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3.1 Antarktische Vereisung: neogene Abkühlung und Aridisierung
ОглавлениеWüstenhafte Verhältnisse hat es im Lauf der Erdgeschichte und der Entwicklung der Kontinente immer wieder gegeben, aber auch Zeiten, in denen sie fehlten und teils üppigen Vegetationsformationen Platz gemacht haben. So begann auch die jüngste geologische Ära, das Tertiär, vor etwa 65 Mio. Jahren mit einer langen warm-feuchten Klimaperiode während des Alttertiärs, die offensichtlich von Pol zu Pol eine Waldbedeckung bewirkte. Zeugnisse sind alt- bis mitteltertiäre Steinkohlelager auf Spitzbergen (Arktis) oder die mitteleuropäischen Braunkohlen (Ville, Wetterau, Lausitz). Laterit- und Bauxitvorkommen am Vogelsberg belegen eine intensive chemische Gesteinsverwitterung, die man als tropoid bezeichnen könnte. Immer wieder werden auch fossilisierte Holz- und Blattfunde aus der damals noch unvergletscherten, offensichtlich bewaldeten Antarktis gemeldet.
Tab. 2 Stratigraphische Gliederung des Känozoikums (n. Eberle et al. 2010)
Ära | System | Serie | Alter Mio. Jahre |
KÄNOZOIKUM | Quartär Neogen Paläogen | Holozän Pleistozän Pliozän Miozän Oligozän Eozän Paläozän | 2,6 24 65 |
Die jüngere Geschichte der waldarmen oder waldfreien – und damit auch der wüstenhaften – Landschaften beginnt mit dramatischen plattentektonischen Veränderungen: Der Urkontinent Pangäa teilt sich vor etwa 200 Mio. Jahren in Laurasia (später Laurentia und Eurasien) und den Südkontinent Gondwana. Dieser spaltet sich wiederum auf und bildet zwischen den entstehenden Kontinenten und Inseln neue Ozeane: Vor ungefähr 125 Mio. Jahren trennen sich Südamerika und Afrika; der Atlantik entsteht. Im Verlauf des Tertiärs bildet Australien einen eigenen Kontinent; auch Neuseeland ist ein Bruchstück des alten Gondwana-Riesenkontinents. Antarktika bewegt sich in eine zentrale südpolare Lage, was seinen Energiehaushalt völlig verändert – und damit auch die Klimageschichte des gesamten Globus. Vorderindien driftet auf die Nordhalbkugel und kollidiert mit der Eurasischen Masse; Himalaya und das Tibetische Hochplateau entstehen. Die alpidische Orogenese erzeugt einen Gebirgskomplex von den Pyrenäen bis zum Hindukusch. Von Alaska bis nach Feuerland entwickeln sich die nord- und südamerikanischen Kordilleren als Barrieren in wichtigen Windsystemen. Ihre Konfiguration aus Gebirgsketten, intramontanen Becken und Hochplateaus bildet bei der zunehmenden globalen Abkühlung die Ursache für ausgedehnte wie auch kleinräumige orographische Wüsten (Lee-Wüsten).
Mit der neu konfigurierten Erdoberfläche wird vor allem im Neogen der früher ungehinderte Wärmeaustausch zwischen der Äquatorialregion und den Polen abgeschwächt. Eine globale Abkühlungstendenz ist festzustellen (Abb. 4); aufgrund der geringen Wärmeeinstrahlung beginnt im Oligozän (– 38 Mio. Jahre) die Vereisung der Antarktis. Seit dieser Zeit ist die Antarktis wohl nie mehr eisfrei. Mit der definitiven Trennung und Isolierung des Südkontinents von allen übrigen Gondwana-Fragmenten kann sich die Kaltwasserzirkulation des Antarktischen Ringstroms entwickeln (vgl. Blümel 1999). Von hier aus dringt kaltes, dichtes Tiefenwasser durch die ozeanischen Becken bis weit in die Nordhalbkugel hinein. Es etabliert sich unter der ozeanischen Thermosphäre mit Wassertemperaturen über 20 °C die Psychrosphäre als kaltes Stockwerk mit < 10 °C (bis stellenweise < 0 °C). Der konvektive Ferntransport kalten Wassers sorgt für eine im Trend anhaltende globale atmosphärische Abkühlung. Die Weltmitteltemperatur sinkt deutlich um etwa 4 – 5 K; heute liegt sie bei 14/15 °C. Die Antarktis wirkt wie ein globales Kälteaggregat: Ein System aus hoch aufragendem Inlandeis und einem saisonal von Eis bedeckten, circumpolaren Kaltwassergürtel (Antarktischer Ringstrom) sowie daraus in alle Ozeane abströmende dichte, kalte Wässer erniedrigten allmählich die Temperatur der Atmosphäre (Abb. 4).
