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Anna Cijevschi
− Leinwand

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Wir ziehen uns aus. Ich sehe deinen nackten Körper an. Die muskulösen Waden, die festen Pobacken, die Kurve deiner Wirbelsäule. Deine Füße sind sehnig und schlank, die ersten drei Zehen fast gleich lang.

Das mache ich immer so. Ich möchte nicht, dass mein Model sich unwohl fühlt, also ziehe ich mich auch aus. Ich mag es, wenn nach dem Malen die Farbe an meinen Unterarmen klebt, wenn ich noch Tage später dunkelgrüne Streifen an meinen Oberschenkeln und Leim vom Grundieren unter meinen Fingernägeln finde. Du siehst unentschlossen aus. »So ist es okay, ja. Du kannst noch das rechte Bein etwas anwinkeln.« Du verkrampfst dich. »Aber das muss nicht sein, stell dich ruhig hin, wie es für dich bequem ist. Warte, ich hole uns zwei Gläser Wasser.« Ich sehe noch aus dem Augenwinkel, wie du dich zum Fenster drehst und die Schultern kreisen lässt.

Als ich zurückkomme, hast du dich auf die Fensterbank gesetzt. Ich stelle eines der Gläser neben dich. Mir gefällt das Bild. Deine Füße sind überkreuzt, mit den Händen stützt du dich an der Kante der Fensterbank ab, du bist nach vorne gebeugt. Ohne ein Wort zu sagen, trete ich vor die Staffelei. Du gibst dich desinteressiert, lässt den Blick durch den Raum wandern. Ich setze den Pinsel an, skizziere deine Gestalt. Es dauert eine Weile, bis ich den richtigen Winkel für deine Arme gefunden habe, denn du hältst nicht still. Ich mische Ocker, Weiß und Rosa zu einem hellen Grundton zusammen, füge mehr Weiß hinzu, für die Stellen, an denen das Licht an der Silhouette durch dich hindurchzudringen scheint. Licht und Schatten, darauf kommt es an. Ich wähle einen warmen Orangeton für die Schatten unter deinem Haaransatz, am Hals und in den Armbeugen. Deinen Haaren verleihe ich einen kühleren Ton; ich kann sehen, dass sie einmal hellblond waren und mit der Zeit immer dunkler geworden sind.

Du gewöhnst dich nur langsam an die Situation. Nach einigen Minuten des wahllosen Herumschauens bleibt dein Blick an mir hängen. Ich spüre, wie du mich anstarrst, während ich dich male. So, als könntest du dir etwas von dem zurückholen, was ich mir von dir nehme. Du siehst fordernd aus, aber ich komme nicht dahinter, was du möchtest. Ich mische dunklere Hauttöne zusammen, für die Stellen, wo dein Bart dichter wächst, und für die im Schatten liegenden Unterschenkel. Deine Beine wirken schlank, aber stark. Ich kann mir vorstellen, dass du dreimal die Woche joggen gehst, vielleicht mit deinem Hund, vielleicht mit Musik.

Ich kann mich daran erinnern, wie ich Körper als Kind wahrgenommen habe. Sie schienen mir immer viel zu groß für die Menschen, denen sie gehörten. Wenn ich Kleidungsstücke meiner Eltern an der Wäscheleine sah, wirkten sie gigantisch. Ich passte mit meinem ganzen Körper in eines der Hosenbeine und drei Mal in ein weites T-Shirt. Mich ärgerte es, dass die großen Körper die Erwachsenen so ungelenk machten. Sie konnten nicht mit mir unters Bett krabbeln, nicht auf einem Bein um die Wette hüpfen. Mein Körper gefiel mir. Er war klein und flexibel, geeignet zum Verstecken und Kriechen und Klettern. Dann wurde auch mein Körper größer. Ich bekam schlaksige Arme und lange dünne Beine. Meine Bewegungen wurden plump. Die Knochen waren zu schwer geworden, um sie so mühelos tragen zu können wie vorher; die Muskeln kamen nur langsam hinterher.

Ich verlagere mein Gewicht von einem Bein aufs andere, wasche die Pinsel aus, mische den Farbton neu. Da ist auch Grau in deinen Augen. Dein Blick frisst sich in mich hinein. Ich frage mich, ob das nicht meine Aufgabe ist, dich anzuschauen und einzufangen. Ich male deine kurz geschnittenen Fingernägel, die fast so lang wie breit sind. Dann die zarten Ohrläppchen, die feine Narbe, die sich von der Nasenwurzel aus durch deine linke Augenbraue zieht. Das Muttermal auf deiner Wange, deine geschwungenen Lippen. Alles muss plastisch aussehen.

Mit der Zeit entspannen sich deine Gesichtszüge, das beruhigt mich. Die Schatten fallen jetzt anders, lassen deine Kieferknochen weniger kantig aussehen. Zum Schluss skizziere ich die unverputzte Wand, den weißen Vorhang, der nicht bis zum Boden reicht. Als ich fertig bin, wasche ich mir die Farbe von den Unterarmen und Fingern. »Darf ich schauen?« Deine Stimme klingt eingerostet, als du zum ersten Mal seit Stunden sprichst. »Natürlich.« Du räusperst dich und trittst vor die Staffelei. Während ich meine Hände abtrockne, sehe ich, wie du bedächtig nickst. Erst jetzt fällt mir das kleine Tattoo in deinem Nacken auf; es sind zwei Krabben, die sich mit den Zangen berühren.

»Ich habe mir gewünscht, dass es so aussehen würde.«

»Gut«, sage ich.

Ich reiche dir die Kleidung von dem Stuhl, auf dem du sie abgelegt hast. Ein graues T-Shirt, dunkle Unterwäsche und eine ausgewaschene Jeans. Wir ziehen uns an und verlassen den Raum. Die Leinwand lasse ich zurück.

Kunst-Kurz

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