Читать книгу Ein Koffer mit brisantem Inhalt Berlin 1968 Kriminalroman Band 52 - Wolf G. Rahn - Страница 10
Оглавление6
Schon während des Weges zur Tiefgarage hing Bernd seinen Gedanken nach, und er setzte sie fort, als er längst in dem silbergrauen 450 SL saß und ihn durch den Verkehr lenkte.
Wort für Wort ging er seine kurze Unterhaltung mit dem seltsamen Fremden durch, der ihm bestimmt nur versehentlich ein Vermögen überlassen hatte. Was hatte er gesagt? „Ich dachte nicht, dass Sie so groß sind.“ Jemand musste ihm einen Mann beschrieben haben, dem er den Koffer mit den Banknoten aushändigen sollte. Vielleicht war er nur deshalb auf ihn, Bernd Schuster, verfallen, weil er sich ein bisschen auffallend benommen hatte.
Seinen Namen hatte er jedenfalls nicht gewusst, sonst hätte er ihn nicht lediglich mit Herr angeredet. Er hatte sich sogar entschuldigt, weil er nicht früher gekommen war, und er musste ihn so verstanden haben, dass er, Bernd, schon auf den Koffer wartete.
Ein kleines Licht in einem großen Leuchter. Irgendeine Randfigur, aber wenn sich sein Verdacht mit den Blüten bestätigte, würde sich die Polizei über eine exakte Personenbeschreibung sicher freuen.
Bernd Schuster ging noch ein anderer Gedanke durch den Kopf. Wenn der Bursche seinen Mann ausgerechnet im Jungfernheideweg treffen sollte, dann hatte der sich vielleicht ganz in der Nähe aufgehalten. Wahrscheinlich hatte er sogar die missglückte Übergabe und seine verrückte Reaktion beobachtet. Er wusste nun, wohin er den Koffer mit dem Geld gebracht hatte, und es war damit zu rechnen, dass er die Sache nicht auf sich beruhen ließ.
Beunruhigt griff Bernd nach dem Autotelefon. Er wählte die Nummer seines Büros und war erleichtert, als er kurz darauf Franziskas Stimme vernahm.
„Alles in Ordnung, Liebes?“, erkundigte er sich.
Sie schnaubte. „Du wagst es auch noch, mich beim Zählen zu stören? Sei froh, dass du dich nicht in meiner Griffnähe befindest. Ich habe gerade meine Fingernägel zurechtgefeilt. Die Mordkommission wird sich den Kopf über die unerklärliche Tatwaffe zerbrechen.“
Bernd lachte amüsiert. „Im Ernst“, sagte er. „Ich wollte dich warnen. Mir ist eingefallen, dass es für den Koffer vermutlich noch andere Interessenten gibt. Halte also die Tür verschlossen, solange ich nicht da bin. Es könnte sein, dass du aufdringliche Besucher erhältst.“
„Hauptsache - ein Mann!“, ulkte Franziska, deren Zorn natürlich nur gespielt war. Gleich darauf wurde sie wieder ernst. „Daran habe ich auch schon gedacht“, sagte sie. „Sei unbesorgt! Ich hüte dein Allerheiligstes wie meinen Augapfel.“
„Prima! Hast du schon eine ungefähre Vorstellung von der Summe im Koffer?“
„Sogar eine ganz genaue. Es handelt sich um neunundneunzigtausendneunhundert D-Mark.“
„Mit den hundert, die ich abgezweigt habe, also genau hundert Riesen“, stellte Bernd fest. „Damit kann man schon ein paar Tage in der Südsee verbringen.“
„Oder ein paar Jahre hinter Gittern. Hast du neue Anweisungen für mich? Ich habe ja nun bewiesen, dass ich nicht nur bis drei zählen kann.“
„Dann hätte ich schon wieder ein mathematisches Problem für dich zu lösen.“
„Soll ich die Registriernummern auf den Geldscheinen addieren und die Quersumme daraus bilden?“
„Leichter. Widme dich der Zahlenkombination unseres Wandsafes und bring das Geld darin unter!“
„Selbstverständlich, Chef. Und was stelle ich mit dem Koffer an?“
„Nichts. Mit dem habe ich noch etwas Besonderes vor.“
„Ich kann mir auch schon denken, was das sein könnte, Bernd.“
„Natürlich! Dafür arbeiten wir schon zu lange zusammen. Vor dir kann man keine Geheimnisse haben.“
„Du versuchst es aber doch immer wieder.“
Bernd lachte. „Das versuchen altgediente Ehemänner auch, und bei denen klappt es genauso wenig.“
„Sonst noch was, Bernd?“
„Im Augenblick nicht. Ich melde mich wieder, falls ich nicht ohnehin bald bei dir aufkreuze. Heute Abend bei Mikis, unserem Lieblingsgriechen?“
„Hmm!“, antwortete Franziska etwas zögerlich.
Er beendete das Gespräch und konzentrierte sich auf den Verkehr.
Hunderttausend Mark! Ein hübsches Sümmchen. Zwar war es in früheren Fällen, mit denen er zu tun gehabt hatte, schon um erheblich größere Beträge gegangen, trotzdem beeindruckte ihn eine Zahl mit fünf Nullen auch jetzt noch. Selbst jetzt noch, wo er sich in einer Lage vollkommen finanzieller Unabhängigkeit befand. Und besonders dann, wenn sie mit einem hilflosen Männchen im Zusammenhang stand, das nicht den Eindruck eines Gangsters großen Stils auf ihn gemacht hatte.
