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Оглавление4.1 Großklimatisch bedingte Wüsten: Wendekreiswüsten (Passatwüsten)
Trotz ungleicher Land-Meer-Verteilung und unterschiedlich verlaufender, die atmosphärische Zirkulation bestimmender Gebirge stellen sich auf dem Globus zonale – an der geographischen Breite orientierte – Regelhaftigkeiten ein. Die gelten auch für die Verbreitung der Wüsten: Die bekanntesten großräumigen Wüsten und Halbwüsten finden sich in subtropisch-randtropischer Lage, durchzogen vom jeweiligen Wendekreis oder in dessen Nähe (23°27’ N/S). Dazu zählen die Sahara, die Arabische Halbinsel, Teile Australiens, ein Teil der Namib, die Kalahari und die südafrikanische Karoo sowie Teile der Atacama bzw. andiner Wüsten (Abb. 8). Passatwüsten haben die weiteste Verbreitung und sind großräumig gesehen reine Klimawüsten. Die orographischen Verhältnisse nehmen einen vergleichsweise geringen Einfluss auf die Wüstenausprägung – ausgenommen ist die südamerikanische Atacama.
Abb. 8
Verbreitung tropischer und subtropischer Trockengebiete: Bestimmend für die Ausprägung klimatischer Wüsten ist die Lage um die Wendekreise (23°27’ N/S). In zugehörigen Gebirgsregionen (Anden, südwestamerikanische Gebirge) bzw. Räume mit starker Reliefenergie (Hochland von Iran, Südwestafrika u. a.) wird die Trockenheit regional durch orographische Effekte verstärkt (aus Schultz 2000).
Diese Wendekreis-Wüsten sind die Folge absteigender Luft, die zur Hadley-Zelle gehört und den subtropisch-randtropischen Hochdruckgürtel bildet (Abb. 9). Grob vereinfacht lässt sich diese tropische Zirkulation so zusammenfassen: Die an den jahreszeitlichen Zenitstand der Sonne gebundene Zone starker Aufheizung verlagert sich im jahreszeitlichen Wechsel auf beide Halbkugeln. In dem entstehenden Bodentief mit seiner starken Konvektion strömen randtropisch-tropische Luftmassen zusammen (= Innertropische Konvergenzzone/ITC). Die durch Erhitzung und konvektive Wärmefreisetzung aufgestiegenen Luftmassen teilen sich in der oberen Troposphäre, geraten unter den Einfluss der Coriolis-Ablenkung und bewegen sich nach NW und SO (= Urpassat). Sie steigen etwa über den Wendekreisen wieder ab (dynamische antizyklonale Subsidenz) und erwärmen sich dabei adiabatisch, was zur Wolkenauflösung und geringer relativer Luftfeuchte führt. In Erdoberflächennähe entsteht so ein weiträumiges Hochdruckgebiet mit stark untersättigter Luft und hoher, ungehinderter Einstrahlung – Voraussetzungen für eine sehr hohe potenzielle Landschaftsverdunstung und damit für die Existenz von Wüsten. Trotz starker Lufterhitzung am Boden wird das Kondensationsniveau nicht erreicht. Von diesen subtropisch-randtropischen Hochdruckzellen (sog. Rossbreiten) aus strömen Luftmassen als SO- und NW-Passate wieder Richtung Äquator (ITC; äquatoriale Tiefdruckrinne). Der gesamte Passatbereich wird durch eine kräftige Inversion geprägt, die aufwärtsgerichtete Luftbewegungen erlahmen lässt. Nur über dem Meer können sich unter der Passatinversion kleine Cumulus-Wolken bilden; an gebirgigen Inseln wie Hawaii, Kanaren oder Madeira wird beim Passataufstieg im Luv die Inversion durchbrochen und es kommt zu hohen Niederschlägen. Über den Kontinenten aber bleibt die Luft trocken. Selbst höhere Gebirge wie Tibesti oder Hoggar in der Sahara erhalten keine wesentlichen Steigungsniederschläge.