Abb. 4
Klimatische Abkühlung im Tertiär und Quartär, dokumentiert durch Sauerstoffisotopenbestimmungen (δ18O) in Einzellern (benthische Foraminiferen). Vermerkt sind zeitlich zugehörige Gebirgsbildungen und ozeanographisch-glaziologische Veränderungen (veränd. n. Arz et al. 2007).
Das Messinian Event – Austrockung des Mittelmeeres
Die übergeordnete Antarktisvereisung bezog ab etwa 10 Mio. Jahren den westlichen Archipel mit ein und gipfelte am Ende des Miozäns (vor ca. 5,5 Mio. Jahren) in der Maximalvereisung (Queen Maud-Stadium). Gegenüber heute speicherte die Antarktis etwa 50 % mehr Eis. Damit verbunden war eine eustatische Absenkung des Meeresspiegels um 50 – 60 m. Die Meerenge von Gibraltar fiel trocken; der Zufluss aus dem Atlantik wurde unterbrochen. Das Mittelmeer trocknete (mehrfach) aus und bildete eine weiträumige Wüste, in deren Becken sich riesige Salzpfannen bildeten, in denen ca. 6 % des im Weltmeer gelösten Salzes eingedampft und ausgefällt wurden. Es entstanden mächtige Salzlagerstätten (Hsü 1972). Rhône und Nil mündeten als endorhëische (binnenländische) Flüsse über große Katarakte in das mediterrane Wüstenbecken und verdunsteten.
Ob die glazial-eustatische Meeresspiegelabsenkung alleine für diesen Vorgang verantwortlich ist, oder ob auch tektonische Hebungen an der Gibraltar-Schwelle mitgewirkt haben, ist offen. Erdgeschichtlich wird diese dramatische Entwicklung als Messinian Event bezeichnet. Dessen Begleiterscheinungen haben möglicherweise die globale Klimaentwicklung in Richtung Abkühlung und Wüstenbildung weiter vorangetrieben: Da der geringere Salzgehalt das Meerwasser schneller gefrieren lässt, wird vermutet, dass dadurch der Eisaufbau im Nordpolargebiet unterstützt wurde und die arktischen Kältewüsten entstanden.
Mit der kälteren Atmosphäre sinkt ihr Wassergehalt – die Niederschläge nehmen generell ab. Ozeanität und Kontinentalität akzentuieren sich. Kalte Auftriebswässer aus der Antarktis verursachen eine Aridisierung südwest-afrikanischer und süd-amerikanischer Küstenabschnitte. Es entstehen mit der Namib und der Atacama die ersten extremen Wüsten an den westlichen Kontinenträndern von SW-Afrika und S-Amerika; das belegen zahlreiche Untersuchungen (vgl. Eitel 1994; Kap. 12, 13). Auf den Festländern steigert sich die Trockenheit und weitet sich aus. Man kann davon ausgehen, dass durch die allmähliche globale Veränderung der klimatischen Zirkulationsmuster, insbesondere durch die zunehmende atmosphärische Kühle und Trockenheit, ein breiteres Spektrum an Vegetationsformationen entstand: Die an Humidität gebundenen Wälder mussten regional offenen Landschaften weichen: Es entwickelten sich in der Folge tropische Grasländer (Savannen), Halbwüsten und Wüsten, in den Außertropen die Steppen und andere Trockengebietsformen. Diese Entwicklung vollzog sich vor allem ab dem Mittleren Miozän (Tab. 2): Vor etwa 16 Mio. Jahren wuchs in der Ost-Antarktis ein bis heute persistentes Inlandeis auf; der Aufbau der marinen Psychrosphäre dürfte damals abgeschlossen gewesen sein. Spätestens seit dem Miozän beeinflussen die zugehörigen kalten Auftriebswässer (Benguela-Strom) die südwestafrikanische Küste und verursachen deren extreme Trockenheit.
