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Jakobus – ein Helfer des faschistischen Franco-Regimes
ОглавлениеZum Patron Spaniens mit eigenem Nationalfeiertag, abgesehen von einer Erwähnung als »Patron und Herr ganz Spaniens« schon im Jahr 834 (Herbers 2007) und der genannten Rolle des Heiligen in der Reconquista, wurde Jakobus erst im Spanischen Bürgerkrieg, als der spätere Diktator Franco den Zuspruch des hl. Jakobus – und natürlich den der katholischen Kirche Spaniens – für seine fragwürdigen Ziele in Anspruch nahm. Fast ein Jahr nach seinem Putsch gegen die demokratisch gewählte republikanische Regierung erließ Franco während der blutigen Schlacht bei Brunete am 21. Juli 1937 das Dekret Nr. 325, das den Apostel Jakobus zum Landespatron ganz Spaniens bestimmte und den 25. Juli, den Jakobustag, und die Abgaben an die Kathedrale im Sinne des »Voto de Santiago« nach der gefälschten Urkunde des 12. Jahrhunderts festlegte. In der Tat schien wenige Tage später der Apostel bereits seinen Dank an den frommen Diktatur abzustatten. Am 25. Juli 1937 konnte Franco nach Einstellung der Kämpfe den Sieg für sich reklamieren, da die republikanischen Streitkräfte es nicht geschafft hatten, die Straße von der Extremadura nach Madrid unter ihre Kontrolle zu bringen.
Das seit 1150 bestehende »Voto« war nach dem Ende der mittelalterlichen Blütezeit der Wallfahrt noch einmal von König Philipp IV. von Spanien am 25. Juli 1643 erneuert und als nationale Abgabe institutionalisiert worden. Zwar hatte die Cortes, die spanische »Volksvertretung«, bereits am 14. Oktober 1812 zusammen mit dem »Voto de Santiago« alle Vorrechte der Kirche von Santiago de Compostela aufgehoben und neben Jakobus die hl. Teresa von Avila zur Patronin Spaniens ernannt, aber daran fühlte Franco sich nicht gebunden. Die Legende um die Schlacht von Clavijo erlangte damit Gesetzeskraft. Das Dekret Nr. 325 ist bis heute gültig, und alljährlich erweisen in der Nachfolge Francos hochrangige Vertreter des Staates sowie der König bzw. der Kronprinz dem Apostel Jakobus am 25. Juli in der Kathedrale von Santiago die Ehre.
Franco bemühte sich, den Jakobuskult und die Jakobuswallfahrt sowohl für seine innen- wie auch für seine außenpolitischen Zwecke zu instrumentalisieren – und war damit durchaus erfolgreich. Zu Beginn ging es ihm nach dem verheerenden Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 vor allem um die Einheit Spaniens. Versöhnende Motive waren jedoch, wenn überhaupt vorhanden, weit im Hintergrund. Wie in der Legende von Clavijo stand Jakobus nun statt für die Vertreibung der Mauren bis ins 16. Jahrhundert für die Vertreibung der »Kommunisten«, wobei Demokraten, Sozialisten, Gewerkschafter und Liberale mit unter diesen Begriff eingeordnet wurden. Der Apostel Jakobus als »Maurentöter« (Matamoros) wurde zum »Kommunistentöter« (Matacomunistas) und diente dem faschistischen Regime als Identifikationsfigur.
