Читать книгу Und ewig küsst mich Dornröschen wach - Wolfgang Haecker Paul - Страница 10
ОглавлениеVorwort
Dieser ewige Kreislauf des Lebens. Jeden Morgen in einen weiteren Murmeltiertag starten.
Tagesablauf abspulen, mein Bestes geben, mich körperlich in Schwung halten, ein wenig Zeit mit den Freunden und der Familie verbringen, wenn denn überhaupt noch welche übrig sind. Abends geht es wieder ab in die Ruhe- und Denkerstätte, damit das Murmeltier dich am nächsten Morgen wieder exakt an derselben Stelle abholt, an der es dich erst gestern zu Bett geleitet hatte.
In was für einen Schlamassel bin ich da eigentlich reingeraten?
Leider bin ich nicht als „Vatis Millionärssohn“ zur Welt gekommen. Mutti subventionierte mich maximal und allein mit Muttermilch und einer guten Erziehung. Beide Elternteile zusammen vererbten mir zumindest einen begrenzten Verstand, denn so vieles ist für mich nach wie vor einfach nicht zu verstehen. Vielleicht hätte ich früher in der Schule doch besser aufpassen sollen.
Der Verhaltenspsychologe Maslow sprach von den Phasen der Selbstverwirklichung im Leben aller Personen, wobei – nach vorrangiger Erfüllung der Grundbedürfnisse – irgendwann einmal und im optimalen Falle sogar genau eine solche Selbstverwirklichung erreicht werden könne. Also ist es egal, ob man sich im Hamsterrad des Lebens gefangen fühlt oder nicht? Man sollte sich darüber wohl auch noch freuen? Selbstverwirklichung sei schließlich die höchste, erreichbare Stufe überhaupt – so Maslow.
Ich aber sage: Es gelingt mir beim besten Willen nicht, diese Freude zu teilen. Da können sämtliche Verhaltensforscher noch so schöne Statistiken anfertigen, um mir mein Glück und das Glücklichsein verkaufen zu wollen. Ich habe vergeblich nach einer Website gesucht, um den Herrschaften die Mangelhaftigkeit ihrer Systematik erklären zu können. Nur allzu gerne hätte ich mich beschwert.
Und überhaupt, wenn ich noch einmal „Und täglich grüßt das Murmeltier“ sehen muss, werde ich doch darüber nachdenken müssen, ob meine Faust nicht vielleicht in das Gesicht des besagten ewigen Wiederkehrers passt. Das Murmeltier geht mir nämlich derart auf den Sack, wenn ich das so sagen darf.
Dass ich bisher alles so gut ertragen habe, muss ich mir persönlich hoch anrechnen. All das, was meine Mitmenschen mit ihrem Verhalten oder ihren Äußerungen auf meine fleischliche semipermeable Feinfühligkeitswand, mein sogenanntes „dickes Fell“, geschossen haben. Alles, was daraufhin ungewollt in mein Innerstes vorgedrungen ist. Gut, dass ich das mal gesagt habe. Wer weiß, wie lange ich noch auf ein solches Lob gewartet hätte!
Ich will nur alle, die mich bereits zu kennen glauben, wissen lassen,: Ich habe bisher immer versucht, mein Bestes zu geben. Das werde ich im Folgenden ausreichend verdeutlichen.
Selbst im Hamsterrad immer das Bestmögliche zu leisten, ist schon mal etwas. Denn mancher Weg erscheint oftmals viel zu lang. So, als befände man sich auf einem Endloslaufband. Und wer weiß, wer noch so an der Uhr des Lebens gedreht hat. Denn die dreht sich seit einiger Zeit nun deutlich schneller. Schwer verdauliche Kost für einen Hobby-Zeitmanager, wie ich es bin.
Und meint der vermeintliche Zeitenbeschleuniger wirklich, ich hätte nicht gemerkt, dass die Zeit sich nicht nur schneller dreht, sondern auch, dass immer mehr in diese immer kürzer werdende Lebensdauer hineingepackt wird?
Da, wo vieles gerade mal angefangen hat, endlich beschaulicher in meinem Leben zu laufen, nehmen andere Dinge erst recht Fahrt auf. Alles in allem kann das doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Ich werde und muss der Sache auf den Grund gehen.
Damals hätte ich noch mithalten können, schließlich war ich sogar über zwei Zentimeter größer als heute und hätte noch größere Schritte machen können. Nun laufe ich im Hamsterrad mit meinen kürzeren Beinen aber sogar noch schneller. Ich muss. Und was sich da so körperlich alles verändert … ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was nützen mir die größer werdenden Ohren, wenn ich all das unausstehliche Gezeter meiner mehr oder weniger geliebten Mitmenschen doch gar nicht hören will? Und, welchen Zweck auf einmal diese vielen Sommersprossen auf meiner Haut haben sollen, das muss mir auch noch jemand erklären. Altersflecken sollen das sein? Pah. Wofür sollen die denn stehen? Für all meine Schandtaten oder wohl eher für die vielen Dummheiten, die man im Leben begangen hat?
Die poppen mittlerweile in solchen Massen auf, dass Pippi Langstrumpf puren Neid verspürt hätte.
Mir gelingt es überhaupt nicht, auch nur annähernd plausible Antworten auf all meine offenen Fragen zu finden. Noch mehr wundert es mich für so manch einen, dass nicht doch eine höhere Intelligenz für einen kurzen Moment die Schwerkraft aufhebt und schwupp: „wech is‘ er oder die.“
Damit hätte er oder sie einem anderen Mitmenschen viel Leid und Kummer erspart und gleichzeitig viel Freude gebracht. Nur schlecht ist es, wenn man in den Augen dieser anderen Menschen selbst derjenige ist, den alle gerne entsorgt sehen würden.
Trotzdem – ich bin mir ziemlich sicher, dass es diese überirdische Intelligenz geben muss. Davon ist beinahe sicher auszugehen, wenn man sich so einige dieser menschlichen „Was-auch-immer hier auf Erden“ ansieht. Leider bin auch ich einer von ihnen. Aber eine Sache ist klar: Wir drehen uns nur allzu schnell im Hamsterrad des Lebens, sich nur einen kurzen Schlaf gönnend und immer wieder mit jedem Tag neu startend. Begleitet von so vielen Hindernissen, die von Leuten erzeugt werden, die diese Welt nun wirklich nicht braucht. Auf den ersten Blick macht es zumindest den Eindruck.
Da muss doch selbst Gott, wenn es ihn tatsächlich geben mag, eine gehörige Portion Humor gehabt haben. Oder war es eher sein Sarkasmus, uns das einst so einfache Leben mit etwas Stimmungsmache versüßen zu wollen?
Für mich wirken unsere Mitmenschen viel eher wie Schläfer. Denn die meisten wollen sich gar nicht am Stück an dieser göttlichen Lebenskomödie beteiligen. Sie befinden sich vielmehr in einer Art Langzeitschlaf. Vielleicht warten sie darauf, vom hübschen Dornröschen oder einem Traumprinzen täglich wachgeküsst zu werden.
Eher aber wird vielen unserer hoffnungslosen Zeitstatisten am Ende dann doch nur die Hammerschlagmethode helfen.
Der Irrsinn des Lebens scheint also nicht nur andere, sondern auch mich getroffen zu haben!
Drei Dinge helfen, die Mühen des Lebens zu tragen: die Hoffnung, der Schlaf unddas Lachen
Immanuel Kant