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Hans-Jürgen Hädicke
− Prozessprotokoll in der Strafsache »Kunst gegen Kunst«

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Beklagter, vor mir liegt Ihr umfangreiches Strafregister, nur der letzten 5 Jahre, ich muss schon sagen, ich bin erschüttert, was Sie sich so alles geleistet haben.

Im Jahr 2013 haben Sie, die für viel Steuergeld aufwendig sanierte Fassade der Sporthalle des Goethe-Gymnasiums mit Sprühfarben verunstaltet.

Damals versuchten Sie dem Richter zu erklären, das wäre »Kunst«, »Grafittikunst«.

Ja, Herr Richter, zu der Zeit verspürte ich den inneren Drang, meine künstlerischen Intuitionen, durch grossformatige Arbeiten, sichtbar für alle Freunde der Kunst, im öffentlichen Raum zu präsentieren.

Beklagter, Sie wurden dafür zu einem Monat Haft verurteilt, weil Sie sich weigerten die Geldstrafe in Höhe von 500,- Euro zu zahlen.

Ja, Euer Ehren, auch das stimmt.

Leider war meine finanzielle Lage zeitnah gelinde gesagt beschiss …, bescheiden.

Dann haben Sie sich 2014, gewaltsam Zugang in das Gebäude der Deutschen Bank in Frankfurt verschafft. Sicher in der Absicht, sich Geld zur Finanzierung Ihrer Schmierereien zu verschaffen.

Ja! und Nein! Herr Richter. Ja, ich bin da eingestiegen.

Und glauben Sie mir, es war ein hartes Stück Arbeit. Eigentlich eines Künstlers unwürdig.

Und Nein!

Es war nicht des Geldes wegen. Ich wollte lediglich die frevelhafte Tat eines völlig kunstunkundigen Hausmeisters zurechtrücken. Ein nicht unerheblicher Teil der Gemälde hat er vekehrt herum gehängt! Eine Schande! Köpfe nach unten, Baumkronen Richtung Erde, Greifvogel-Sturzflug kopfüber. Das konnte und durfte so nicht bleiben. Verstehen Sie.

Der Künstlerkollege, ich komme im Moment nicht auf den Namen. Es war irgendwas mit Basel…, ich glaube, er ist Schweizer. Übrigens wie der Kollege Naegeli, hat ein Recht auf perfekte Hängung seiner Arbeiten. Geld hat mich in diesem Ausnahmefall überhaupt nicht interessiert.

Beklagter, im Jahr 2015 haben Sie sich in ein großes Bekleidungshaus kurz vor Geschäftsschluss einschliessen lassen. Und in der Nacht die gesamten Schaufensterscheiben mit Leuchtfarben beschmiert.

Nein, Herr Richter! Nicht beschmiert. In diesem Jahr habe ich mich mit der äußerst schwierigen Technik der »Hinterglas-Malerei» befasst. Dabei kam mir die Größe der Schaufensterscheiben wie gerufen. Ist doch logisch, Herr Richter, oder?

Beklagter, ich verstehe, dass Sie versuchen, es wieder als Kunst darzustellen. Aber es blieb, laut Urteil, bei grober Sachbeschädigung. Auch wenn die Geschäftsführung über 2 Wochen Ihre angebliche »Kunst« nicht entfernen liess. 2 Wochen Zeit, waren praktisch wie ein Honorar, oder?

Ja, Herr Richter, genau! Aber hohes Gericht, bitte bedenken Sie, viele Kunden waren begeistert. Steigender Umsatz war die Folge und endlich eine gelungene Schaufenster-Deko.

Beklagter, 2016 war es dann wieder so weit. Wieder gingen die »Kunstpferde« mit Ihnen durch. In vollem Galopp musste diesmal ein ICE der Deutschen Bahn dran glauben. Hier haben Sie sich ganz besonders wild ausgetobt. Der Richter gab damals zu Protokoll: die Polizeifotos zeigen ein völliges Chaos von Farben und Klecksereien über die gesamte Länge des Zuges. Ich kann meinem Richterkollegen nur zustimmen. Das hatte mit »Kunst« nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun.

Herr Richter,

auch diese Aktion geht auf meine Kappe, ganz klar. Dieser ICE wurde durch meine kreative Veränderung zum ersten, über 350 km/h-schnellen Kunstobjekt in Deutschland. Die Deutsche Bahn hat damit erstmalig die Möglichkeit, Fahrten mit diesem Kunstwerk-ICE ein rollendes Event der Superlative zu präsentieren. Schienennetzerweiterungen, Bahnhoferneuerungen, gepolsterte Raucherinseln, verständliche Infosysteme,usw., wären problemlos zu finanzieren.

Und, sollte sich die Bahn dazu durchringen, können die Ganze ICE-Flotte auf dieses hohe künstlerische Niveau zu heben, wären Fahrpreis-Erhöhungen im Personennahverkehr für Jahrzehnte ausgeschlossen. Ganz abzusehen von dem Kulturschub den die Bahn in ganz Europa auslösten würde. Das haben bisher weder die wechselnden Vorstände der Bahn noch die Politiker mit ihrem Geschwätz und ihrer Konzeptlosigkeit geschafft.

Beklagter.

Bitte mässigen Sie sich. Ich bitte den Protokollanten, die letzten Äusserungen des Beklagten zu streichen.

Übrigens, Herr Richter, die Automobilindustrie könnte endlich wieder ruhig schlafen, hätten sie ein solches Marketingkonzept.

So, Beklagter, es reicht. Wir schliessen die Beweisführung ab. Sie haben dem Steuerzahler mit Ihren Taten und Ihrem Verhalten schon genug gekostet. Sie haben noch ein Schlusswort.

Danke, vielen Dank! Hohes Gericht, verehrter Herr Richter.

Bitte bedenken Sie, es stehen hier Aussage gegen Aussage. Sie behaupten alles, was ich künstlerisch zum Ausdruck gebracht habe und geschaffen habe, wären Schmierereien und Klekssereien. Es wären keine Kunstwerke und damit Sachbeschädigungen und strafbar.

Ich behaupte, alles was ich im öffentlichen Raum geschaffen habe sind Kunstwerke. Voller Strahlkraft, ästhetischer Intensität und handwerklicher Perfektion. Jedes für sich ein Baustein für die zukünftige Kunstgeschichts-Literatur. Pablo Picasso, Herr Richter, sagt Ihnen der Name etwas?

Aber natürlich, das ist doch der, der drei Augen, zwei Nasen und alles schief und verschoben gemalt hat.

Ja, genau der. Wie gesagt, dieser Picasso antwortete einmal auf die Frage:

»Was ist Kunst« wie folgt: Wenn ich wüsste, was Kunst ist ---- ich würde es für mich behalten.

Herr Richter, bitte sagen Sie mir: Was ist Kunst?

Kunst-Kurz

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