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„Dir ham’se wohl mit nem Klammerbeutel jepudert, wa?“

Die dicke Frau, die von Bernd Schuster unfreiwillig als gepolsterter Aufprallschutz verwendet wurde, konnte sich im letzten Moment an der Kioskwand abstützen. Er starrte in ein rundes Gesicht, in dem das Make-up wie mit einem Spachtel aufgetragen schien und sich ein dick, rot gemalter Schmollmund empört verzog. Die Duftwolke mit billigem Parfum, das Schuster in die Nase stieg, betäubte ihn fast.

Als dann noch durch den heftigen Stoß gegen den Kiosk sich eine Reihe von Eiszapfen lösten und hinter ihnen auf das Pflaster prasselten, dachte er sogar ganz kurz an einen Anschlag auf ihn.

Doch dann rappelte er sich auf und verbeugte sich artig.

„Danke, danke vielmals, gute Frau! Ich habe wohl die falschen Schuhe angezogen und bin über das Eis hier geschlittert!“

Aber die Dicke war noch immer nicht beruhigt.

„Männeken, wenn’de solche Trittchen bei dem Wetter anziehst, selba schuld, war? Muss man aba nich gleich einen umrennen!“

„Tut mir wirklich sehr leid, gnädige Frau. Darf ich Sie zwecks Wiedergutmachung zu einer Tasse Kaffee einladen?“

„Och noch enen dumm anquatschen, nich zu glooben, diese Kerle!“, schimpfte die Dicke vor sich hin und trottete in ihrem behäbigen Watschelgang auf dem glatten Fußweg weiter.

Bernd Schuster war nur in seinem Jackett über die Straße gelaufen, um sich vom Kiosk die Tageszeitungen zu holen. Dabei hatte er nicht bemerkt, dass nach dem Niederschlag der vergangenen Nacht eine dünne Eisschicht den Fußweg bedeckte – und gestreut hatte natürlich noch niemand. So kam er unversehens ins Rutschen und prallte mit der dicken Frau zusammen.

Trotzdem musste er grinsen, ließ sich die Zeitungen durch das kleine Schiebefenster reichen und vernahm noch die guten Wünsche des Kioskbesitzers, bei dem er Stammkunde war. Dann ging es etwas behutsamer zurück ins Büro in der ehemaligen Ladenzeile, wo ihn Franziska lächelnd mit einem Kaffee und einem wärmenden Kuss begrüßte.

„Morgenstund hat Schoko am Mund!“, bemerkte er dazu, denn Franzi hatte einen verräterischen Schokostreifen im Mundwinkel.

„Oh, das war der letzte Weihnachtsmann. Aber wenn ich die Schlagzeilen sehe, hat dieser Morgen noch ganz andere Sachen zu bieten.“

„Sieht ganz danach aus. Kommt, Franzi, wir starten in diesen kalten Tag mit deinem Kaffee und unserer Zeitungslektüre. Ein kurzer Blick durch die ehemalige Schaufensterscheibe, die seit der Einrichtung der Detektei zu zweidrittel mit einer milchigen Folie beklebt war, zeigte den beiden, dass es nun auch noch zu schneien begonnen hatte.

Es war ein trüber Februarmorgen. Durch die Häuserschluchten von West-Berlin jaulte ein eisiger Wind, der die noch vereinzelten Schneeflocken vor sich her peitschte. Um diese Zeit waren erst wenige Menschen unterwegs. Die Müllabfuhr, die Lieferanten für die Supermärkte, die Leute, deren Job besonders zeitig begann.

Und Peter Becker.

Peter sah nicht aus, als würde er zur Arbeit wollen. Er hatte die ganze Nacht Alkohol in verschiedenen Varianten genossen, und ein paar schnuckelige Frauen waren auch dabei gewesen. Er hätte Grund gehabt, zufrieden zu sein. Aber er war es nicht. Er war es ganz und gar nicht.

„Dem Schwein drehe ich den Kragen um“, murmelte er verbiestert, während er die Straße überquerte. Sein Gesicht sah so finster aus, dass diese Drohung durchaus ernst zu nehmen war. Allerdings spielte wohl der Einfluss des reichlich genossenen Alkohols eine Rolle, denn besonders heldenhaft war Peter Becker normalerweise nicht.

‚Der Kerl wird sich wundern‘, dachte er. Mit einem so frühen Besuch rechnete er bestimmt nicht. Und vor allem nicht damit, dass er, Peter Becker, nun über alles Bescheid wusste. Zum Glück hatten sie ihm rechtzeitig die Augen geöffnet. Das hätte böse enden können. Wahrscheinlich sogar vor dem Richter.

Aber so dämlich war er nicht. So lange man die richtigen Freunde besaß, konnte man sich immer wieder herausdrehen, auch wenn man sich mal gewaltsam zur Wehr setzen musste.

Peter Becker griff unwillkürlich in seine Manteltasche. Er fühlte etwas Kaltes, Metallenes. Er zuckte nicht zurück. Es musste sein. Der Lump hatte es nicht anders verdient.

Er würde die Waffe hinterher verschwinden lassen. Ganz cool. Er hatte oft genug im Fernsehen miterlebt, wie so etwas gemacht wurde.

Die Polizisten würden ihn nicht erwischen. Nie! Die konnten seinetwegen bis ans Ende ihrer Tage herum rätseln, wer Walter Bracke erschossen hatte.

Ein Koffer mit brisantem Inhalt Berlin 1968 Kriminalroman Band 52

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