Er prägte sich Gesicht und Figur genau in seinem Gedächtnis ein und war sich sicher, dass er mit diesem Mann noch zu tun bekommen würde.
Gerstner war Inspektor im Falschgelddezernat. Als er Bernd Schuster sah, verzog er sein ohnehin nicht besonders schönes Gesicht zu einer hässlichen Fratze.
„Darf ich mal abbeißen?“, fragte Bernd.
„Wovon?“
„Von der Essiggurke, mein Lieber. Deinem Gesicht nach zu urteilen, bist du gerade dabei, einige zu verspeisen.“
„Irrtum! Ich bekomme soeben einen Besuch, den ich meinem schlimmsten Feind nicht wünsche. Wenn du dich blicken lässt, bedeutet das regelmäßig einen Packen Arbeit, für die du hinterher das Lob einstreichst.“
„Wenn dir so viel an einem Lob liegt“, entgegnete Bernd ungerührt, „dann versichere ich dir hiermit, dass ich dich für einen der fähigsten Wasserzeichenspezialisten halte. Zufrieden?“
Es war Inspektor Gerstner anzusehen, dass er keineswegs zufrieden war, aber als Bernd mit der Sprache herausrückte, wurde er sofort gnädiger.
„Du hast also den Verdacht, dass man dir zwei Blüten untergejubelt hat?“, meinte er gedehnt und hielt die beiden Fünfzig-Mark-Noten gegen das Licht. „Hast du noch mehr davon?“ Ein lauernder Blick traf Bernd Schuster, der sein unschuldigstes Gesicht aufgesetzt hatte.
„Denkst du vielleicht, ich beziehe das Zeug im Großhandel? Hundert Mark sind für einen armen Schuster eine Menge Geld, und wenn die Dinger tatsächlich gefälscht sind, ersetzt mir keine Wohlfahrtsorganisation den Schaden.“
„Mir kommen die Tränen, armer Junge“, sagte Gerstner. „Bei der nächsten Weihnachtsfeier lasse ich meine Leute für dich sammeln, damit du dir wenigstens ein kleines Sportflugzeug kaufen kannst. Das Papier fühlt sich gut an. Scheint echt zu sein. Aber das hat schließlich noch nichts zu sagen. Wer benutzt heute schon noch sein eigenes Papier, wenn er zu Geld kommen will?“
„Wie schnell kannst du feststellen lassen, ob es sich um Falschgeld handelt?“
„Das geht umso schneller, je mehr du mir erzählst“, sagte der Inspektor gerissen.
Bernd schmunzelte. „Habe ich dich schon jemals betrogen?“
„Nein“, gab der Inspektor wahrheitsgemäß zu. „Nur genervt.“
„Das ist nicht strafbar. Ich werde dir also eine exakte Geschichte erzählen, sobald feststeht, dass du der zuständige Mann dafür bist. Oder interessierst du dich neuerdings auch für den Kreislauf von echtem Geld?“
„Nur am Rande, du verdammtes Schlitzohr. Ich frage mich, warum ich dir immer wieder meine kostbare, vom Staat finanzierte Zeit opfere.“
„Das kann ich dir sagen, wenn du schon nicht selbst darauf kommst. Du hast mich in dein Polizistenherz geschlossen. Und das liegt vielleicht daran, weil ich dir und deiner lausigen Bande schon so viele Tipps gegeben habe, dass deine Erfolgsquote in beängstigende Höhen geschnellt ist. Sonst noch eine Unklarheit?“
Gerstner verzog abermals das Gesicht. „Lümmel!“, stieß er hervor. Insgeheim aber wusste er, dass der Detektiv gar nicht so Unrecht hatte.
Er betätigte einen Knopf auf seinem Schreibtisch, und Sekunden später tauchte ein Beamter auf, dem er die beiden Banknoten mit ein paar erklärenden Worten übergab.
„Ich warte auf das Ergebnis“, rief er hinter ihm her.
Diese Ermahnung wirkte Wunder, denn Bernd fand kaum Zeit, eine einzige Zigarette zu rauchen, als der Beamte mit enttäuschtem Gesicht wieder zurückkam.
„Die Dinger sind genau hundert Mark wert“, brummte er.
„Also echt“, vergewisserte sich der Inspektor.
„Leider. Sie stimmen mit keiner der bekannten Fälschungen überein, und wir haben auch sonst keine Fehler entdeckt. Natürlich könnten wir noch ein paar Tests durchführen, aber ich verspreche mir nicht viel davon.“
Gerstner schüttelte den Kopf und entließ den Mann. Dann wandte er sich an Bernd Schuster. „Du bist meine größte Enttäuschung, Bernd. Jetzt verrate mir wenigstens, was dich zu der Annahme veranlasst hat, es könnte sich um Blüten handeln. Ist dir einer der einschlägigen Halunken zwischen die Finger geraten?“
Bernd schüttelte den Kopf. „Tut mir echt leid, dass ich dir keinen Fisch abliefern kann, aber das Ergebnis überrascht mich selbst am meisten. Das macht die Angelegenheit noch verworrener.“
„Es geht also doch nicht nur um diese beiden Scheine“, argwöhnte der Polizist.
Bernd Schuster gab das zu. „Das ist nur ein Promille.“
„Hunderttausend?“ Gerstner pfiff durch die Zähne. „Und alles echt? Das ist vielleicht ein Pech. Warum fragst du nicht einfach den Kerl, von dem du die Mäuse hast?“
Bernd grinste. „Das ist eine blendende Idee. Ich werde sie bei nächster Gelegenheit befolgen.“