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Grimm trifft einen alten Bekannten: Lord Findlater

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Schon in der ersten Woche seiner Kur hatte Grimm seinen alten Bekannten Lord Findlater, der ebenso wie er ein großer Bewunderer der russischen Kaiserin war, getroffen. Sie hatten sich 1792 in Frankfurt über ihren gemeinsamen Freund, den russischen Grafen Romanzoff, persönlich kennengelernt. Für diesen Tag hatten sie einen gemeinsamen Spaziergang vereinbart und mehr als einmal genoss Grimm seitdem die Gastfreundschaft des schottischen Grafen in dessen geräumiger Unterkunft im Weißen Hasen. Findlaters Kopf war wie immer voller fantastischer Projekte. In Grimm fand der Lord nicht nur einen aufmerksamen Zuhörer, sondern auch einen möglichen Beförderer seiner Ideen. Baron Grimm, der ausgewiesene Freund und Agent der Zarin, war ein Mann mit Weitblick, ihm konnte man Ideen anvertrauen, die dem Fortschritt der menschlichen Entwicklung dienten. Ob der schottische Graf da seinen Begleiter wohl richtig einschätzte? „Herr Baron, Sie erinnern sich vielleicht , dass ich mich seit einiger Zeit mit ganzer Kraft einem Werk widme, von dem ich glaube, dass es den Menschen in den entlegenen Gebieten der Kolonisation einmal sehr nützlich sein wird. Sie hatten die Güte, mein Dictionaire agronomique der Kaiserin zu empfehlen und wie Sie mir schrieben, hat Ihre Majestät sogleich die Übernahme der Druckkosten bewilligt. Ich kann nur noch einmal wiederholen, wie dankbar ich Ihnen bin. Millers Gärtnerlexikon ist gerade für die russischen Kolonien von unschätzbarem Wert, es wird dazu beitragen, den Ruhm der Kaiserin und das Wohlergehen ihrer Untertanen zu mehren.“ „Lieber Graf, ich habe nur getan, was ich selbst aus ganzem Herzen unterstützen kann. Aber gestatten Sie mir eine vielleicht indiskrete Frage. Sie haben sich in Dresden niedergelassen, wollen Sie denn für immer in diesem Teil Deutschlands bleiben?“ „Herr Baron, ich habe mir in Dresden ein Haus erworben und Sie sind hiermit herzlich eingeladen, einmal vorbeizukommen aber ziehen Sie sich feste Stiefel an, denn ich werde nur am Abend mit Ihnen am Kamin sitzen, tagsüber sind wir in meinen Weinbergen, die ich am Elbhang habe anlegen lassen. Dort werde ich mir ein Palais bauen lassen, das zu Ihrer Frage, ob ich mich in Sachsen niederlassen werde.“ „Wie ich höre, haben Herr Graf auch Pläne für unseren Kurort hier im Tal der Tepel?“ „Man kann sein Geld zum Fenster hinaus werfen, ich investiere in die Zukunft. Herr Goethe war, wie er mir erzählte, schon auf dem Hirschenstein und er klettert auf die Berge, Gestein zu hämmern und zu botanisieren. Der große Dichter ist ein starker Mann, er ist behände und kein Fels kann ihm zu hoch sein. Ich möchte, dass auch andere Kurgäste die Schönheit der Natur, die dieses Tal zu bieten hat, aus nächster Nähe genießen können. Dazu braucht es bequeme Wege und Orte, die zum Ausruhen einladen. Ich habe mir in den Kopf gesetzt, Karlsbad, das mir lieb und teuer ist und das mir selbst schon die größten Wohltaten bereitet hat, zu verschönern, das bin ich diesem Ort schuldig.“

Grimm und Findlater waren auf ihrem Spaziergang am Ende der Alten Wiese angekommen, sie schauten auf die Berge links und rechts der Tepel, fanden sich im dichten Wald der Hänge Wege zum Hirschenstein und zum Dreikreuzberg, stellten sich kleine Tempel auf lichten Höhen vor, wo Wanderer sich zur Rast niederließen und dort die Einsamkeit mit dem Gedränge auf der Promenade tauschten wollten. Alles lag so wie in einer verkleinerten Welt beieinander, das Einsame und das Drangvolle, die Stille und der Lärm. Findlater wies auf die Kurgäste, die jetzt am Nachmittag auf der Promenade hin und her gingen. „Wie hat unser Dichterfreund gesagt? „ Man könnte hundert Meilen reisen und würde nicht so viele Menschen und so nahe sehen .“ „Ja“, ergänzte Grimm, „das millionenfach verkleinerte Spiegelbild, das Schachbrett Europas.“ „Sie spielen auf die Politik an, mein lieber Baron, ja, Politik wurde in den Bädern schon immer gemacht. Schauen Sie, die Herrschaften dort gehen zum Tanz in den Böhmischen Saal, ich sage Ihnen, auch dieses Vergnügen dient der Politik. Der Klatsch, das Promenieren, der Tanz und die Konversation, das ist eine Melange, die manchmal zum Kriege aber manchmal auch zum Frieden führen kann.“

Goethe und Grimm hätten sich in Karlsbad und Teplitz treffen können

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