Abb. 9
Die Hadley-Zelle als Motor der Passatzirkulation. Sie ist auf beiden Halbkugeln entwickelt und verlagert sich jahreszeitlich entsprechend dem Zenitstand der Sonne. Die durch Advektion zugeführten bodennahen Luftmassen erzeugen allenfalls kleine Cumulus-Wolken, deren Obergrenze durch die Passatinversion vorgegeben ist.
An orographischen Hindernissen und in der Nähe des Äquators bzw. der Innertropischen Konvergenzzone (ITC) wird die Inversion durchbrochen und es kommt zu hohen Niederschlägen (n. Weischet 1995 aus Schultz 2000).
Die Lage der subtropisch-randtropischen Hochdruckgürtel über den Wendekreisen und die resultierenden Passatwinde – beide Teile eines komplexen Zirkulationssystems – führten zur Benennung Wendekreiswüste oder Passatwüste.
Bei näherer Betrachtung müssen die klimatischen Ursachen und individuellen Ausprägungen der verschiedenen Wendekreis-/Passat-Wüsten differenziert und ergänzt werden (s. Regionalteil). Die Muster der subtropischen Hochdrucksysteme variieren jahreszeitlich und gelegentliche regenträchtige Tiefdrucktröge können in die Zone eindringen. Solche potenziellen Niederschlagssysteme sind verknüpft z. B. mit den Easterly Waves innerhalb der Passatströmung und Depressionen, die entlang der Polarfront entstehen. Ansonsten bleibt das subtropische Wechselklima mit wolkenarmen, trockenen Sommern und zyklonalen Winterregen auf den nördlichen und südlichen Saum der Passatzone beschränkt. An der nördlichen Seite der Sahara und der Westteil der Wüsten im Mittleren Osten mit ihrem typischen Mediterranklima verhindert das stabile Azorenhoch im Sommer das Eindringen von Tiefdruckgebilden (Abb. 10). Während des Winters verursachen westliche Jet-Streams über dem Mittelmeer zyklonalen Tiefdruck mit Regenfällen. Diese Tiefdruckgebiete streifen allenfalls die zentralen Wüstenbereiche oder nehmen gar keinen Einfluss. Das Eindringen des Monsuns hinter die ITC auf der äquatorwärtigen Seite der Hochdruckzellen ist dagegen beständiger und regelmäßiger (Südsahara).
Abb. 10
Niederschlagskarte des nördlichen Afrika. Die zonal ausgerichtete Sahara als Wendekreis-(Passat-)Wüste erhält an ihrem nördlichen Rand zyklonale Winterniederschläge aus der Westwinddrift. Am Südrand fallen monsunale, konvektive Sommerniederschläge. Deutlich erkennbar ist die Hyperaridität der Ostsahara (aus Giessner 2002).
Im Vergleich mit Australien (meist Halbwüsten-Charakter) oder der Kalahari (heute meist eine Dornbuschsavanne) ist die Aridität der Sahara als größte Wendekreiswüste extrem ausgeprägt. Verdunsten freie Wasserflächen in der Sahara potenziell etwa 3500 mm/Jahr (regional im Osten bis 6000 mm) bei vielerorts durchschnittlich 20 mm N/Jahr (bis <5 mm N/Jahr), so sind es in Zentral-Australien 2400mm Verdunstung/Jahr (bei etwa 100/125 mm N/Jahr). In der Kalahari nehmen die Niederschläge von SW nach NO von 200 mm auf 400 mm zu, bei einer potenziellen Verdunstungsrate von 2000 mm/Jahr (Besler 1983). Die Atacama wird in ihrer extremen Aridität durch den orographischen Hochgebirgseffekt der Anden maßgeblich gesteigert (Kap. 13.2.3).
