Читать книгу Nur ein letzter Schuss noch… Berlin 1968 Kriminalroman Band 42 - Wolf G. Rahn - Страница 9
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Bernd Schuster hielt sich mit Franziska Jahn etwas im Hintergrund. Er wollte die Begräbnisfeierlichkeiten nicht stören. Früh genug würde er sich durch seine Fragen unbeliebt machen.
Vorläufig beschränkte er sich darauf, die Anwesenden zu beobachten und mit Franziska leise einige Meinungen auszutauschen.
Einige Familienmitglieder hatte er bereits kennengelernt.
Vor allem natürlich die Schwester des Ermordeten, die sich, gegen den Widerstand ihrer Schwägerin, an ihn gewandt hatte, da sie der Polizei bei der Suche nach dem Mörder keinen großen Ehrgeiz zutraute.
Gudrun Friedemann warf ihm von Zeit zu Zeit einen verstohlenen Blick zu. So, als wollte sie sich davon überzeugen, dass er für das Geld, das er verlangte, auch etwas tat. Ihr Gesicht war fast feindselig, doch diese Feindseligkeit galt wohl nicht ihm.
Christine Friedemann, die Witwe, hielt einen demonstrativen Abstand zu ihrer Schwägerin. Dass die beiden Frauen sich nicht riechen konnten, war offensichtlich. Diese Abneigung war wohl nicht erst durch die Gewalttat entstanden.
Sie wurde von Lars Wenzel gestützt. Der Mann war fünfundfünfzig und machte einen sympathischen Eindruck, was für Bernd aber noch nichts bedeutete. Auch ihm würde er noch gewaltig auf die Zehen treten müssen.
Der zwanzigjährige Sohn zeigte ein verächtliches Gesicht, als der Geistliche davon sprach, dass der Herr einen Knecht zu sich geholt hatte, der bei allen beliebt gewesen war und der sich für seine Nächsten aufgeopfert hatte. Offensichtlich war er da anderer Ansicht. Benno hatte auch dagegen plädiert, einen Privatdetektiv in den Fall einzuschalten. Er fand, dass das nur einen Haufen Geld kostete und unnötig das Erbe schmälerte.
Das Testament war überhaupt ein springender Punkt. Bernd versprach sich von der Eröffnung einen möglichen Aufschluss über das Mordmotiv.
Er erwartete auch, dort jene Leute zu treffen, die den Weg zum Friedhof nicht gefunden hatten.
Bis zur Verlesung des Testaments hatte er aber noch zwei Tage Zeit. Die wollte er nicht ungenutzt verstreichen lassen.
„Wer ist der Bursche dort drüben?“, flüsterte Franziska. Ihre veilchenblauen Augen wanderten nach links, ohne dass sie ihren Kopf bewegte.
Bernd folgte ihrem Blick.
Unter einer mächtigen Buche sah er einen Mann in schäbiger Kleidung, der nervös zu ihnen herüberblickte. Übermäßige Trauer war ihm nicht anzusehen. Er hörte nicht auf die Predigt, sondern interessierte sich hauptsächlich für die Anwesenden, die er abschätzend musterte. Immer wieder aber wanderte sein Blick zu Franziska und Bernd, die ihm sichtlich nicht ganz geheuer waren.
„Keine Ahnung“, gab Bernd zurück. „Vielleicht ein leitender Angestellter der Firma Friedemann.“
Franziska hätte beinahe gelacht, besann sich aber rechtzeitig, dass dafür nicht der passende Ort war.
„Deine Witze waren schon mal besser“, fand sie. „Wenn Friedemann seine Angestellten wirklich so schlecht bezahlt hat, dass sie sich nicht mal einen anständigen Anzug leisten können, ist es kein Wunder, dass ihn einer umgebracht hat.“
Der Fremde spürte offenbar, dass man sich für ihn interessierte. Er wartete das Ende der Feierlichkeiten nicht ab, sondern ging hastig davon. Von hinten wirkte er wie ein gerupfter Vogel. Vielleicht war aber auch er derjenige, der Karsten Friedemann gerupft hatte.
