Читать книгу Rückkehr des kleinen Prinzen - Wolfgang Maria Sylvester - Страница 6
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Am nächsten Morgen wartete der kleine Prinz auf den Jäger, doch vergeblich. Die Plattform blieb leer. Tag um Tag verging. Und mit jedem Tag, mit jeder Stunde, begannen die letzten Worte des Jägers – „Urteile weiter über Dinge, die du nicht kennst“ – mehr und mehr im kleinen Prinzen zu wirken.
Am Morgen des siebenten Tages aber kehrte der Jäger endlich zurück.
„Waidmannsheil!“ grüßte ihn der kleine Prinz.
„Waidmannsdank“, antwortete der Jäger, überrascht von diesem freundlichen Empfang.
„Ich möchte dich um Verzeihung bitten“, begann der kleine Prinz zaghaft, hielt aber zu sprechen inne, weil ihm auffiel, dass der Jäger ohne sein Gewehr erschienen war.
„Vielleicht gibt es hier auch gezähmte Tiere ...“ erklärte der Jäger, der den erstaunten Blick des kleinen Prinzen wohl zu deuten wusste.
„Dein Vorwurf ... Erzähle mir von deiner Arbeit“, bat ihn der kleine Prinz.
Sie setzten sich ins Gras.
„Ich hege und pflege das Wild“, begann der Jäger. „Irgendwann im Lauf der Zeit sind die Dinge durcheinander geraten, und nun müssen wir Jäger der Natur helfen, sie neu zu ordnen.“
„Auf meinem Planeten ist noch alles in Ordnung“, warf der kleine Prinz ein und blickte dem Jäger in die Augen.
„Das ist selten“ sagte der Jäger. „Die Unordnung greift immer mehr um sich. Sie beginnt ganz klein, nährt sich von der Ordnung, und dann, auf einmal, sprengt sie das gesamte Gefüge.“
Der kleine Prinz nickte verstehend.
„Wie bei den Affenbrotbäumen?“ fragte er.
„So ähnlich“, stimmte ihm der Jäger zu. „Aber die falsche Schönheit ihrer Triebe ist auf fast allen Planeten bekannt. Bei der Unordnung ist das anders.“
„Warum?“
„Die Ordnung erscheint vielen Menschen langweilig“, antwortete der Jäger. „Sie denken, sie erhält sich von selbst. Deswegen freuen sie sich über das Andere, das die Unordnung mit sich bringt. Den Wert des Alltäglichen erkennen die meisten Menschen nicht mehr, sobald sie sich daran gewöhnt haben.“
Der kleine Prinz musste unwillkürlich an seine Besuche bei der Rose denken:
„Ich habe jeden Tag meine Rose besucht“, sagte er zu dem Jäger. „War das ein Fehler?“
„Du meinst, ob du sie am Ende gelangweilt hast?“
Der Jäger schüttelte den Kopf.
„Ich glaube nicht ... Nicht, wenn sie dich geliebt hat!“
Der kleine Prinz schloss die Augen, um den Jäger zum Schweigen anzuhalten. Er wollte dessen Worte bedenken.
Plötzlich gähnte der Jäger.
„Hast du heute Nacht auch nicht geschlafen?“ fragte der kleine Prinz mitfühlend.
„Nein“, antwortete der Jäger, „und das war gut so ... Hoheit!“
Und er machte einen gutmütigen Diener in Richtung des kleinen Prinzen.
„Woher weißt du, dass ich ein Prinz bin?“ staunte der kleine Prinz.
„Die Nacht hat auch bei dir ihre Spuren hinterlassen“, antwortete der Jäger. „Ich sehe es an deinem Gesicht und höre es an deinen Worten.“
Den kleinen Prinzen überlief ein Schauder, als er an die vergangene Nacht dachte. Wieder und wieder hatte ihm der Wald die letzten Worte des Jägers zugeflüstert.
„Meinst du, ich darf jetzt weiterreisen?“ fragte er, etwas unsicher und verlegen.
„Es liegt in deiner Natur!“ sagte der Jäger, „aber davon verstehe ich ja nichts.“
Und er schickte ein tiefes Lachen hinterher.
„Leb wohl“, sagte der kleine Prinz, der es nun sehr eilig hatte. Er zog seinen gelben Seidenschal fester.
„Warte noch“, rief der Jäger, „ ich habe dir ein paar Kräuter mitgebracht. Ich glaube, du wirst ihren Duft mögen.“
Er reichte dem kleinen Prinzen einen unscheinbaren Beutel:
„Als kleiner Ausgleich für den großen Schrecken bei deiner Ankunft“, fügte er hinzu.
Der kleine Prinz verstaute den Beutel sorgfältig in seiner Rocktasche.
„Nun leb wohl“, sagte der Jäger, „gute Reise ... und grüß deinen Fuchs von mir!“
Und der kleine Prinz setzte seine Reise zuversichtlich fort.