4.1.1 Hyperaride Ost-Sahara
Die extreme Trockenheit der Sahara und der Arabischen Halbinsel erklärt sich aus dem zusätzlichen Einfluss des tropischen Ost-Jets. Ursache ist das sommerliche Hitzetief über dem durchschnittlich 5000 m hohen Tibet-Plateau. Die 2,5 Mio. km2 große Fläche entstand vor 14 – 18 Mio. Jahren und wirkt im Sommer wie eine riesige, hochliegende Heizfläche. Es entsteht ein Hitzetief am Boden, das die feuchten Luftmassen des Südost-Passats ansaugt und so über Vorderindien und am Himalaya-Rand zum Südwest-Monsun umlenkt. Dem Bodentief entspricht ein starkes antizyklonales Höhenhoch über Innerasien, das ergänzt wird durch frei gesetzte Kondensationswärme aus den monsunalen Steigungsniederschlägen. Dem steht ein Höhentief über dem relativ kühleren Indischen Ozean gegenüber. Daraus resultiert unter dem Einfluss der Coriolis-Ablenkung ein Gefällswind (geostrophischer Wind), der als starke Ostströmung (Tropischer Ost-Jet) in der hohen Troposphäre in Erscheinung tritt. Eine zusätzlich auftretende Querzirkulation sorgt letztlich für Richtungsänderungen, sodass der Strahlstrom in einer Art Delta über der Sahara und der Sahel-Zone ausläuft und den Trockengürtel weit gegen den Äquator vorschiebt.
Die vom innerasiatischen Höhenhoch ausgehende zusätzliche Aridisierung trifft auch die Arabische Halbinsel (Wüste Rub al Khali), Persien (Lut) und östlich angrenzende Trockengebiete (Tharr in Indien). Aus der hier nur grob umrissenen, komplexen Anti-Hadley-Zirkulation (Quer-Zirkulation des Ost-Jets) folgt, dass die Absinktendenz der Passate verstärkt wird und zeitgleich die sommerlichen tropischen Monsune nördlich des Äquators in ihrer Reichweite und Ergiebigkeit geschwächt werden. Die größte Hitzewüste Sahara erhält somit ihre außerordentliche Aridität – insbesondere in der östlichen Hälfte – durch eine ergänzende orographische Fernwirkung (n. Flohn 1964 in Pachur & Altmann 2006; Besler 1983; 1992).
Passatwinde herrschen aber auch über Iran und Mesopotamien. In Nordamerika wird das Passatklima durch die Kordilleren auf ein schmales Gebiet um den unteren Colorado und auf Niederkalifornien beschränkt.
4.1.2 Wendekreiswüsten der Südhalbkugel
Auf der Südhalbkugel fehlen die entsprechenden Landmassen und Reliefverhältnisse, um vergleichbare Fremdeffekte wie in der Ost-Sahara auszulösen. Hier wird nach Besler (1983) die Aridität allein durch die Passate erzeugt. Sie ist jedoch nicht intensiv genug für eine echte Wüste, sondern nur für ein sog. passatisches Trockengebiet. Die echten Wüsten der Nordhalbkugel sind demzufolge an den Ost-Jet geknüpft und keine ausschließlichen Passat-Wüsten.
Zwar wird die Namib meist pauschal den Küstenwüsten zugerechnet, jedoch ist ihre östliche Hälfte dem passatischen und auch orographischen Einfluss zuzuordnen. Die weiter nach Osten liegende Kalahari ist ein Gebiet ohne Oberflächenwasser und vor allem mit Dünen besetzt, aber aufgrund seines Bewuchses ist der ehemalige Erg heute als Dornbusch- oder Wüstensavanne einzustufen.
Australien gilt als „Kontinent der Wüsten“. Die meisten Teilwüsten (Große Sandwüste, Gibson-, Simpson-, Great Victoria-, Sturt-, Strezlecki- und Tanami-Wüste) sind genetisch zu den Wendekreiswüsten zu rechnen. Es wurde bereits angemerkt, dass Australiens Wüsten aufgrund ihres Bewuchses den Charakter von Halbwüsten, Buschland (shrub lands) o.Ä. tragen. Die Niederschläge sind im Durchschnitt auch in meeresfernen, trockensten Gebieten meist nicht niedriger als 125/100 mm/Jahr. Andererseits ist in den teilweise weidewirtschaftlich genutzten Halbwüsten und angrenzenden feuchteren Gebieten das Dürrerisiko sehr hoch. Grund dafür ist die sehr hohe Variabilität der Niederschläge, die sich aus dem Grenz- bzw. Überlappungsbereich des tropischen Sommerregenregimes mit der außertropischen Westwinddrift ergibt. Beide großen Regime sind nur mit ihren Rändern und Ausläufern über Australien wirksam, daher auch wenig ergiebig und verlässlich (Kap. 14).