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ALPSEE

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ALPSEE

Mein nächstes Ziel war der Alpsee bei Immenstadt, ungefähr 250 Hektar Fläche. Es war Mitte September und überall Almabtrieb. Die Kühe blockierten die Straßen und versahen sie mit einem frischen, grünen Belag. Internet hatte gesagt, dass man am Campingplatz in Bühl Boote ins Wasser lassen kann. Dort war das Mädchen vom Empfang ganz entsetzt. „Schauen sie selber, die Fußgänger-Passage ist der einzige Zugang zum See.“ Da sie nicht von hier war, konnte sie mir auch nicht weiterhelfen. Also fragte ich Passanten, die nach Einheimischen aussahen. „Da hinten, den Privatweg rein, ganz am Ende ist ein Bauer, der hat Boote auf einer Wiese. Versuchen sie es mal dort!“

Ich hielt vor einem typischen Allgäuer Bauernhof an, wo Stallungen und Wohnung alle unter einem riesigen Dach vereint sind. Die Wände des Gebäudes waren mit Schindeln bedeckt, die Fenster mit Geranien verziert, in einer Wiese erhob sich eine Kapelle, auch geschindelt, mit einem winzigen Glockenturm. In den saftigen, grünen Wiesen standen träge Kühe, genau wie die unseren. Es roch nach Heimat und Willkommen. Der Alt-Bauer kam herausgeschlurft und wir begrüßten uns. Ich sagte, dass ich daheim, in Frankreich, die gleiche Kühe hatte, worauf er mich durch den Stall und den Heuboden führte. Seine Kühe hatten sogar das gleiche Anbinde-System wie unsere! Da hatten wir natürlich viel zu bereden!

Klar, dass ich das Boot zu Wasser lassen könnte. Nur muss es nachts wieder raus, so seien die Regeln am See. Er zeigte mir die Wiese mit der kiesigen Einfahrt ins Wasser. Ich schnitt ihm ein Stück Käse ab. Also gleich den Mast gestellt, das Boot ins Wasser und losgesegelt. Ich war so geil auf Segeln, dass ich für die umliegenden Berge und den oberliegenden Himmel noch keinen Blick übrig gehabt hatte. Plötzlich legte mich eine Böe fast um, es donnerte und ein paar dicke Tropfen fielen. Mein dadurch zum schwarzen Himmel gewandter Blick ließ mich schleunigst die Pinne umlegen und das hin und her geworfene Boot mit Mühe wieder auf die Rampe steuern. Doch als ich das Reff eingesteckt hatte, war das Gewitter schon weitergezogen und leerte seine Wolken über dem hinter mir aufragenden Immenstädter Horn aus, es meinem Blick verhüllend. Was hatten wir damals da oben für schöne Touren gemacht, was für wilde Feste gefeiert, selbst in eisigen Winternächten bei Schneesturm!

Ich mache das Reff wieder raus und schiebe das Boot zurück ins Wasser! Wie immer, erst ein paar Mal vor dem Anlegeplatz kreuzen, um den Ort später auch wiederzufinden. Denn aus der Ferne gesehen sind sich alle Ufer gleich, und es ist wichtig, sich ein Merkmal einzuprägen, einen Baum, ein Haus oder anderes. Viele der Alpenseen sind Gletscherseen und deshalb nicht sehr tief. Damals war ein Starfighter F104, ein amerikanischer Jagdbomber von der Bundeswehr in den See gestürzt. Ein anderer war unweit am Hochgrat, einem Berg zerschellt. Auch da fand man nicht mehr viel. Erst als der Sohn des Verteidigungsministers, auch Pilot, mit einem abstürzte, stellte man die Flugtauglichkeit dieser fliegenden Särge in Frage. Doch da waren schon über 100 runtergefallen…

Mit solchen Gedanken steuerte ich über den eher kleinen, tiefbraunen Moor-See, dessen Ufer teilweise von Seerosen und trockenem Schilf gesäumt waren. Ein Teil des Sees war, wie bei allen deutschen Gewässern, als Naturschutz-Zone für Segeln, Baden und Fischen verboten. An einem Ufer standen Pfahlbauten, bunt gestrichene Wochenendhäuschen. Rundum erhoben sich die hauptsächlich von Almen bedeckten Berge von der Nagelfluh Kette, nur an den steilsten Stellen bewaldet. Auf den unteren Lagen grasten noch die Kühe, parallelen Streifen folgend, im Laufe der Jahrhunderte von den Hufen in die Hänge getreten.

Hier bleibe ich drei Tage. Ich treffe mich mit Peter, den ich das letzte Mal auf der Seemannschule gesehen hatte, wo sich anschließend unsere Wege trennten. Er irrte fünf Jahre über die Weltmeere, während derer er nicht einen einzigen Brief nachhause schickte. Seine Welt hatte nichts mehr gemeinsam mit der, die er hinter sich gelassen hatte. Dennoch schaffte er es, wieder an Land zu gehen und versuchte sich im Kaufmännischen. Jetzt in Rente, begleitet er mit seiner Freundin Wanderer durch die Oberstaufener Berge.

Bei dem anhaltend schlechten Wetter besuchte ich noch andere Freunde, hatte ich doch lange in dieser Gegend gewohnt, kaufte mir höhere Gummistiefel, nachdem meine letztens vollgelaufen waren. Nichts ist unangenehmer, als nasse Füße, zumal die Nächte kalt waren und, wenn es mal nicht regnete der morgendliche Reif die Bauern veranlasste, die Kühe erst spät hinauszulassen. Überall war Viehscheid, und waren es mal nicht die Kühe, die die Straßen versperrten, waren es die Autos der Schaulustigen, denn der Almabtrieb war hier schon immer mit Volksfesten und Bierzelten verbunden. Sowas heißt dann Kultur.

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