Читать книгу Inselstation Sankospia - Winfried Paarmann - Страница 17

DER KLEINE FÜRSTENSOHN

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Tansila saß auf der Palasttreppe, neben ihr Bentilow, ihr kleiner Bruder. Vor ihnen lagen drei Dobermannhunde, alle drei von majestätischer Größe.

Tansila kämmte den einen der Hunde, Bentilow einen anderen.

„Noch vor zwei Jahren waren es beißwütige Kampfhunde. Erinnerst du dich?“ sagte Tansila. „Keiner würde es jetzt mehr glauben. Ganz brav und sanft sind sie geworden.

Vater wollte, dass es Kampfhunde sind, sogar Kampfbestien wollte er, wie er sagte. Er wollte sie zu meinem Schutz. Weil ich nun eine junge Frau zu werden beginne.

Doch ich habe sie sanft gemacht. Sie würden keinen mehr anfallen.“

Sie kämmte liebevoll ihren Dobermann.

Ein etwas fülliges Kammermädchen mit einem Wäschekorb kam vorbei.

Tansila winkte ihr freundlich zu. „Hallo Mirja!“

Plötzlich warf sie den Kamm weit in die Gartenbeete und gab dem dritten der Dobermannhunde den Befehl, ihn zurückzubringen.

Es handelte sich um eine kleine Demonstration vor dem Kammermädchen, das neugierig stehen geblieben war.

Der Hund jagte sofort davon und kam mit dem Kamm im Maul zurück.

Tansila befahl ihm, den Kamm in ihren Schoß fallen zu lassen. Der Hund gehorchte erneut.

Sie warf den Kamm ein zweites Mal weit in die Beete. Diesmal erteilte sie dem Hund, den sie eben gekämmt hatte, den Befehl ihn zu suchen.

Auch dieser Hund jagte augenblicklich los, diensteifrig brachte er den Kamm zurück, ließ ihn in Tansilas Schoss fallen.

Ein zweites Kammermädchen war dazugekommen. Beide klatschten nun Beifall.

Bentilow machte eine leichte Angeberpose. „Sie gehorchen! Immer!

Sie verstehen auch genau, was sie sagt.

Auch mir gehorchen sie.

Tansila kann ihnen alles befehlen.

Sie kann auch befehlen, dass sie plötzlich bellen.

Sie kann ihnen auch sagen, dass sie laut knurren und wütend sein sollen.“

Er wartete, dass die Schwester es demonstrierte.

Die zögerte. Dann machte sie doch die entsprechenden Zeichen: Sie ballte die Faust, sie verzog das Gesicht.

Bentilow unterstützte sie.

Die Hunde sprangen alle drei plötzlich auf – in Richtung der Kammermädchen, sie stimmten ein bedrohliches Knurren an, sie bleckten die Zähne, ihre Körper vibrierten in heftiger Aggression.

Mirja und das andere Kammermädchen wichen ver-schreckt zurück, sie ergriffen die Flucht.

Die Dobermannhunde wollten ihnen nachsetzen – da rief Tansilas helle Stimme sie zurück. Fast im selben Moment wurden sie wieder sanft, ließen sich zu ihren Füßen nieder.

Bentilow lachte, er wollte die Kammermädchen zurückwinken.

Doch die waren froh, auf und davon und in Sicherheit zu sein.

Tansila und Bentilow kämmten wieder ihre Hunde.

„Du sagtest: Wenn du die Fürstin bist,“ begann Bentilow zu sprechen, „dann wirst du selbst die Gesetze machen und dann wirst du Archani heiraten.

Wird Archani dann Fürst sein?“

Tansila wiegte den Kopf. „Ein Fürst ist man von Geburt.“

„Kannst du ein Gesetz machen, dass man von Geburt an Fürst ist?“

„Es genügt, wenn Archani mein Mann ist,“ gab Tansila schließlich zur Antwort. „Mein ganzes Leben.

Auch er will es so.

Es ist unsere Bestimmung.“

„Eure Bestimmung?“

„Wenn es eine Bestimmung gibt, dann fühlt man es. Man fühlt es mit völliger Sicherheit. Und nichts und niemand kann etwas ändern daran.“

„Wer macht das – die Bestimmung?“

„Sie ist da und man fühlt sie. Ich sagte es doch.“

„Und wenn doch etwas passiert oder jemand etwas tut, dass es nicht geschehen kann?“

„Dann werde ich es nicht akzeptieren.

Dann wählen wir beide eher den Tod – ich und Archani.“

„Den Tod -?“

Bentilow verfiel in ein Nachdenken.

„Wenn es so käme – wenn ihr beide den Tod wählt – muss ich dann Fürst sein und das Land regieren?“

„Ja. Du.“

Tansila gab ihm einen kleinen Stoß.

„Rede nicht solchen Unfug. Und denke ihn auch nicht erst.“

Bentilow blieb gedankenvoll. „Und doch - wenn es so wäre – wenn ich regieren müsste als Fürst: Ich würde es besser machen als Bóganow.

Ich würde es lernen - ein guter Fürst zu sein. Immer zu allen gerecht.“

Ein Schatten flog über sein Gesicht.

Er sprach plötzlich fast flüsternd. „Aber ich lebe nicht lange – vielleicht…“

Er starrte auf seine geöffnete rechte Handfläche.

Tansila blickte ihn verwirrt und fragend an.

„Die Glonka sagt es.

Die Lebenslinie,“ Bentilow zeigte auf die Handfläche und die gemeinte Linie, „ganz kurz…

Die Glonka sagt: Sie sollen alle gut auf mich aufpassen.“

Tansila lachte auf. „Die Glonka sagt es?

Die redet viel.

Sicher, manchmal ist auch wahr, was sie sagt…“

Sie verfiel jetzt selbst in ein Grübeln.

„Auch über mich hat sie etwas gesagt.

Nicht nur fröhliche Dinge.

Ernste Dinge.

Das Licht liegt sehr weit entfernt, meinte sie.“

Sie streichelte Bentilow plötzlich liebevoll über den Kopf.

„In fünfzig Jahren, wenn es passiert ist, dann sprechen wir beide noch einmal darüber.

Du versprichst es mir?

Dann lachen wir beide, du und ich.“

Bentilow verzog frech das Gesicht. „Dann hast du keine Zähne mehr.“

„Und du graue Haare.“

Bentilow konterte: „Dann hast du Runzeln überall im Gesicht, dann hast du Hexenwarzen.“

„Dann gehst du am Stock,“ sagte Tansila.

Sie hielten sich an den Schultern umfasst, sie lachten.

Tansila griff Bentilows Hand. Sie schaute auf die Lebenslinie. Ihr Blick wurde ernst, wurde still.

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