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Vorwort

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Der Jakobsweg zieht heutzutage Hunderttausende in seinen Bann. Die Zahl der Pilger, deren Ankunft im Pilgerbüro von Santiago de Compostela bisher offiziell registriert worden ist, hat die Grenze von zweieinhalb Millionen bereits überschritten. Die Pilger kommen zwar in ihrer Mehrheit noch aus Spanien, mittlerweile sieht man aber viele Pilger aus allen Erdteilen der Welt. Die Faszination der Pilgerfahrt zeigt sich auch auf dem Büchermarkt und in den Medien. Die Neuerscheinungen bei den Büchern reißen nicht ab. Ist denn nicht alles gesagt, ist denn Forschung zu diesem Thema überhaupt noch möglich?

Zugleich sieht man den Jakobsweg in einem radikalen Wandel begriffen. Aus einigen beschaulichen Wanderwegen in Europa ist ein weit gespanntes Netzwerk von Jakobswegen geworden, das sich von Russland, der Ukraine und dem Balkan bis nach Santiago de Compostela am anderen Ende Europas erstreckt. Die Massenbewegung auf diesen Pilgerpfaden führt zu neuen Sichtweisen im Hinblick auf die Motive der Pilger und den Charakter des Weges.

Die historische Grundlagenforschung hat wertvolle Erkenntnisse über den Jakobsweg und seinen Endpunkt, das Grab des Apostels Jakobus d. Ä. im Nordwesten der Iberischen Halbinsel, publiziert. Begleitend sind umfangreiche Text-Bild-Bände, Reiseberichte, alte und neue Pilgerführer sowie praktische Ratschläge, wie man seine Pilgerfahrt erfolgreich gestalten kann, vorgelegt worden. Heute ein Gesamtwerk über das Phänomen der Pilgerfahrt nach Santiago zu publizieren, hieße, ein mehrbändiges Kompendium von lexikalischen Ausmaßen in Druck zu geben. Gleichwohl gibt es noch immer Lücken, auch manche Irrtümer harren noch einer präzisen Bearbeitung. So haben – überfällige – neue Untersuchungen zur Baugeschichte der Kathedrale von Santiago gerade erst begonnen; auf das Ergebnis darf man gespannt sein. Andere Ergebnisse der Forschung zum Jakobsweg sind an entlegener Stelle publiziert und dem schnellen Zugriff des interessierten Lesers verwehrt.


Die wichtigsten Jakobswege in Europa. Die Hauptrouten von Deutschland nach Spanien waren die Nieder- und die Oberdeutsche Straße.

In dem vorliegenden Buch geht es gar nicht so sehr um die Frage, wo denn nun die Gebeine des »wahren Jakob« liegen, in Jerusalem, Santiago oder Toulouse. Das ist Glaubenssache. Es geht vor allem darum, neue Erkenntnisse facettenartig in einem Zusammenhang mit den bisherigen Ergebnissen der Forschung darzulegen. Überraschende Funde bleiben da nicht aus. Auch bisher ausgesparte Themen des Jakobsweges werden erstmals erörtert, womit keinesfalls die Gewissheit verbunden ist, endgültige Fakten dargelegt zu haben.

Die Diskussion der Sachverhalte soll angeregt werden. Darüber hinaus werden neue Herleitungen altbekannter Motive vorgeschlagen, hier und da andere Akzente gesetzt. Einen wichtigen Schwerpunkt bildet die Epoche des ausgehenden 11. und des 12. Jahrhunderts, die Zeit des ebenso überragenden wie zwielichtigen Erzbischofs Diego II. Gelmirez. Auch angesichts der Bewertung seiner Person und seiner Leistungen ist die Diskussion noch lange nicht an ihrem Ende angelangt.

Der Autor hat das Grab des Apostels Jakobus vor mehr als vierzig Jahren kennengelernt, damals noch begleitet von den Klängen einer franquistischen Militärparade unter den strengen Augen des Diktators Franco. Vor zwanzig Jahren begann dann die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema, deren Forschungsergebnisse hier vorgelegt werden. Zwei große Wanderungen und viele Reisen auf Jakobswegen in ganz Europa lieferten allmählich das weitere Arbeitsmaterial für das Buch. Dabei haben viele Menschen geholfen, in vielen Begegnungen kam es zum Gedankenaustausch, zu Rat und Hilfe. Die Liste derer, denen der Autor Dank schuldet, ist lang. Das beginnt mit der Familie, welche die Zeit für die Reisen und die Bewältigung der Arbeit am Schreibtisch gerne einräumte, das setzt sich über Reisebegleiter, Kollegen und Ansprechpartner an vielen Orten in Europa fort. Manchmal war es schon eine große Hilfe, wenn nur eine Tür geöffnet wurde. Da gilt vor allem den Kustoden und den Inhabern der Schlüsselgewalt in Spanien, aber auch an vielen weiteren Orten, großer Dank.

Das vorliegende Buch versteht sich als Diskussionsbeitrag. Es soll aber auch jedem, der sich für den Jakobsweg interessiert, Informationen und Anregungen bieten und darüber hinaus auch Freude bereiten. Auf einen aufwendigen Anmerkungsapparat wurde deshalb verzichtet. Stattdessen offeriert das ausführliche Literaturverzeichnis denjenigen, die ihr Wissen über den Jakobsweg vertiefen wollen, weiterführende Anregungen. Zum Thema Jakobsweg ist eine lebhafte Forschung im Gange. Der Leser möge die hier vorgestellten Facetten aus der Begegnung des Autors mit dieser alten Wallfahrt als Anregung zu einer weiteren Beschäftigung mit dem Thema nutzen.

Begegnungen am Jakobsweg

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