Читать книгу Ein Koffer mit brisantem Inhalt Berlin 1968 Kriminalroman Band 52 - Wolf G. Rahn - Страница 6
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Der Lift brachte ihn ins elfte Stockwerk. Es roch hier nach einem scharfen Putzmittel, obwohl alles nicht besonders sauber aussah. Aber das täuschte wahrscheinlich, weil Peter Becker wusste, dass hinter der Tür am Ende des Ganges ein besonders dreckiger Typ wohnte.
Er hatte sich seinen Auftritt genau überlegt. Er wollte ihn genießen. Walter Bracke sollte wissen, warum er starb. Er sollte Todesangst haben. Das hatte der Strolch verdient.
Peter Becker war nicht besonders groß und auch nicht besonders kräftig. Aber das musste man auch nicht sein, wenn man eine schussbereite SIG in der Tasche trug.
Ein kleines Stückchen Metall, nur neun Millimeter stark, schien ihm vollwertiger Ersatz für diese fehlenden Eigenschaften.
Der Mann kannte dieses Haus und die Gegend nicht, doch zum Glück hatte er alle notwendigen Einzelheiten in Erfahrung bringen können.
Die Weiber waren doch selig, wenn sie reden konnten. Als er vor der Tür stand, stellte er sich die Frage, ob Bracke überhaupt zu Hause war. An diese Möglichkeit hatte er noch nicht gedacht. Es würde die Sache erschweren, denn je später er die Tat ausführte, umso schwieriger würde es für ihn sein, ungesehen von der Bildfläche zu verschwinden.
Er drückte auf den Klingelknopf und grinste dabei. Er hatte daran gedacht, die Handschuhe anzubehalten. Er wollte seine Fingerabdrücke nicht hinterlassen. So blöd war er nicht, auch wenn er zum ersten Mal einen Menschen tötete. Gerade die Profis begingen nach seiner Überzeugung die schlimmsten Fehler, weil sie sich zu sicher fühlten und leichtsinnig wurden.
Peter Beckers Grinsen verstärkte sich, als er die schlurfenden Schritte hinter der Tür vernahm. Er hatte also Glück. Alles lief bestens.
Er setzte sein unschuldiges Gesicht auf, denn er wusste, dass er nun durch den Spion beobachtet wurde.
Wenig später wurde die Tür geöffnet. Matter Lichtschein fiel auf den Gang.
Walter Bracke befand sich im Pyjama. Er hatte flüchtig einen seidenen Hausmantel übergeworfen. Er blickte seinen frühen Besucher verschlafen an.
„Du, Peter? Was, zum Teufel, willst du denn mitten in der Nacht bei mir? Hat dich Else aus dem Bett geworfen? Dann solltest du ihr mal gehörig die Meinung geigen!“
„Ich muss dich sprechen, Walter“, sagte der Kleinere. Seine Stimme klang irgendwie verzweifelt.
Bracke musterte ihn misstrauisch und ungnädig. „Jetzt? Hat das nicht Zeit bis nach dem dritten Bier?“
„Es hat keine Zeit. Ich brauche deine Hilfe.“
Der andere seufzte. „Also gut! Komm rein! Aber wenn es nicht wirklich wichtig ist, kannst du was erleben.“
„Du wirst es ja sehen.“
Walter Bracke ging voraus und stieß die Tür zu einem Zimmer auf, das überraschend einfach möbliert war. Peter Becker wusste, dass Bracke stinkreich war. Er war eine große Nummer. Dass er so ärmlich wohnte, konnte er gar nicht glauben.
„Willst du was zu trinken?“, erkundigte sich der Verschlafene.
„Später, Walter. Hinterher werde ich wahrscheinlich einen brauchen.“ Er nahm die Hand aus der Manteltasche, und die nagelneue Pistole blitzte gefährlich auf.
Bracke sah den Besucher verständnislos an.
„Was ist in dich gefahren? Was willst du denn mit der Pistole?“
„Weißt du das nicht? Weißt du das wirklich nicht, du gemeiner Lump?“, fauchte Becker. Er spürte, dass er es schnell erledigen musste, bevor seine Erregung so wuchs, dass er die Waffe nicht mehr ruhig halten konnte. „Ich bin hier, um dich umzubringen. Du sollst deine gerechte Strafe erhalten.“
Bracke wich einen halben Schritt zurück und stieß gegen einen halbhohen Tisch. „Mach keinen Blödsinn!“, keuchte er. „Man kann doch über alles reden. Es findet sich immer eine Lösung.“
„Die habe ich schon gefunden. Du legst keinen mehr herein, Walter Bracke. Dafür sorge ich.“
„Was du vorhast, ist Mord. Dafür gehst du für den Rest deines Lebens in den Bunker. Und wofür? Weil du Gerüchten glaubst.“
„Es sind keine Gerüchte. Und ins Gefängnis gehe ich auch nicht. Niemand wird auf mich als Täter kommen. Ein Lump wie du besitzt genügend Feinde. Da wird sich die Polizei nicht lange den Kopf zerbrechen. Einer hat ihnen die Arbeit abgenommen. Was soll schon sein?“
„Du schaffst es nicht, Peter Becker“, sagte Bracke spöttisch. Er schien noch immer nicht zu glauben, dass es sich um blutigen Ernst handelte. „Für dieses Ding bist du viel zu mickerig. Dazu gehört schon Format, und das geht dir leider gänzlich ab.“
„Zerbrich dir darüber nicht den Kopf“, kreischte der andere. Die SIG begann langsam zu zittern. Jetzt musste er es tun.
Walter Bracke richtete seine grauen, trotz der brenzligen Situation kühl wirkenden Augen auf ihn. Er streckte die Hand aus und forderte leise: „Gib mir dein Spielzeug, Peter. Es ist besser für dich, glaube mir!“
„Für dich vielleicht“, krächzte der Mann mit der Pistole, „aber nicht für mich.“
Dann schoss er. Aus kürzester Distanz. Er konnte sein Ziel nicht verfehlen. Nicht mal in der Erregung, in der er sich befand.
Walter Bracke starrte ihn entgeistert an.
„Du hast es tatsächlich getan, du Dreckskerl. Du hast es gewagt, auf Walter Bracke zu schießen, dem du so viel zu verdanken hast.“
Dann lachte er. Es klang schaurig, als ob bereits sein Geist lachte, denn eigentlich musste er längst auf den Fußboden liegen und wimmern.
Doch Walter Bracke wimmerte nicht, und er wankte auch nicht. Er stand auf beiden Beinen fest vor Peter Becker und lachte ihm ins gerötete Gesicht.
Peter drückte erneut ab. Immer wieder. Er zählte die Schüsse nicht. Er wusste nur, dass sein verhasster Gegner nun mit Blei vollgepumpt war, und dass ihn kein verdammter Arzt wieder zusammenflicken würde.
Und Walter Bracke lachte immer noch. Er konnte sich gar nicht beruhigen.
Dann griff er in die Tasche seines großblumigen Hausmantels und förderte nun ebenfalls eine Schusswaffe zutage. Es war ein Revolver, und mit dem schoss er nur ein einziges Mal, dann brach sein Gelächter ab.
Peter Becker brach tödlich getroffen zusammen.