Читать книгу Nur ein letzter Schuss noch… Berlin 1968 Kriminalroman Band 42 - Wolf G. Rahn - Страница 5
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„Leg ihn um!“
Gregor Friedemann zuckte beim Klang der eiskalten Stimme zusammen.
„Aber Silvia!“, stieß er heraus und spürte, wie sein Rachen trocken wurde.
„Was denn? Hast du nicht gerade vor wenigen Minuten gesagt ‚Ich könnte ihn umbringen!‘ Also, mach es, Gregor!“
Gregor Friedemann hatte voller Wut den Brief zerknüllt, dessen Inhalt er so oft studiert hatte, dass er ihn auswendig kannte.
Er enthielt keine angenehme Nachricht. Genaugenommen - war er eine Katastrophe, aber auch gegen Katastrophen ließ sich etwas unternehmen.
Ein Mord zum Beispiel.
Silvia, Gregor Friedemanns attraktive Frau, griff diesen kaum ausgesprochenen Gedanken sofort auf.
„Warum tust du‘s nicht?“, fragte sie lauernd. Das Grün ihrer Katzenaugen begann zu funkeln. Es war ein sicheres Zeichen dafür, dass unter ihrer blonden Lockenpracht wilde Gedanken kreisten.
Gregor Friedemann fuhr entgeistert herum. „Bist du denn verrückt?“, sagte er keuchend. „Immerhin ist er mein Bruder.“
Die vierzigjährige Frau lächelte geringschätzig. „Davon spürt man in seiner Antwort aber nicht viel“, fand sie. „Er lässt uns hängen.“
Der Mann trat ans Fenster und starrte hinaus. Was er sah, war nicht gerade erfreulich. Eine heruntergekommene Gegend, in die seine Firma in dem schäbigen Haus bestens passte. Der Metallhandel – besser gesagt, nichts anderes als ein Schrotthandel – erlebte eine Phase der stockenden Nachfrage. Stahl aus Schweden kam immer mehr in die Bundesrepublik, und auf dem Grundstück der Friedemanns wucherte das Unkraut durch die Schrotthalden.
Eine kräftige Finanzspritze hätte allen gutgetan. Aber sein reicher Bruder Karsten hielt anscheinend nichts von einer derartigen Kur.
Mit Schrott sei heutzutage kein Gewinn mehr zu machen, hatte er lakonisch geantwortet. Außerdem sei ein unfähiger Geschäftsführer der Garant dafür, dass auch die erbetenen fünfzigtausend Mark nutzlos im Boden des Schrottlagers versickern würden. Dieser Dreckskerl!
„Es gibt noch andere Wege“, erklärte Gregor Friedemann nach einer Weile. „Karsten ist nicht der einzige Mann mit Geld. Ich werde für ein paar Tage verreisen.“
„In den Westen rüber?“, fragte die Blondine hastig.
Sie trug nur einen seidenen Morgenmantel und schlug die schlanken Beine so übereinander, dass dem Mann heiß wurde, obwohl er mit ihr verheiratet war.
„Ins Ruhrgebiet, Düsseldorf, Essen. Ich kenne dort ein paar Leute, die mich nicht abweisen werden. Ich schwöre dir, dass ich das Geld mitbringe, wenn ich zurückkomme.“
Sie lächelte ihn an und lehnte sich etwas zurück. Dadurch sprang der Morgenmantel vollends auf.
Gregor Friedemanns Blick wurde starr. Aber er blickte an der fast nackten Frau vorbei zur Tür, als sähe er dort eine Lösung für seine Probleme.
Mit einem heiseren Laut stürzte er aus dem Zimmer und schlug die Tür mit voller Wucht hinter sich zu.
Silvia seufzte enttäuscht und wickelte ihre Kostbarkeiten wieder in kaffeebraune Seide. Sie reckte sich, und in ihren Augen glomm noch immer das erwartungsvolle Feuer. Sie hörte, wie ihr Mann lärmend durchs Haus hastete, wie er Türen zu donnerte, die Treppe hinunter polterte und schließlich den Schlag des uralten VW-Bullys zuwarf.
Sekunden später brüllte der Motor auf. Kies spritzte über den Weg. In einem Höllentempo raste der Wagen davon.
Silvia Friedemann erhob sich und trat ans Fenster. Sie sah nur noch die Staubwolke, die sich rasch entfernte. Dann wandte sie sich um. Leichtfüßig verließ sie das Zimmer und öffnete die gegenüberliegende Tür.
Es war das Schlafzimmer ihres Mannes. Sie schliefen getrennt, denn Gregor stand nachts häufig auf und hätte sie gestört.
Sie warf nur einen flüchtigen Blick auf den offenen Kleiderschrank, aus dem Gregor ein paar Stücke in einen Koffer geworfen hatte.
Viel mehr interessierte sie der Nachttisch neben dem breiten Bett.
Sie zögerte, bevor sie die Schublade öffnete. Hier lag der Revolver, den ihr Mann griffbereit hielt, falls nächtliche Einbrecher auf die verrückte Idee verfielen, bei den Friedemanns auf dem Schrottplatz sei etwas Wertvolles zu holen.
Schließlich zog sie die Lade mit einem entschlossenen Ruck heraus.
Sie war leer.
Silvia Friedemann lächelte versonnen.
„Gut so, Gregor“, flüsterte sie. „Ich werde es beschwören, dass du in Düsseldorf und Essen gewesen bist.