Читать книгу Rückkehr des kleinen Prinzen - Wolfgang Maria Sylvester - Страница 5
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Der erste Planet war von einem Jäger bewohnt. Er saß auf einem hohen Turm, dessen Plattform sich langsam drehte, und suchte mit einem Fernglas die Oberfläche des Planeten ab.
„Bleib stehen!“ rief der Jäger, als ihm der kleine Prinz in das Blickfeld geriet, und griff nach seinem Gewehr.
„Ich bin kein Tier!“ rief der kleine Prinz zurück und warf sich zur Vorsicht in das tiefe Gras.
Diese Reise scheint recht gefährlich zu werden, sagte er zu sich.
Als er nach einer kleinen Weile zögernd erneut den Kopf hob, blickte er zu seinem Schrecken direkt in den Lauf des Gewehres.
„Wer bist du?“ fragte der Jäger, der seinen Hochsitz verlassen hatte.
„Ein Reisender“, antwortete der kleine Prinz.
„Das behaupten sie alle“, knurrte der Jäger. „Und wo ist dein Gepäck?“
Tatsächlich hatte der kleine Prinz kein Gepäck mit sich. Er hing nicht an toten Dingen.
„Ich brauche nur wenig“, offenbarte er dem Jäger.
„Würdest du bitte das Gewehr wegnehmen? ... Du könntest mich damit verletzen!“
Sein Blick entwaffnete den Mann.
„Es ist wegen der Wilderer“, erklärte er.
„Aha“, sagte der kleine Prinz, der nichts davon verstand.
Der Jäger setzte sein Verhör fort:
„Und wohin reist du?“
„Ich suche neue Freunde und will mich weiterbilden“, antwortete ohne Zögern der kleine Prinz.
„Freunde?“ sagte der Jäger, „Freunde? ... Die gibt es hier nicht.“
Seine Stimme klang dabei so entschieden, dass sich die Augen des kleinen Prinzen vor Überraschung weiteten.
„Hast du keine Freunde?“ fragte er ungläubig.
„Ich dachte mal, ich hätte einen“, bekannte der Jäger, „aber jedes Mal, wenn wir auf der Pirsch waren, zielte er auf dasselbe Tier wie ich.“
Er schulterte sein Gewehr:
„Da habe ich ihn fortgeschickt.“
„Er tut mir leid“, bemerkte der kleine Prinz.
„Er?“ fragte der Jäger überrascht. „Ich sollte dir leid tun. Ich muss jetzt allein in diesem Revier leben!“
„Wann habt ihr immer gejagt?“ fragte der kleine Prinz.
„Morgens um fünf und abends, so wie jetzt.“
„Und ab wann warst du glücklich?“
„Natürlich jedes Mal, wenn ich einen Hasen erlegt hatte ... oder ein Reh ... oder sogar einen Fuchs!“
Der Jäger ließ seine Erinnerungen frei:
„Das eine Mal hat er dreimal danebengeschossen, Päng, Päng, Päng ...“
Seine Finger zerschnitten dreimal die Luft. Dann, selbstgefällig:
„Bei mir ... ein Schuss!“
Beifall heischend blickte er zu dem kleinen Prinzen hinunter, zuckte jedoch zusammen, als dieser heftig mit einem Fuß auf den Boden stampfte:
„Ich habe einen Fuchs zum Freund“, erregte sich der kleine Prinz, während sich sein Gesicht deutlich zu verfärben begann. „Du hättest ihm bloß nachgestellt, aber er wollte, dass ich ihn zähme!“
Dieser unerwartete Gefühlsausbruch machte den Jäger höchst betroffen:
„Gezähmte Füchse finde ich langweilig“, versuchte er sich zu entschuldigen. „Außerdem ist es gegen die Natur.“
Doch der Zorn des kleinen Prinzen steigerte sich bei diesen Worten nur noch mehr. Sein Gesicht war jetzt ganz blass:
„Du hast keine Ahnung von der Natur“, erwiderte er anklagend, „mein Fuchs liebte das Getreide, weil ihn die Farbe an mein Haar erinnerte!“
Er ballte seine Hände zu Fäusten:
„Er hat sogar das Rauschen des Windes darin liebgewonnen! ... Und die Raupen ...“
„Was ist mit den Raupen?“ fragte der Jäger, der sich nur noch mit Mühe beherrschen konnte.
„Meine Rose hat gelernt die Raupen zu ertragen, weil sie die Schmetterlinge mag!“
Er schrie seine Antwort förmlich heraus.
Jetzt wurde es dem Jäger zu bunt:
„Was regst du dich so auf?“ sagte er. „Habe ich dir oder deinem Fuchs etwas getan? “
Seine Stimme wurde streng:
„Ich erfülle nur meine Pflicht“, ein Hustenanfall unterbrach ihn, „bei Wind und Regen, und du behandelst mich wie einen Verbrecher?“
Aber der kleine Prinz blieb in seinem ohnmächtigen Zorn erstarrt.
„Ach, mach doch was du willst“, sagte der Jäger. „Urteile weiter über Dinge, die du nicht kennst!“
Und mit diesen Worten ließ er den kleinen Prinzen einfach stehen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis dass der kleine Prinz wieder zu sich fand. Bestürzt schaute er dem Jäger nach, der sich mit weiten Schritten von ihm entfernte.
„Was habe ich getan?“ sagte er tonlos. „Was ist mit mir?“
Und er lief verstört in den nahen Wald, dessen Bäume mahnend zum Himmel zeigten.