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Weltordnung, allgemein
ОглавлениеDer französische Politikwissenschaftler Raymond Aron definierte ein internationales System als die Gesamtheit politischer Einheiten, welche untereinander reguläre Beziehungen unterhalten und in einen allgemeinen Krieg hineingezogen werden können. Über die Art der regulären Beziehungen ist damit noch nichts ausgesagt. Angesichts der Verschiedenheit politischer Einheiten, was ihre territoriale Ausdehnung, ihren Ressourcenreichtum und ihre militärische Macht angeht, kann man sich jedenfalls gut vorstellen, wie kompliziert es ist, solche Beziehungen auf längere Dauer aufrechtzuerhalten. In der Regel geht das nicht ohne eine durchsetzungswillige und -fähige Ordnungsmacht. Tatsächlich lehrt ein Blick in die Geschichte, dass es immer wieder solche Ordnungsmächte gab, die dem jeweiligen internationalen System – entweder im Alleingang oder mit einer anderen Macht konkurrierend, entweder eher kooperativ oder durch Zwang – ihre Ordnungsvorstellungen aufprägen wollten.
In der Rangfolge von Staaten stehen solche Ordnungsmächte ganz oben. Sie streben nach Hegemonie, auch weil sie ihren Rangplatz nicht verlieren wollen. Hegemonie kann aber auf längere Zeit nur funktionieren, wenn sie nicht nur der Vormacht selbst, sondern auch den anderen Mächten etwas einbringt, wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten etwa und Sicherheit im doppelten Sinne des Wortes – als Verlässlichkeit der Beziehungen untereinander und als ein gewisser Schutz vor Bedrohungen von außerhalb des internationalen Systems. Den Begriff der Weltordnung kann man entweder sozusagen inhaltsneutral als den gerade bestehenden Zustand des internationalen Systems verstehen. Oder als durch Ordnungsmächte durchgesetzte, von bestimmten und weitgehend akzeptierten Welt- und Wertvorstellungen charakterisierte, also inhaltlich bestimmte Ordnung.
Seit dem 17. Jahrhundert war das europäische internationale System mit seinen überseeischen Außenstellen, sprich: Kolonien und sonstigen Einflussgebieten, als Staatensystem definiert, das auf der (rechtlich definierten) souveränen Gleichheit der Staaten und dem daraus folgenden Grundsatz der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten beruhte. Auch eine gewisse, wenn auch nicht sehr wirkungsvolle Einhegung des Krieges war ein Element dieses »Westfälischen Systems der internationalen Beziehungen« (benannt nach dem Westfälischen Frieden am Ende des 30jährigen Krieges). Der Krieg galt im Übrigen als ein völlig legitimes Mittel zur Durchsetzung staatlicher Interessen, auch expansiver Interessen.
Die Detailgeschichte dieser, wenn man so will, »Westfälischen Weltordnung«, ihrer inneren Widersprüche, ihres Wandels infolge von Revolutionen und anderer Umbrüche, des Abfalls, aber auch des Auf- und Ausbaus vieler zunächst nur als Wirtschaftsobjekte wahrgenommener Kolonien zu Imperien, der imperialen Konkurrenz, die in zwei Weltkriegen kulminierte, all das ist spannend zu verfolgen, aber hier nicht unser Thema. Festzuhalten gilt, dass der Zusammenhalt eines internationalen Systems, gleichviel ob er mehr auf einer Balance mehrerer Mächte oder der Dominanz einer einzigen Ordnungsmacht beruht, immer gefährdet ist. Das Wohlergehen und die Sicherheit der Menschen können niemals garantiert, allenfalls auf Zeit stabil gehalten werden.