Ein treffendes Beispiel dafür bietet das Kloster Samos am spanischen Jakobsweg, das noch heute ein Ort der Verehrung weniger für Jakobus als vielmehr für den »Kämpfer gegen den Kommunismus«, Generalissimus Franco, ist. Eine große Inschrift im Kreuzgang verkündet dort:
EL:DIA:XXVI:AGOSTO
AÑO:MCMXLIII
FRANCISCO:FRANCO:CAUDILLO.DE:ESPAÑA
VENCEDOR:EN:LA:CRUZADA
CONTRA:EL:COMUNISMO:ACOMPAÑADO
DE:SU:ESPOSA:E:HIJA:SEQUITO
CIVIL:Y:MILITAR
VISITO:ESTE:CENOBIO
MAURO:ABAD
(Am Tag des 26. August des Jahres 1943 besuchte Francisco Franco, Führer Spaniens, Sieger im Kreuzzug gegen den Kommunismus, in Begleitung seiner Frau und Tochter und seinem zivilen und militärischen Gefolge dieses Kloster. Mauro, Abt)
Die Mönche von Samos hatten allen Grund, dem faschistischen Diktator dankbar zu sein. Als ihnen 1951 beim Schnapsbrennen Teile ihres Klosters um die Ohren flogen, gewährte Franco großzügige Hilfe beim Wiederaufbau. Im Zuge der Wiederherstellung des Kreuzgangs ließen die frommen Brüder diesen neu ausmalen. Die dort tätigen Künstler, deren Schaffen vorher dem Malen von schlichten Filmplakaten gewidmet war, lieferten in den Bildzyklen der Klausur einige erotische Szenen – Pin-up-Girls getarnt als himmlische Wesen – ab, die selbst heutigen Pilgern noch Staunen und Schamröte, nicht selten auch ein vielsagendes Grinsen ins Antlitz treiben. Sex und Erotik am Jakobsweg ist, wie noch zu zeigen sein wird, ein mehr als 1000 Jahre altes Thema. Aber die wunderliche im Kloster Samos gepflegte Spiritualität stellt doch eine sehr eigenartige Mischung aus frommem Glaubenseifer und brutalem Sendungsbewusstsein dar, bei dem die Opfer und Unterlegenen im Spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 ihren Jakobus als Patron aller Spanier wohl kaum wiedererkennen mochten.
Die katholische Amtskirche hatte gegen diese Vereinnahmung des Apostels für die faschistische Diktatur nichts einzuwenden, im Gegenteil. Sie strebte die Wiedereinsetzung in ihre Rolle als »Staatsreligion« an, was denn auch offiziell im spanischen Grundrechtskatalog von 1945 verankert wurde. Gleichzeitig wurde sie nun eng in den franquistischen Ständestaat eingebunden und erhielt einen überragenden Einfluss auf das Bildungswesen und die öffentliche Moral. Das zwischen Spanien und dem Vatikan 1953 geschlossene Konkordat sanktionierte all diese Privilegien der katholischen Kirche, die auf diese Weise auch ein wichtiges Repräsentationsrecht in Staats- und Regierungsgremien, in der Cortes, dem Kron- und dem Staatsrat erlangte. Die Kirche wurde zu einem zuverlässigen Stützpfeiler der Franco-Diktatur. Den Segen dazu gab neben Papst Pius XII. notgedrungen der Apostel Jakobus.
Dieser hatte auch seinen Teil zu den Außenbeziehungen des Regimes beizutragen. Zwar war die Jakobuswallfahrt durch den Spanischen Bürgerkrieg und den unmittelbar darauf folgenden Zweiten Weltkrieg fast auf dem Nullpunkt angekommen. Franco erkannte jedoch frühzeitig, dass er hier ein scheinbar unpolitisches Instrument in die Hand bekam, um sich in unverfänglicher Weise in Europa zu präsentieren. Und es gelang ihm tatsächlich, die Geschichte der Wallfahrt als ein europäisches Phänomen darzustellen. Bei diesem Bemühen scheute er auch den persönlichen Einsatz nicht. Am 25. Juli, dem Jakobstag, erschien er regelmäßig in Begleitung hochrangiger europäischer Gäste in Santiago de Compostela, nahm dort vor der Kathedrale eine Militärparade ab, sprach in der Kirche die Weihegebete und ließ zu diesem Anlass sogar Sonderbriefmarken herausgeben. Die Pilgerreise nach Santiago de Compostela blieb zunächst eine innerspanische Erscheinung. Der Erfolg auf europäischer Ebene stellte sich nur sehr langsam ein. Erst als das Franco-Regime schon kurz vor seinem Ende stand, begann auch die Zahl der Pilger aus dem Ausland wieder zu steigen. Bis heute erinnern entlang der Jakobswege auf der Iberischen Halbinsel noch viele Denkmäler und Bildwerk an die faschistische Diktatur in Spanien.