Читать книгу Das Mitternachtsschiff - Wilfried Schneider - Страница 15

III Ho! Ho! Das ist der Admiral? Janhamu 1

Оглавление

Zum dritte Mal in diesem Sommer trugen nubische Kolonnen bereits in Zor bearbeitete Gebalzedern den Handelsweg von der Lotosblüte über Per-sepa in die Siedlung am Lazurwasser. Abdi-ashirta stand auf seinem Wohnhaus, das nicht der Villa im heimatlichen Ostviertel glich. Die Regen dieser Zeit hatten die Wände ausgewaschen, das Dach war kaum zur Hälfte begehbar. Der schwere Sakinu hielt sich vorsorglich an den Rändern auf, deren mit der Wandung verbundene Balkenlage einen sicheren Stand bot. Ohne aufzublicken, erzeugten die dunkelhäutigen Träger mit Zunge und Lippen Schnalzlaute, von denen der Admiral auf dem Haus nicht wusste, ob es ein Gruß war oder der Hass auf den Mann sie gebar, für den die unbekannten Holzteile aus einem fremden Land an diese Küste geschleppt wurden. Die Transportschlitten hatten sich auf den unebenen Wegen fast jede Stunde festgefahren, die Hände schmerzen von den Verladearbeiten stärker als die Schultern in den Seilen. Der Wind aus dem Abendhaus wehte den Geruch von Schweiß und Holz zu Abdi-ashirta und seinem Beschützer, denen das aber vertraut und nicht unangenehm war. Abdi-ashirta war froh, dass Neferheres nach einem ihrer kurzen Aufenthalte, die nie länger als zwei Tage dauerten, zurück nach Menfe gereist war. Sie hatte den Bau der Schiffe für den Pharao gezeichnet und beschrieben. Bei vielen Gelegenheiten hatte Abdi-sirta sich gewundert, wie unbeeindruckt die hohe Frau mit den Zimmerleuten und Aufsehern umgegangen war, sie nach deren Herkunft fragte und sie oft ermutigte, ihre Meinung zu dem Willen des Palastes zu sagen. Die Andeutungen Kerifer-Neiths, die der Priester auf seine Fragen machte, hatte er nicht verstanden. »Eine starke Hand hebt den Vogel, der singt, in die Luft, dass sein Lied über den Hapi tönt. Vielleicht erzählen es dir einige der Männer auf deinem Schiff, was Neferheres antreibt, wenn sie dich einmal nicht die kemetischen Bräuche lehrt.«

Neben dem Rauchabzug knarrte Holz. »Sie sind aus Geempaaton. Ich habe vor der Tür gefragt. Sie sind ein Geschenk ihrer Heimat, deren Herrscher bittet durch sie um Vergebung für Gewalt in unruhigen Zeiten. Sie rufen dir zu, dass sie deine Schiffe stehlen und damit nach Hause fahren werden.« Die Haushälterin winkte ihren Landsleuten und verschwand wieder in der Luke. Die Kolonne stockte, einer der Männer hatte sich in den Zugseilen verfangen und kniete im Staub, die Füße der anderen wichen ihm aus. Der Aufseher des Schlittens befahl Halt, nahm seinen Schlagstock und hielt ihn dem Gestürzten hin, der sich daran hochzog und dem Kemeten mit einer Verbeugung dankte. Einer der kleineren Schlitten war mit Krügen beladen. Der Kommandant befahl seinen Knechten, den Nubiern Wasser zu geben. Selbst die Begleitsoldaten griffen nach den Gefäßen und trugen sie zu den Männern. Als diese tranken, sah der Admiral ihre Gesichter, er sah Dankbarkeit für den Augenblick der Ruhe, und Neugier bei jenen, die zum Dach blickten. Als der riesige Sakinu an die Hauskante trat, setzten die Schnalzlaute wieder ein, sie klangen erregt und vielleicht lag Bewunderung darin. Abdi-ashirta zeigte auf die Oberarme des Syrers und zeichnete mit den Händen einen Elefanten in die Luft. Die Männer lachten, manche winkten ihm zu, als der Trupp sich wieder in Bewegung setzte. Mit schweißglänzenden Rücken zogen sie weiter, die dunkelhäutigen Männer, von denen jeder Einzelne sein Schicksal hatte und nun in einer ihm fremden Welt lebte, wie sie in einer anderen Form nach zwei Jahreszeiten auch seine Männer erwartete. Er blieb noch lange auf dem Haus und dachte an die Handlung des Aufsehers und den Befehl des Kommandanten, außer der Reihe Wasser verteilen zu lassen. Erneut knarrte die Luke. »Herr, wohin schaust du? Hast du den Boten des Kommandanten nicht gesehen? Kerifer-Neith, der Ehrwürdige, beehrt dich noch heute. Er folgt der Kolonne auf drei Stunden.« Die Nubierin lachte den Admiral an, ohne zu verbergen, dass sie sich am harten kemetischen Brot vor drei Tagen einen Zahn ausgebissen hatte.

