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3.4.1 Wüstenränder/Wüstenrandgebiete

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Die Ränder von Ökozonen sind relativ labil – vergleicht man sie mit den Kernzonen. Dies gilt insbesondere für die Wüstenränder, da hier die ohnehin niedrigen Niederschlagsmittel sehr stark variieren. Das trifft sowohl für die zeitliche und räumliche Verteilung zu, wie auch für die Menge und die lokale/regionale Intensität. Der Grad der Variabilität wächst mit der Abnahme des durchschnittlichen jährlichen Niederschlags.

Wüstenränder als Übergangssäume (Ökotone) zwischen Savannen- oder Steppenökosystemen sind ökologisch wie ökonomisch und sozial äußerst sensitiv (Bubenzer 2010). Sie sind weitaus schlechter gepuffert als Übergangsbereiche zwischen deutlich feuchteren Vegetationsformationen (z. B. Borealer Nadelwald/Steppe; Regenwald/Feuchtsavanne).

Entsprechend vulnerabel sind menschliche Gesellschaften, die in/an Wüstenrändern leben. Sie sind einem hohen Dürrerisiko ausgesetzt, bei insgesamt schwacher Wirtschaftsleistung. Hoher Bevölkerungszuwachs (trotz höchster Kindersterblichkeit) und damit verbundene Überstrapazierung der physiologischen Tragfähigkeit führen häufig zu irreversibler Desertifikation oder gravierender Degradierung der Landschaft – ihr Ertragspotenzial in der Weidewirtschaft oder im Feldbau geht ständig zurück (Kap. 4.8). In Anbetracht dieser bedrohlichen Entwicklung speziell in den Wüstenrandbereichen haben die UN im Jahr 2010 die „Dekade der Wüsten und zur Bekämpfung der Wüstenausbreitung“ ausgerufen.

Manche der heutigen Wüsten spielen eine unerwartete Rolle in der Kulturentwicklung – Sahara und Atacama werden in diesem Kontext näher beschrieben (Kap. 3.4.2; 12.1.3; 3.4.4). Eitel (2008, 2007) hat in grundlegenden Abrissen die kulturgeschichtliche Bedeutung von Wüstenrandgebieten beleuchtet. Der nachfolgende Text greift einige seiner Gesichtspunkte auf: Zwar werden 60 % der Katastrophentoten in Trockengebieten gezählt, umso erstaunlicher ist, dass die ältesten festen Siedlungen in semi-ariden Gebieten zu finden sind. So fand der Prozess der Sesshaftwerdung (Ackerbau, Bewässerungsfeldbau, Domestikation) – die sog. Neolithische Revolution – in einem semi-ariden Klimamilieu des Vorderen Orients statt. Aufgrund der hohen Klimavariabilität müsste dieser Raum als (Dürre-)Risikogebiet eingestuft werden. Eitel vertritt die These, dass „… gerade die hygrischen Fluktuationen in den Wüstenrandgebieten und die resultierenden Umweltveränderungen ganz wesentlich die Kulturentwicklung im frühen und mittleren Holozän stimulierten“ und charakterisiert Wüstenränder als „… raumzeitlich hoch dynamische Gebiete mit Umweltsystemen, die auf Klimaschwankungen […] sehr schnell und tiefgreifend reagieren.“ Hier lebende Gesellschaften müssen folglich öfter als andernorts Anpassungsleistungen vollbringen oder mit Migration reagieren, zumal die Wüstenränder äußerst klima-sensitiv sind und bereits bei schwächeren Klimafluktuationen sehr schnell reagieren. Solche Fluktuationen waren in den letzten Jahrtausenden recht häufig und haben auch in besser gepufferten Regionen die Lebensmöglichkeiten der Menschen stark positiv oder negativ beeinflusst (Blümel 2009, 2006). Für die Wüstenränder mit ihrer Vegetationsbedeckung zwischen <50 % und >10 % bedeutet dies eine Stellung zwischen voll-ariden und semi-ariden Gebieten und in der Klimadynamik des Holozäns einen mehrfachen Wechsel zwischen Wüste und Grasland.

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