Die Aridisierung des südlichen Afrika lässt in der Folge auf der Basis des tertiären Tsondab-Sandsteins (Proto-Namib) den Namib-Erg entstehen. Verbunden mit den kalten antarktischen Meeresströmungen und einer seit Jahrmillionen herunter gekühlten Atmosphäre dürften die Namib und die Atacama mit 8 – 10 Mio. Jahren die ältesten Wüstenbildungen der Neuzeit sein. Ein weiterer Schritt in der troposphärischen Entwicklung und damit auch in der Geschichte der Wüsten setzt mit der Schließung der Meerenge von Panama vor ca. 3,5 Mio. Jahren ein: Die neuen Strömungsverhältnisse führten jetzt wärmere Wassermassen nach Norden (Golfstrom) und damit feuchte Luft, die höhere (Schnee-)Niederschläge mit sich brachte und damit möglicherweise die vor etwa 2,6 Mio. Jahren einsetzende Vereisung auf der Nordkalotte beschleunigte.
Anmerkung: Mit dem Verdängen der Wälder und Einzug offener Landschaften wie Savannen, Steppen oder Wüsten erhielt auch die Primaten- und Menschheitsentwicklung Impulse durch den klimatisch bedingten Landschaftswandel der jüngsten Jahrmillionen. Die Bewegung durch (ungewohntes) Grasland dürfte die Primaten und Frühmenschen regelrecht zum aufrechten Gang genötigt haben. Hinzu kommt ein völlig geändertes, vielseitiges Nahrungsspektrum, das ebenfalls evolutionäre Prozesse ausgelöst oder beschleunigt haben dürfte. Savannen und andere offene Landschaftstypen haben die Migration aus Afrika und damit die Ausbreitung der Hominiden im eurasischen Teil der Welt maßgeblich gefördert.
Die Mehrzahl der Wüsten in der Alten wie in der Neuen Welt sind jedoch offensichtlich erdgeschichtlich recht junge Wüsten, die vor etwa 1 – 1,5 Mio. Jahren entstanden. Ihre Ausprägung, ihre flächenmäßigen Schwankungen stehen unzweifelhaft mit der jüngsten klimageschichtlichen Entwicklung in Zusammenhang – dem Beginn des Quartärs (Eiszeitalter; Tab. 2): Bis vor etwa 1,8 Mio. Jahren ist die irdische Atmosphäre thermisch soweit abgesenkt, dass die Milankovich-Parameter (Erdumlaufbahn, Schiefe der Ekliptik, Exzentrizität) greifen und den bekannten zyklischen Wechsel von Kalt-/Eiszeiten und Warmzeiten einleiten. Trockengebiete und Wüsten dehnen sich phasenweise in den Kalt-/Eiszeiten aus, während sie in den Warmzeiten aufgrund höherer Niederschläge und des damit verbundenen Vorrückens von Steppen, Savannen und Wäldern schrumpfen. Allein in den letzten 104 oder 103 Jahren veränderten sich die Vegetationsformationen aller Ökozonen mehrfach und beträchtlich. Damit ist die Ursache der Wüstenbildung zu beträchtlichen Teilen mit der Variation der atmosphärischen Zirkulation und der temperaturabhängigen Niederschlagsgenese verbunden.
Auch der verstärkte Niederschlag in angrenzenden Regionen dokumentiert sich z. B. in Form endorhëischer Flüsse: Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die wechselvolle Geschichte des Tschadsees in der Südsahara, der – heute nur noch ein kümmerlicher Rest von 0 – 24 000 km2 Fläche – zeitweilig zu einem „Mega-Tschadsee“ von ~340 000 km2 wird, während sich die umgebende Wüste in eine Art Savanne entwickelt, insbesondere entlang der auflebenden Wasserläufe und in den Beckenlagen. Sie erhält nun autochthone Niederschläge, die das Einzugsgebiet des Sees beträchtlich erweitern (Pachur & Altmann 2006; Busche 1998).
Andererseits belegen weitflächige, heute bewachsene Längsdünen-Felder in der Sahel-Zone, in der Kalahari oder in Australien ein noch wesentlich trockeneres Klima, als es heute herrscht. Die heutigen Voll- und Extremwüsten waren allein in den letzten 20 000 Jahren mehrfach drastischen Klimaschwankungen ausgesetzt, die ihren Status als Wüste noch verstärkten oder sie zu Steppen- bzw. Savannen-Landschaften transformierten. Näheres dazu findet sich in den jeweiligen regionalen Wüstenbeschreibungen oder in den nachfolgenden Beispielen.