt neben dem Sidoner.

»Ich verirrte mich, schlief über die Nacht auf fremdem Gestein. Im Morgenlicht sah ich Zor, lief durch vertraute Gassen in das Ostviertel, weinend vor Glück, denn ich war noch ein Kind.«

»Du lehnst ab?«, schrie Necho.

»Nein! Nein! Ich bin ein Seefahrer aus Zor!«

»Der Weg der Störche. Ich wusste es!«

Abdi-ashirta kniete nieder, legte sein Gesicht auf die Füße des Herren Kemets, berührte die Abbilder feindlicher Assyrer auf dessen Schuhen, wie es Neferheres ihn gelehrt hatte.

»Steh auf, Phoinikos!« Zum ersten Mal sprach der Pharao das griechische Wort. »Kerifer-Neith, den Obersten Schreiber!« Das Gesicht des Gottes lebte. »Höre heute meinen Plan, Admiral. Deine Gedanken sage mir morgen. Wer dich in Zor unsere Sprache lehrte, ich werde es ihn lohnen. Von jetzt an wirst du oft gerufen. Kerifer-Neith begleitet dich auf deinen Wegen, als wäre ich an deiner Seite. Er spricht mit meinem Mund. Ich befehle ihn, dich an den Kanal zu führen. Siehe die Kühnheit kemetischer Ideen mit deinen Augen. Admiral, wir stärken Ma’at. Bald herrscht in Kemet die Weltordnung der Großen Zeit. Später wirst du Ift-ar besuchen, siehe dort den königlichen Lohn, den ich dir biete. Sei stolz! Du bist ein Auserwählter. Kemet wird deine Heimat sein! Mein Kemet!«

Das Mitternachtsschiff

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