„Angeblich trug Friedemann stets Bargeld in der Größenordnung von ein- bis zweitausend Mark bei sich“, sagte Bernd. „Als seine Leiche gefunden wurde, enthielten seine Taschen lediglich etwas Kleingeld. Ich möchte wissen, wer der Mann ist und wohin er geht, Franzi. Aber lass dich möglichst nicht von ihm sehen. Er kennt dich jetzt.“
Die Blondine mit der Löwenmähne nickte nur. Sie entfernte sich eilig in einer völlig anderen Richtung. Bernd wusste aber, dass sie von nun an ihr Opfer nicht mehr aus den Augen lassen würde.
Er wandte sich wieder der Trauergemeinde zu.
Gerade wurde der Sarg hinabgelassen, als ein Aufruhr entstand. Eine junge, auffallend geschminkte Frau in buntem Sommerkleid, das für den Anlass völlig unpassend dekolletiert war, lief kreischend auf das offene Grab zu und warf höhnisch ein paar Münzen auf den Sarg.
„Da“, schrie sie, „damit du endlich den Rachen voll bekommst.“
Mit blitzenden Augen blickte sie sich in der Runde um und rannte anschließend davon.
Bernd bedauerte, dass Franziska bereits fort war. So musste er der Frau selbst folgen. Schon jetzt hatte er begriffen, dass Karsten Friedemann bei seinen Mitmenschen längst nicht so beliebt gewesen war, wie seine Schwester ihm das hatte einreden wollen.
Er verfiel in Laufschritt, denn die schwarzhaarige Frau hatte bereits den Ausgang des Friedhofs erreicht. Jetzt warf sie sich in ein Taxi, das offenbar auf sie gewartet hatte.
Der Privatdetektiv jagte zu seinem silbergrauen Mercedes 450 SEL und ließ das Taxi nicht aus den Augen. Es war nicht so leicht, ihm zu folgen. Es gab viel Verkehr um diese Zeit und auch etliche Taxen waren unterwegs.
Bernd sah die Schwarzhaarige im Fonds sitzen. Hin und wieder blickte sie sich um. Sie spürte wohl, dass sie verfolgt wurde und trieb den Fahrer zu größerer Eile an.
Bernd blieb ihr auf den Fersen. Selbst ein Berufsfahrer konnte ihm nichts vormachen. Er ließ sich nicht abhängen.
In der Nähe vom Schloss Charlottenburg stoppte das Taxi. Die Frau stieg aus und verschwand in einem Hauseingang. Der Fahrer wartete wiederum auf sie.
Bernd hielt den Mercedes unmittelbar hinter ihm und stieg aus.
Der Mann grinste ihn erwartungsvoll an.
„Die Frau scheint Ihnen zu gefallen“, vermutete er. „Sie hatten‘s ja mächtig eilig, uns einzuholen. Meine Hochachtung. Vom Fahren verstehen Sie was.“
Bernd erwiderte das Grinsen.
„Wo haben Sie sie abgeholt?“, wollte er wissen.
„Sie hat mich Schöneberg gestoppt“, verriet der Fahrer. „Seitdem jagt sie mich von einer Station zur anderen. Soll ich ihr was ausrichten?“
„Ich unterhalte mich lieber selbst mit ihr.“
Bernd musterte das Haus, in dem die Unbekannte verschwunden war. Es war vier Stockwerke hoch und enthielt neben Wohnungen auch Büros. Es war sinnlos, ihr zu folgen. Nur per Zufall würde er sie finden. Wenn er aber auf sie wartete, musste sie...
Weiter kam er mit seinen Überlegungen nicht. Von hinten erhielt er einen mörderischen Hieb über den Schädel. Bernd zuckte zwar reflexartig herum und taumelte einen Schritt zurück, um sich in Sicherheit zu bringen, aber da traf ihn schon der zweite Schlag. Während er seufzend zu Boden sank, sah er nur noch das höhnisch grinsende Gesicht des Taxifahrers, der mit einer Stahlrute zum nächsten Hieb ausholte.