Читать книгу Ängste von Kindern und Jugendlichen – Das Elternbuch - Wilhelm Rotthaus - Страница 13
Agoraphobie
ОглавлениеLEA, 16 JAHRE, besucht die neunte Klasse eines Gymnasiums. Sie klagt über große Ängste vor dem Fahren mit einer Straßenbahn oder mit einem Bus. Sie habe einmal in einem überfüllten Bus Angstzustände erlebt und gefürchtet, keine Luft mehr zu bekommen und den Bus nicht schnell genug verlassen zu können. Seitdem verweigert sie die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Beim Einkaufen vermeidet sie Geschäfte, in denen sich viele Menschen aufhalten. Sie äußert die Befürchtung, beim Auftreten von Ängsten nicht schnell genug das Geschäft verlassen zu können. Lea ist schon immer ein Kind mit vielen Ängsten gewesen. Zu Beginn des Grundschulbesuchs hatte sie heftige Trennungsängste gezeigt, derentwegen die Familie eine Beratungsstelle aufgesucht hatte. Die Mutter leidet selbst an gelegentlich auftretenden Panikattacken und hat kaum Kontakte nach außen. Auch Lea besucht nur noch selten ihre Freundinnen von früher. Die Situation in der Familie ist sehr schwierig geworden. Gemeinsame Familienunternehmungen sind praktisch nicht mehr möglich. Der Vater versucht neben seinem Beruf, seiner Frau und Lea so gut es geht zu helfen. Er fährt seine Tochter jeden Tag zur Schule und holt sie dort auch wieder ab. Er erledigt nahezu alle Einkäufe und übernimmt alle zu erledigenden Termine, zeigt sich aber sehr belastet, erschöpft und ein Stück resigniert.
Die Agoraphobie ist eine Angststörung, die im Kindes- und Jugendalter selten auftritt und erst im jungen Erwachsenenalter den ersten Auftretensgipfel erreicht. Sie ist gekennzeichnet durch die Tendenz, bestimmte Situationen zu vermeiden, in denen Flucht oder Vermeidung nicht möglich oder Hilfe im Fall des Auftretens von Paniksymptomen nicht verfügbar ist. Charakteristisch ist die Angst vor dem Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln, vor dem Besuch von Räumen, in denen viele Menschen sind (Kaufhäuser, Kinos und Restaurants), sowie vor dem Fahren mit Autos oder dem Benutzen von Fahrstühlen. Die Jugendlichen fürchten beispielsweise, der Aufzug könne stecken bleiben oder im Kaufhaus würde ein Feuer ausbrechen und sie seien dann nicht mehr in der Lage, aus der Situation zu entkommen. Nahezu alle Situationen werden nun als bedrohlich erlebt, die eine Entfernung von einem »sicheren Ort« (meistens das Zuhause) oder eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit bedeuten – Situationen, in denen die Jugendlichen das Gefühl haben, »in der Falle zu sitzen«.