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Das Räuchermännchen
ОглавлениеWenn die Blätter langsam welken, sich programmgemäß zusammenrollen um dann leicht im Wind segelnd zu Boden fallen, wenn die liebe Sonne sich in immer länger andauernden Perioden hinter dunklen Wolken verzieht, wenn aus satten schweren Regentropfen plötzlich fette, lustig im Wind umherfliegende Schneeflocken werden und wenn statt wohliger Wärme nur noch ungemütliche, klirrende Kälte herrscht, dann kommt seine große Zeit! Dann wird er aus dem obersten Schrankregal, der tiefsten Schublade, oder gar vom Dachboden oder dem Vorratskeller hervorgeholt. Manchmal ziert er aber auch das ganze Jahre über einen schmucken Vorzeigeplatz im Bücherregal oder im Wohnzimmerschrank.
Nur nimmt ihn das ganze Jahr niemand liebevoll in die Arme, noch nicht einmal zum Entstauben! Eine furchtbare Zeit!
Die Rede ist vom Räuchermännchen, einem lustigen Gesellen der in weit über hundert verschiedenen Gestalten und Figuren versteckt ist! Mal tritt er als Waldarbeiter, mal als Nachtwächter, Förster, Rumpelstilzchen, Zigarettenverkäufer, Haushaltswarenverkäufer, Doktor, Jurist oder einfach nur als lustiger kleiner Zwerg auf! Eines aber ist immer dasselbe! Im Mund hält er, fest eingeklemmt zwischen den Zähnen, eine lustig anzusehende Pfeife. Das Oberteil seiner aus Holz geschnitzten Figur kann man vom Unterteil abheben. Zum Vorschein kommt eine kreisrunde kleine Metallplatte, auf die man dann eine sogenannte Räucherkerze stellen kann, die man vorher anzünden muß. Nur schade daß dies nur die Erwachsenen können, denn Kinder dürfen ja nicht mit Feuer spielen, weil das viel zu gefährlich ist. Dann stellt man das Oberteil wieder auf das Unterteil, so daß die angezündete Räucherkerze darunter verschwindet. Nach wenigen Augenblicken erscheint in dem leicht geöffneten Mund, genau dort wo die Pfeife steckt, eine dünne wohlriechende graue Wolke, die binnen kürzester Zeit das Zimmer, die Wohnung oder gar das ganze Haus in einen Myrrhe-, Lavendel- oder Tannengeruch verzaubert. Für einige Minuten fühlt man sich in eine Wintermärchenlandschaft versetzt. Auch das Räuchermännchen scheint diese Minuten zu genießen. Endlich kümmert sich wieder jemand um den kleinen Mann, nimmt ihn liebevoll verträumt in die Hände, befreit ihn von Spinnweben und sonstigen im Laufe des Jahres angesammelten Schmutzpartikeln, putzt seine Gewänder und Schuhe und erfreut sich an seinem Antlitz.
Das wiederholt sich an langen Winterabenden immer und immer wieder. Auf der einen Seite der überglückliche, wie schon gesagt, aus Holz geschnitzter Räuchermann, auf der anderen Seite glänzende Kinderaugen und zufrieden lächelnde Eltern. Doch schade, sobald die Abende wieder kürzer werden verschwinden die armen lustigen Figuren wieder in irgendwelchen finsteren Regalen und Schränken und müssen in diesen engen warmen und muffigen Verliesen ein endlos langweiliges Jahr warten, bis sie wieder von freudig zitternden Kinderhänden in Positur gebracht werden. Manchmal wünscht sich das kleine Räuchermännchen das ganze Jahr über kurze Tage und lange Nächte, damit es immer in leuchtende fröhliche Kinderaugen blicken könnte.