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a) Analogisierung

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Das Rückgrat des Pleonexie-Arguments ist eine Analogie, also eine Korrespondenz von Verhältnissen, denn nicht das Verhältnis zwischen Gegenständen, sondern das Verhältnis zwischen Verhältnissen von Gegenständen wird in Analogien thematisch: A verhält sich zu B wie C zu D. Und wie verhält sich A zu B? Folgendermaßen: Wissen und Tüchtigkeit wollen Gleichem gegenüber, also Wissen und Tüchtigkeit gegenüber, nichts an Wissen und Tüchtigkeit voraushaben, Ungleichem hingegen, also Unwissenheit und Untüchtigkeit gegenüber, wollen Wissen und Tüchtigkeit durchaus etwas an Wissen und Tüchtigkeit voraushaben. Hingegen wollen Unwissen und Untüchtigkeit sowohl vor Unwissen und Untüchtigkeit als auch vor Wissen und Tüchtigkeit etwas an Wissen und Tüchtigkeit voraushaben. Der Unwissende und der Untüchtige glauben allen Ernstes, sowohl wissender und tüchtiger als der Unwissende und Untüchtige als auch als der Wissende und Tüchtige zu sein. Denn genau das macht den Unterschied zwischen Kompetenz und Nichtkompetenz aus: was der eine will, das kann er auch; das aber ist genau das, was auch der andere will, aber nicht kann. Es geht hier nicht um eingestandenes Nicht-Wissen und Nicht-Können; es geht immer um sich selbst überschätzendes Nicht-Wissen und Nicht-Können, es geht um Nicht-Wissen, das im Wissensversuch scheitert, und um Nicht-Können, das im Könnensversuch scheitert, es geht also um Ignoranten, um theoretische und praktische Ignoranten.

Als Ignoranten bezeichnen wir ja immer solche, die selbst nicht wissen, daß sie nicht wissen, die in ihren Wissensansprüchen und Könnensansprüchen scheitern. Aber genau dieses Verhältnis ist nun nicht geeignet, um den Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit zu explizieren. Der Ungerechte ist kein lächerlich scheiternder Gerechter. Der Gegensatz zwischen Kompetenz und Ignoranz ist gerade nicht auf den Gegensatz von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit erhellend anwendbar. Wer käme je auf die Idee, einen Ungerechten als etwa nicht hinreichend klug oder als überaus ungeschickt in Gerechtigkeitsdingen hinzustellen? Der Ungerechte versucht nicht erfolglos, das zu sein, was der Gerechte mit Erfolg ist, nämlich ein Gerechter. Er will weder das eine sein noch das andere, weder gerecht noch ungerecht: er will nur seine Interessen verwirklichen und kümmert sich um die Gerechtigkeit nicht, wenn sie ihm dabei im Weg steht. Sokrates’ Analogie führt hoffnungslos in die Irre. Kompetenz und Ignoranz, Tüchtigkeit und Ungeschicklichkeit treten in ein und demselben Wettbewerb gegeneinander an: sie wetteifern um Wissen und Fertigkeit. Aber Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit treten keinesfalls in ein und demselben Wettbewerb an; sie wetteifern nicht um Gerechtigkeit, so daß dann der Gerechte hinterher sagen könnte, er sei erfolgreich im Wettbewerb gewesen, und der Ungerechte hätte einsehen müssen, daß er gescheitert und in seinen Anstrengungen um Gerechtigkeit dem Gerechten unterlegen gewesen sei. Die Analogie überzeugt also nicht. Die Gerechtigkeit verhält sich zu sich selbst und zu ihrem Gegenteil keinesfalls so wie sich Wissen und Tüchtigkeit zu sich selbst und zu ihrem Gegenteil verhalten, da Kompetenz und Ignoranz ebenso wie Tüchtigkeit und Ungeschicklichkeit sich in einem Wettbewerb um Wissen und um Tüchtigkeit befinden, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit sich aber nicht in einem Wettbewerb um Gerechtigkeit befinden. Der Ungerechte ist nicht ein in Gerechtigkeitsdingen Ungeschickter, ist nicht jemand, der sich erfolglos bemüht, ein Gerechter zu sein, und sich in seinem erfolglosen Bemühen fortwährend über seine Ungerechtigkeit täuscht.

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