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SCHLUCHSEE

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SCHLUCHSEE

Es war wieder Herbst. Der See von Montbel war zu einer Pfütze geschrumpft und machte es den wenigen aktiven Seglern, vor allem denen mit Steckschwertern schwer, eine Fahrrinne zu finden. Ein Kumpel aus dem Segelclub, der von meinem Plan, mit dem ‚Trailer-Boot‘ durch Deutschland zu reisen wusste, wollte mitfahren und dabei seine Großeltern in Dänemark besuchen. Beim Segeln auf unbekannten Gewässern, allein schon beim Mast aufstellen, ist es besser, zu zweit zu sein. In den Wochen zuvor schmiedeten wir Pläne. Der Tag der Abreise kam, das Boot war auf dem Hänger. Natürlich glänzte der Kumpel am Abfahrtstermin durch Abwesenheit. Würde man im Leben seine Taten immer von jemand anderem abhängig machen, käme man nicht weit. Also brachen mein Blauwal und ich alleine auf.

Über die Reise gibt es nicht viel zu sagen, zu oft schon war ich diese Strecke gefahren. Nur, dass die meisten Tankstellen, vor allem die der Supermärkte nicht für Bootsgespanne gebaut sind.

Nach 14 Stunden Fahrt und ein paar Stunden unruhigen Schlafes auf einem Parkstreifen neben der Autobahn in Deutschland, fuhr ich weiter in den Schwarzwald. Mein erstes Ziel war der Schluchsee, fünf Quadratkilometer klein, ein dunkles Wasser, mitten in den nach Tannen duftenden Bergen gelegen. Laut Internet bestand am dortigen Campingplatz eine Möglichkeit, das Boot zu Wasser zu lassen. Vielleicht ein Schlauchboot, mehr aber nicht, denn man musste durch eine Fußgänger-Unterführung unter einer Bahnlinie durch! Zum Glück wusste jemand Rat und wies mir eine andere Rampe an. Ähnlich ging es mir fast überall: Internet kann man vergessen, das Telefon des lokalen Segelclubs bebt niemand ab, lokale Hinweise sind am besten! Denn an jedem Gewässer befindet sich eine Einfahrt, alleine schon wegen der Wasserwacht.

Bei der anderen Rampe hing ein Anschlag, man solle sich an den Wirt in einem bestimmten Gasthaus wenden, wo sich das Vereinslokal des örtlichen Segelclubs befand. Doch war dort niemand. Also ließ ich das Boot so zu Wasser und parkte Auto und Hänger auf Rat eines neugierigen Anglers am Rand der Hauptstraße, da der Segelclub auf seinem Gelände keine klub-fremden Parker will. Nach einer knappen Stunde war der Blauwal seeklar und ich nutzte die morgendlich Brise, um den See zu erkunden. Einmal auf dem Wasser machte ich etwas Brotzeit, während die Automatik die Steuerung übernahm. Ich teilte per Telefon Peter, einem meiner früheren Kumpel von der Seemannsschule mit, dass ich angekommen sei. Vor Tagen schon hatten wir hier für heute ein Treffen ausgemacht, da er nur eine Autostunde entfernt in der Nähe von Stuttgart wohnte.

Und nach Mittag war er dann da, beladen mit seinen Fotoalben, die wir uns auf dem Wasser anschauten. Ich hatte zum Glück genügend Bier als Ballast in den Backskisten, denn Erinnerungen und See-Fahrt machen Durst. Als dann der Wind einschlief, banden wir das Boot mit einem langen Seil an einem Baum oben auf dem Ufer fest und suchten einen Kiosk auf, wo wir ein paar letzte Biere tranken und einander unsere Lebensgeschichten zuende erzählten. Sein Hobby waren die Frauen, meines die Landwirtschaft. Mit Dunkelwerden fuhr er dann heim.

*

Ich vertäute das Boot an einem Steg und bereitete mich auf die Nacht vor. Da tauchte fast aus dem Nichts jemand auf, der meinte, das ginge nicht, das störe, der Steg sei nur für Clubmitglieder. Darauf ich: „Bei uns in Frankreich ist das auch so, doch machen wir eine Ausnahme für Gäste. Und ich bin ja gewissermaßen ein Gast!“ „Ja, wo genau kommen sie denn her?“, wurde er jetzt neugierig. „Irgendwo zwischen Andorra und Lourdes, ganz im Süden Frankreichs, der Ort wird ihnen aber unbekannt sein!“, antwortete ich und suchte im Auto nach unserer Ansichtskarte. „Das ist ja verrückt!“, rief er aus, „Durch diese Gegend sind wir vor zwei Wochen gefahren. Wir kamen von Foix und fuhren weiter über Viella nach Huesca, wo unsere Tochter wohnt, zur Kindstaufe! Gestern erst sind wir zurückgekommen, deshalb ist das Gasthaus auch noch geschlossen!“ „Da sind sie genau durch unser Tal gefahren! Das nächste Mal halten sie bei uns an!“, lud ich ihn ein. Mit einem „natürlich können sie dort am Steg bleiben, es ist eh niemand da, die meisten haben ihre Boote schon aus dem Wasser!“ verabschiedete er sich nach einer Weile Erzählen.

Also verbrachte ich diesmal eine ruhigere Nacht als zuvor mitten im Schwarzwald, in der Früh leise aus dem Schlaf geholt vom Plätschern der Ruder der Angler, deren Boote alle mit einem Zelt versehen sind, wohl wegen des Wetters. Sie waren überrascht, so früh einen Segler zu sehen, übernachtet doch kaum jemand auf den Booten, sie gehören den Leuten aus der nahen Stadt. Auch dürfen die Fischer hier nicht mit Elektromotor fahren. Nur für die Segler würde er toleriert. Die Nebel lagen in wattigen Schichten über dem schwarzen, glatten Wasserspiegel, weiter weg standen Enten auf einem Bein im Wasser, den Kopf noch träumend unter den Flügeln versteckt. Es würde ein windstiller Tag werden, hatten mir die Fischer gesagt, als sie mit leisen Ruderschlägen davonglitten und bald im Nebel verschwanden.

Ich zog die Gummistiefel an und wanderte auf der Suche nach einem Trockenklo durch den taufeuchten Wald. Ein windstiller Tag, der Horror eines jeden Seglers! Also kurbelte ich das Bötchen wieder auf den Hänger und machte mich auf den Weg zum Bodensee, auch genannt ‚das Schwäbische Meer‘, weil er so groß ist (Über 530 Quadratkilometer), rund drei Stunden weiter. Und dann lag er unter mir, wie ein Milchglas-Spiegel im Sonnenlicht. Um mich herum die abgelesenen Hänge der Weinberge, dort vor mir die Meeresburg, wo Anette von Droste-Hülshoff ihre Verse gewoben hatte. Und im Hintergrund, wie schwebend, die Schweizer Berge und die von Österreich.

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