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6.2 Die These vom tendenziellen Fall der Profitrate

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Auf der Produktivitätsdynamik fußt nun eine weitere, deren Effekt auf den ersten Blick verrückt erscheint: je mehr stofflichen Reichtum die menschliche Arbeit zu schaffen vermag, desto schwächer wird – im Kapitalismus, wohlgemerkt, und nur hier! – der Antrieb zur Reichtumsproduktion. Spezifischer Antrieb kapitalistischer Produktion ist ja nicht der stoffliche Reichtum an Gebrauchswerten, sondern der abstrakte, in Geld ausgedrückte Reichtumszuwachs, anders gesagt, der Mehrwert im Verhältnis zum eingesetzten Kapital. – Erinnern wir uns: Mehrwert entspringt der lebendigen Arbeit ab dem Moment, an dem sie den Wert der Arbeitskraft reproduziert hat. Alle Arbeitszeit über diesen Punkt hinaus ist Mehrarbeitszeit, und das erste Verhältnis, um das es dem Kapital geht, ist das Verhältnis der Mehrarbeit zur (für die Reproduktion der Arbeitskraft) notwendigen Arbeit bzw., in Wert ausgedrückt, das Verhältnis des Mehrwerts (m) zum (als Lohn gezahlten und, weil den wertmäßig variablen Kapitalteil darstellend, als v abgekürzten) Wert der Arbeitskraft, kurz: die Mehrwertrate (m/v). Das darauf aufbauende Verhältnis, ist das der Masse des angeeigneten Mehrwerts (M) zum Wert der insgesamt eingesetzten persönlichen (V) und sachlichen (C) Produktionsfaktoren, kurz: die Profitrate (M/C + V). Weil aller Wert vergegenständlichte Arbeit ausdrückt, umschreibt Marx das Verhältnis von V und C auch als das Verhältnis der lebendigen Arbeit zur toten Arbeit. Mit der Produktivkraftentwicklung schrumpft nun die lebendige im Verhältnis zur toten Arbeit, und mit der steigenden Komplexität der Anlagen tendiert deren Geldausdruck (Anlagekapital) im Verhältnis zu dem in Lohn ausgedrückten Kapitalteil nach oben. Sofern nun die »Wertzusammensetzung des Kapitals […] durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und deren Änderungen widerspiegelt«, spricht Marx von der »organischen Zusammensetzung des Kapitals« (23/640). Nehmen wir ein empirisches Beispiel: kostete 1970 eine Chipfabrik 30 Millionen, so zu Beginn des 21. Jahrhunderts annähernd das Hundertfache. Auch wenn für einen genauen Vergleich weitere Parameter einbezogen werden müssten und die zwischenzeitlich akkumulierte Inflation herauszurechnen wäre, deutet sich der gewachsene Investitionsbedarf pro Arbeitsplatz an. Wenn aber nur die Arbeit Mehrwert bildet und die Profitrate durch das Verhältnis des Mehrwerts zum eingesetzten Kapital bestimmt ist, ergibt sich das Gesetz, dass bei steigender organischer Zusammensetzung des Kapitals die Profitrate fällt. Das Beispiel der Chipfabrik zeigt aber auch, wie Produktivkraftentwicklung die Herstellung der Produktionsmittel erfassen und die Produkte verändern und zusätzlich verbilligen kann. Wenn sie die Lebensmittel im weitesten Sinn der zum Leben benötigten Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände ergreift, wozu inzwischen auch die zunehmend in den unterschiedlichsten Gebrauchsgütern fungierenden Chips gehören, kann Produktivkraftentwicklung die relativen Kosten der Arbeitskraft senken. Sofern nicht durch Arbeitszeitverkürzung wettgemacht, erhöht sich also der Anteil der Mehrarbeit am Arbeitstag und so die Ausbeutungsrate (Mehrarbeit/notwendige Arbeit). Diese beiden realen Möglichkeiten der Wertsenkung von C und V nennt Marx »entgegenwirkende Ursachen«. Er spricht daher vorsichtig vom bloß »tendenziellen« Fall der Profitrate. – Wie immer man das Sinken der Profitrate erklärt, der Wirtschaftshistoriker Robert Brenner kann zeigen, dass es sich dabei um eine langfristige Tendenz handelt. Auf diese Tendenz antwortete das Kapital, unterstützt von staatlicher Wirtschafts- und Finanzpolitik, mit einer Reihe von Profit-Forcierungspolitiken, deren Folgen sich in der Großen Krise entladen haben.

Hightech-Kapitalismus in der großen Krise

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