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ROTTACHSEE

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ROTTACHSEE

Es ging weiter zum Rottachspeicher, ein Stausee von rund 300 Hektar, nicht weit vom Bauernhof meines Schulfreundes Günther entfernt. Auf diesem Hof hatte er bei seiner Oma als Knecht angefangen, zur gleichen Zeit, als ich zur Seemannsschule gegangen war. Jeder von uns hatte quasi auf eine akademische Laufbahn verzichtet und sich lieber der Knochenarbeit zugewandt. Manchmal gingen wir zusammen Skifahren. Seine Oma sah seinen Umgang mit mir gar nicht gern, da ich ihn angeblich von der Arbeit abhielt. Bis heute sind wir in bestem Kontakt geblieben. In einem Schuppen hängt noch seine kleine Jolle, mit der er damals, als der See gebaut worden war, für ein paar Jahre darauf segelte. Doch jetzt verbirgt eine dicke Staubschicht die ehemalige Farbe. Er schaffte es, seine Arbeit mal liegen zu lassen und wir verbrachten einen Nachmittag auf dem Wasser. Er erzählte mir, dass es trotz der Kleinheit des Sees zwei Segelclubs gäbe, die sich aber spinnefeind seien.

Es gab einen kleinen Ponton, an dem ich abends das Boot vertäute. Auch hier waren morgens die Fischer die ersten und die einzigen, die die Stille unterbrachen. Sie ruderten und hatten ein Fähnchen an einem Stock gehisst. Nebel deckte in der Früh den See wie eine Daunendecke, manchmal waren in der Nacht Eisstacheln wie ein Fell auf meiner Kajüte gewachsen. Einmal kam mein Bruder mich besuchen und brachte was zum Essen mit, was seine Frau für mich gekocht hatte. Natürlich hatte ich wieder fünf Minuten Verspätung, da der Wind an dieser Seite des Sees nicht blies. Darum wohl befand sich hier der Hafen. Mein Bruder war im Gespräch mit einem, der, wie sich bald herausstellen sollte, Mitglied des Segelclubs war. „Jachten sind auf diesem See nicht zugelassen!“, wandte dieser sich an mich, als ich festgemacht hatte. „Das ist keine Jacht, das ist ein 5- Meter Jollenkreuzer im Taschenformat!“, versuchte ich ihn aufzuklären. „Ihr Boot hat aber eine Reling, die haben die Boote hier nicht!“ „Ich dachte, dass als Maßstab die Länge gilt, so wie bei uns im Club. Und da hinten liegen 8-Meter Jollen. Davon hat mir mein Freund Günther nichts erzählt, den müssen sie eigentlich kennen!“ Ich nannte seinen Nachnamen. „Was, sie sind ein Bekannter von Günther? Und ich dachte, sie sind Franzose! Stellen sie sich vor, Günther war mein Team-Kollege auf dem Flying-Dutchman, der da vorne liegt! Mei, woret des noch Zaita!“ Und er erzählte Schoten von Regatten und Umkippen. „Wenn das so ist, kannst du natürlich bleiben“, schloss er seine Erinnerungen.

Am letzten Abend, es war gehöriger Wind und ich hatte gut zu tun, um heil zum Steg zu gelangen, bemerkte ich eine junge Frau mit einem Mann, die eine winzige Jolle ins Wasser schoben und in der einfallenden Dämmerung die Gischt durchzischten. Ich war gerade mit dem Essen fertig, als sie zurückkamen. Sie an Ruder und Großsegel, er an der Fock kamen sie im Dunkeln angerauscht, ein gekonntes Manöver, und das Bötchen kam zentimetergenau vor meinem zum Stillstand. Ich hielt mich bereit, sie aufzufangen, was aber nicht notwendig war. Ich konnte nicht anders, als meine Achtung über diese Bootsbeherrschung auszudrücken. Sie lachte. „Das Boot hab ich von meinem Vater geerbt. Segeln hatte mich nie groß interessiert. Als ich klein war, bin ich mitgefahren, mehr oder weniger, weil ich musste. Erst als der Vater gestorben war, und das Boot einstaubte, machte ich mich daran und fand plötzlich Spaß an der Sache. Segeln ist Beherrschung. Beherrschung der Elemente, des Bootes und von sich selbst! Wie eine Mischung aus Meditation und Kampfsport!“ Dann machten sie sich ans Abtakeln und schafften das Boot aus dem Wasser. Ich lud sie zu einem kleinen Rotwein ein, wenn sie alles verräumt hätten.

Später saßen wir dann im warmen Bauch meines Blauwales, leicht von den gegen den Rumpf plätschernden Wellen gewiegt, und ließen den Geist des Segelns lebendig werden. Er hatte eine alte H-Jolle, noch aus Holz, auf der er der Kapitän war und seine Freundin der Fock-Affe. Sie lasen gerne, vor allem Geschichten, die mit Wasser in Verbindung standen. Später schickte ich ihnen deshalb mein Seefahrtsbuch als e-mail-Anhängsel.

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