Der Priester schob den Vorhang beiseite und blickte in die Kammer, die von Neferheres während ihrer seltenen Besuche genutzt wurde. Die gekalkten Wände waren mit gelbschwarzen Tüchern verhängt. Die Holzdielung gab dem Raum ein wohnliches Aussehen, entschädigte aber die hohe Frau nicht für den vermissten Luxus der Villa hinter den Mauern.

»Kein Ort für Herrinnen«. Der Priester sagte den Satz nicht zum ersten Mal. »Doch sie erkennt die Siedlung als Platz, an dem die Ordnung Kemets gefestigt und Ma’at wohnen wird. Das bindet uns aneinander. Wie in dem Wüstengebirge Tal und Berg aufeinander folgen, steigt unser Land aus einer niederen Vergangenheit empor, um die Welt zu überblicken wie die Ahnen der Vorzeit. Dafür lebt Neferheres. Nur hast du es so noch nicht verstanden. Erhabene Worte berühren dich wenig, dich interessieren die Schaumköpfe der Wellen und ob die Häuser Sturm schicken oder den günstigen Wind. Dafür brauchen wir dich. Wir, Admiral, die Frau und der Priester. Achtung ist oft eine bessere Zuneigung als die Liebe. Nun habe ich dich genügend für meine Mitteilung vorbereitet, dass Neferheres in den nächsten Dekaden nicht hier sein wird. Sie ist in Ueset und liest alte Inschriften in den Gräbern.«

»Warum bist du gekommen, Herr?«, fragte Abdi-ashirta.

»Um zu sehen, ob schon Planken die Skelette verkleiden. Und ich will mit dir über die Besatzung reden.« Kerifer-Neith ließ sich auf einen Hocker nieder, das Gesicht zur Tür gerichtet. Dass Sakinu und Uliliya allein über das Haus wachten, schien ihn zu beunruhigen.

»Meine Werber zogen durch Sidonien, ich schickte sie auf Schiffen zu euren Ufern und weiter die Küste Kanaans entlang. Gott Hapi trug die Boote, auf denen sie fuhren, zu den Bauern des Südens. Leute der regionalen Ämter begleiteten sie. Was soll ich die Begebenheiten aufzeichnen! Männer wollten wir, die aus eigenem Willen in eine unbekannte Welt aufbrechen sollten. Bauernsöhnen nannten wir eigenes Land als Lohn, Knechten die Freiheit. Die so Geworbenen füllen nicht die Hälfte deiner Schiffsbänke. Wir werden Männer aus den Gefängnissen holen oder sie von den Besitzern der Steinbrüche mit Kupfer ablösen müssen. Hoffentlich ist für manchen der grüne Tod nicht ein besseres Schicksal als ein von den Göttern verfluchtes Schiff um Libyen herum zu rudern. Sollen die Krokodile mich fressen, schrie meinen Leuten ein Straßenlump in Sidon entgegen. Woher er solche Tiere kannte, sagte er nicht. Vielleicht denken viele so. Wenn du deine Ruderer musterst, werden dich Männer anstarren, denen du vor Zor nur in Begleitung von Wächtern begegnen möchtest. Männer, die Gedanken nur mit einem Wort formulieren können und nicht in Sätzen rede. Und Männer, die vom Meer nur wissen, dass es salzig ist. In manchem Schädel nistet der Gedanke, deinen Schiffen zu entfliehen. Sie kriechen lieber in eine libysche Sandhöhle, als in den Süden zu fahren, für dessen ungemessene Weite in ihren kleinen Hirnen kein Platz ist. Sie werden in den Bänken sitzen, dich anglotzen und darauf hoffen, dass die Ausgeburten ihrer Fantasie dich fressen. Für sie sind die Drohungen von Verdammnis, die sie in ihren Tempeln hörten, Wirklichkeit geworden. Hoffentlich, Admiral, gehen nicht zu viele in Ketten auf diese Fahrt, die Zahl der Soldaten wird das Übliche übersteigen. Kann man mit solch einem Haufen Libyen erobern, Admiral Abdi-ashirta?«

