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Die Tulpe

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Die Sonne erstrahlte vom Himmel, als habe sie Jahre nachzuholen. Ein Hauch von Wind jagte über die gerade frisch ergrünten Wiesen und ließ die Halme und Gräser in der milden Luft tanzen. Die Menschen bevölkerten Wiesen, Wege und Bänke und dank der wärmenden Frühlingssonne waren sie freudig erregt und von ansteckender guter Laune erfüllt. Hunde und Katzen tollten umher und schienen von der überschäumenden Lust ihrer Herrin oder ihres Herrchen angesteckt.

Auf den ersten Blick bot sich tatsächlich ein Bild von Glück und Zufriedenheit. Erst bei genauerem Hinsehen sah ich die farbenprächtige Tulpe mitten auf der saftig grünen Wiese. Ihre quittegelbe Blüte überstrahlte alles und doch war sie unglücklich und mir blieb das Tränchen an ihrem Kelch nicht verborgen. Ihr Blütenköpfchen drehte sich im Wind wie ein Karussell und drohte fast bei jeder Bewegung abzustürzen. Schwer neigte sich der Kopf auf dem zarten grünen Stiel und konnte sich nur mit äußerster Mühe gerade halten.

„Wenn mich jetzt nicht bald ein Bienchen von meiner Frucht befreit, werde ich mich wohl nicht mehr lange auf meinem langstieligem Fuß halten können“, dachte die Tulpe und hielt Ausschau nach dem rettenden Summen einer Honigbiene!

Weit und breit war nichts zu sehen. Wie sollte das Bienenvölkchen auch wissen, daß hier mitten auf der Wiese ein so sattes Frühstücksmahl bereitstand.

Als die im schönsten Zitronengelb erblühte Tulpe schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, vernahm sie plötzlich dieses rettende Summen. Erst ganz leise und noch weit entfernt und dann immer lauter und deutlich näherkommend, bis sie endlich ihren Lebensretter sah. Die Biene kreiste über der vor Aufregung zitternden Blume. Ihr verführerischer Duft wehte dem Bienchen aber schon um die Nase herum und sie hielt nur noch Ausschau nach eventuell vorhandenen Feinden.

Endlich, nach fast einer Ewigkeit begab sie sich in das Innere der Blüte und begann das süße, köstlich schmeckende Fruchtfleisch zu sammeln, aus dem dann irgendwann Honig entstehen würde.

Die Tulpe war im siebenten Himmel und hatte vor Glück und Geborgenheit alle Blütenblätter leicht geschlossen, damit dem kleinen Bienchen auch ja nichts geschehen konnte. Die wiederum tobte in der Blüte umher und summte und pumpte und zirpte, daß man es wohl noch in einiger Entfernung hören mußte. Mit einem ungeheueren Kraftakt gelang es der Tulpe die Blüte gerade auf dem Stiel zu halten, auch wenn sie sich, hervorgerufen durch das wilde Treiben in ihrem Inneren, fast den Hals gebrochen hätte.

Aber es ging alles gut und nach ein paar Minuten war die kleine Biene so groß und stark, dass ihr Abflug erst beim zweiten Anlauf gelang. Die Tulpe aber vergaß diesen Tag nie und verbrachte noch viele schöne Tage auf der Wiese, bis zu dem Tag, als sie ein kleiner Junge abpflückte und zu Hause in eine Vase stellte. Das war zwar schön anzuschauen, aber nur wenige Tage und die herrliche Blütenpracht näherte sich dem Ende.

Die Tulpe verschwand zwar auf dem Müll, aber ihre Seele lebte weiter unter der saftig grünen Wiese und ein Jahr später, wieder zur Frühlingszeit, erstrahlte sie erneut im schönsten Gelb und erfreute viele Tausend Menschen die vorbeizogen, um sich an ihr zu erfreuen und ganze Bienenschwärme besuchten sie und verkrochen sich in ihrem Inneren.

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