Читать книгу Goethe und Grimm hätten sich in Karlsbad und Teplitz treffen können - Winfried Wolf - Страница 6

Grimm notiert

Оглавление

Grimm wusste von all dem noch nichts und es hätte ihn auch nicht weiter interessiert, wenn er nicht die Pflicht verspürt hätte, in seinen Briefen an Katharina immer auch ein wenig Tratsch beizumengen. Katharina liebte Tratschgeschichten. Grimm notierte am vierten Abend nach Goethes Ankunft das Folgende:

„Zu den Verehrerinnen Goethes zählen hier die Schwestern Meyer aus Berlin. Sie sind, wie man hört, nur nach Karlsbad gekommen, um hier ihren Dichtergott zu treffen. Ich muss gestehen, die Marianne Meyer ist ein schönes Frauenzimmer, sie weiß mit Bravour die Aufmerksamkeit des Dichters auf sich zu lenken. Da beide, Sara und Marianne besonders der Literatur das lebhafteste Interesse entgegenbringen, ist Goethe von ihnen ganz eingenommen. Ihr blendende Aussehen und ihr geistreiches Wesen haben der Marianne Meyer in Berlin schon zwei Verehrer eingebracht, die auch in St. Petersburg keine Unbekannten sein dürften: der sächsische Gesandte, Graf Geßler, und der dänische Gesandte, Graf Bernsdorff. Meiner Beobachtung nach hat aber ein dritter die größten Chancen, bei ihr Gehör zu finden. Das ist der hier zur Kur weilende Fürst zu Reuß, den Marianne Meyer im Salon ihrer Schwester Sara kennengelernt hat. Ob sich daraus allerdings etwas Ernstes ergeben kann, ist zweifelhaft, gewisse aristokratische Kreise schätzen, wie man weiß, keine Verbindung zu einem Judenmädchen. Goethe ist fast täglich mit dem österreichischen Gesandten Graf Reuß auf der Promenade zu sehen. Ich werde mich bei Gelegenheit den Herren anschließen und ein wenig mit ihnen politisieren. Ich glaube, Goethe ist ein Mann, der alles liebt und alles begehrt, das Gestein genauso wie die Weiber. Jetzt scheint mir sein Kopf mit Weibern und Mädchen angefüllt zu sein und ich glaube fast, er wird sie nicht los.

Eine weitere Dame, die mit den Meyers gut bekannt ist, ist ebenfalls häufig mit Goethe zu sehen. Wie ich erfahren habe, ist sie auf der Durchreise nach Italien und hat mit ihren Kindern in Karlsbad für einige Tage Station gemacht. Goethe verbringt des Öfteren seine Abende bei ihr. Wie es heißt, soll er den Damen dort aus seinen Werken vorlesen. Die Dame heißt Friederike Brun und ist ebenfalls eine glühende Verehrerin unseres Dichters, sie scheint aber im Unterschied zu den Meyers, noch nicht ganz den Verstand in seiner Gegenwart verloren zu haben. Sie sieht sich in diesen Tagen, wie ich einer Randbemerkung Goethes entnehmen konnte, den vollendeten dritten Teil des Wilhelm Meister durch, ein Werk, das mich an Diderots „ Le fils naturel “ erinnert, nicht vom Inhalte her aber die Anlage ist doch sehr ähnlich. Man nennt das jetzt einen „Bildungsroman“. Goethe scheint überhaupt viel von Diderot zu halten, ich muss ihn einmal gelegentlich darauf ansprechen. Ob es im übrigen rechtens ist, sich ganz ohne Gegenleistung der Inhalte meiner Correspondance zu bedienen, muss ich einmal mit einem Advokaten in Gotha klären.

Die nächsten Tage vergingen, ohne dass Grimm die Gelegenheit fand, mit Goethe zusammenzutreffen. Das lag zum einen daran, dass Grimm von sich aus nicht das Gespräch suchte, es war aber auch so, dass es nicht leicht war, an Goethe heranzukommen. Zwar sah ihn Grimm nahezu täglich am Brunnen und auf der Alten Wiese aber stets war er in Begleitung junger Damen, die es ganz offensichtlich verstanden des Dichters Aufmerksamkeit ganz auf sich zu ziehen. Eine der Damen war die ihm schon bekannte Nothelferin Marianne Meyer, die andere war deren Schwester Sarah, beide zählten, wie Grimm gehört hatte, zu Berlins bekanntesten Salonièren.

Goethe und Grimm hätten sich in Karlsbad und Teplitz treffen können

Подняться наверх