Kerifer-Neith zog das Fensterleinen beiseite. Tausend Ellen weit lagen die Schiffsgerippe auf ihren Hölzern. Die Nubier waren noch dabei, die Planken zu stapeln. Sie mussten den Weg zwischen Bast und der Werft noch einige Male gehen. Sie wussten es. Sie wussten auch, dass sie am Ende der Strapazen die Heimreise erwartete und nicht eine Fahrt ohne Wiederkehr. Der Priester dachte an Neferheres und die zerrissene Seele der heimlichen Tochter Pharaos, die als hohe Frau des Reiches überzeugt war, dass diese Fahrt das göttliche Gleichgewicht Kemets stärkt, deren Liebe zu Sothur sie in stillen Augenblicken auf ein Leben ohne den Sidoner hoffen ließ. Er hatte in den kurzen Begegnungen mit ihr aber auch gespürt, dass der rastlose, unbeirrbare Seemann ihre Achtung gewonnen hatte.

»Ich will dir erzählen, warum du deiner Schönen in den letzten Dekaden so selten begegnetest. Sie ist mit einem Mann beschäftigt, der Taharqa heißt und König im Land deiner Holzträger war. Er ist aus Granit, die Haut feinkörnig poliert. Sie putzt die Uräusschlangen auf seinem Kopf, deren rote und weiße Kronen sich zu einem Doppelknoten vereinen, bevor ihr Schwanz auf den Nacken fällt. Sein Gesicht ist von außerordentlicher Schönheit, doch das hat ihm auch nicht geholfen. Er wurde vom Sockel gestürzt, sein Name aus dem Stein geschlagen und die Nase gebrochen, damit er nicht atmen kann. In Menfe beginnt der Hass auf die nubische Welt zu regieren, Ptah-hotep und seine Getreuen wollen die Erinnerung an die Könige des Südens töten, die einst in Menfe residierten. Die Figur trägt eine Inschrift: Der vollkommene Gott, Herr der beiden Länder, Herr der Riten, der König beider Kemet, beschenkt mit Macht wie Re auf ewig. Dieser Eigenname ist noch länger. Ich habe den genauen Wortlaut vergessen. Neferheres säubert die Zeichen und bewahrt sie auf Papyrus, bevor das Abbild des schönen Herrschers in die Grube des Vergessens gegeben wird. Sie will zeigen, dass die nubischen Künstler von Kemets Geist beinflusst sind und das gesamte Gebiet im Süden Hapis sich unter kemetische Führung begeben müsse, um nicht Taharqas Schicksal zu teilen, den die Assyrer von Menfe nach Kusch jagten. Necho hat Assyrien unter seiner Aufsicht, bedient sich deiner Heimat als Handelsgesellschaft. Ptah-hotep und der kommende Nachfolger des Pharaos schielen hinter die Katarakte und möchten der Mittagssonne entgegenziehen, um die Schmach zu tilgen, dass schwarze Pharaonen in Menfe regierten. Admiral, ich erzähle dir die geheimen Gedanken, die im Palast geistern, und du hast die Ohren am Ofen, ob die Haushälterin die Hühner gar gekocht hat.«

Die Nubierin riss den Vorhang beiseite und breitete ihr Mahl auf dem Tisch neben dem Fenster aus. Abdi-ashirta schob angewidert den Brotfladen weg und griff nach einem Flügel. Der Priester warf die Haut aus dem Fenster und zog mit den Zähnen das Fleisch von einem der üblichen Holzstäbe. Sein Blick ging zum großen Tisch im Mittelraum, auf dem eine Karte lag, die Libyen zeigte. Ein Schiff war eingezeichnet, das den Bug nach Süden richtete, in eine Welt, die keine Umrisse aufwies. Eine Schabe kroch über das Gefährt nach Süden, setzte die Beine nur wenige Augenblicke und machte kehrt. Kerifer-Neith jagte seinen Spieß durch das Tier. „Kakerlaken!«, schrie er, »Kakerlaken wie im Palast. Nie gehen die kraftvoll zu einem Ziel!«

Das Mitternachtsschiff

Подняться наверх