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Ein Heiliger für viele Zwecke – Patrozinium und Zuständigkeit

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Heilige sind Mittler zwischen Gott und den Menschen. Sie zeichneten sich zu ihren Lebzeiten durch ein vorbildliches Leben im christlichen Glauben, gute Werke, Wundertaten und Bekennermut aus, der in vielen Fällen im Martyrium endete. Märtyrer hatten es leicht, zur Ehre der Altäre zu gelangen. Der Tod konnte als persönliches Opfer für den Glauben in der Nachfolge des Todes Christi am Kreuz verstanden werden, weshalb die Christen schon in der Antike die Überzeugung entwickelten, dass die Märtyrer direkt in den Himmel vor das Angesicht Gottes gelangten. Zu den Märtyrern gehörte auch Jakobus d. Ä., da er während der Herrschaft Herodes Agrippa I. über Judäa vermutlich im Jahr 44 n. Chr. in Jerusalem enthauptet wurde. Aber auch ohne seinen gewaltsamen Tod hätte der Rang eines Heiligen für Jakobus nie infrage gestanden. Als Apostel, zumal als einer derjenigen, die von Jesus gleich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens berufen wurden, gab es von den ersten Tagen des jungen Christentums an nie einen Zweifel, dass Jakobus wie auch seine Apostelkollegen weit aus der schnell wachsenden Menge der Christen herausragten.

Ein Verfahren zur Heiligsprechung, wie es die katholische Kirche heute praktiziert, gab es in den ersten tausend Jahren des Christentums ohnehin nicht. Die Christengemeinden und damit das Kirchenvolk bestimmten selbst, wer unter ihnen durch frommen Lebenswandel und besondere Leistungen als Heiliger galt. Einflüsse aus dem antiken Heroenkult waren da durchaus wirksam. Erst ab dem 6. Jahrhundert bedurfte es der bischöflichen Genehmigung, wenn eine feierliche Erhebung der Gebeine eines Kandidaten und ein nachfolgender Totenkult am Grab des neuen Heiligen eingerichtet werden sollten. Schon früh hatten diese neuen Kultorte auch wirtschaftliche Bedeutung. Die Menschen kamen zum Grab des Heiligen, um seinen Beistand zu erflehen, man versuchte Teile, Partikel oder auch Berührungsreliquien des Körpers zu erlangen, Wallfahrten entwickelten sich, Pilger brachten Gaben und Geld. Ein erster Höhepunkt war erreicht, als es nach dem 6. Jahrhundert bald zur Pflicht wurde, in jedem Altar eine Reliquie zu deponieren.

Erst ab dem 10. Jahrhundert zogen die Päpste das Verfahren, Heilige zu kanonisieren, allmählich an sich. Aber noch mehrere Jahrhunderte lang behaupteten auch die Bischöfe das Recht, Heilige zu benennen, wenngleich sich allmählich die Unterscheidung durchsetzte, dass nur die vom Papst anerkannten Persönlichkeiten zu »Heiligen« wurden,

während sich die Kandidaten der Bischöfe mit dem Titel eines »Seligen« begnügen mussten. Ein Verfahren zur Heiligsprechung im modernen Sinne etablierte erst Papst Sixtus V. im Jahr 1588, und dieses wurde bis zum Pontifikat Johannes Pauls II. noch mehrfach verändert und verfeinert. Die Kosten eines solchen Verfahrens haben die Antragsteller zu tragen, für den Vatikan eine wichtige Einnahmequelle. Bei 1799 Heilig- und Seligsprechungen allein in der Amtszeit Johannes Pauls II. verzeichnete der Vatikan eine Einnahme von fast 45 Millionen Euro. Weitere rund 1500 Verfahren sind seither anhängig.

Doch kehren wir zurück zu unserem Pilgerheiligen. Jakobus d. Ä. wird als Heiliger und Patron heute fast ausschließlich in Verbindung mit der Wallfahrt auf dem Jakobsweg gesehen. Davon wird auf den folgenden Seiten noch mehr als einmal die Rede sein. Ein Heiliger, zumal einer aus der ersten Garnitur wie Jakobus d. Ä., hat jedoch noch viele weitere Pflichten und Patronate, welche wiederum eine vermehrte Anzahl von Pilgern und Gläubigen zu seinem Grab strömen lassen. Das ist nicht ungewöhnlich, im Falle Jakobus d. Ä. ist die Liste der Zuständigkeiten jedoch besonders lang. Er ist der Patron von ganz Spanien, aber auch der Stadt Innsbruck und vieler weiterer Orte, die den Namen des Heiligen als Ortsnamen führen. Er ist der Patron der Krieger, selbstverständlich der Pilger und Wallfahrer, der Arbeiter, Schröter und Lastenträger, der Seeleute, der Waisen, Hutmacher, Strumpfwirker, Wachszieher, Kettenschmiede, Apotheker und Drogisten, außerdem zuständig für das Wetter, das Gedeihen von Äpfeln und weiterer Feldfrüchte und Helfer gegen Rheumatismus.

Die meisten dieser Patronate sind für uns heute kaum noch nachvollziehbar und bisweilen nur an lokalem Brauchtum ablesbar. So brachten am 25. Juli, dem in der abendländischen Kirche vorwiegend gefeierten Jakobstag, die Bauern die ersten Äpfel zum Markt, ein Grund, dem Heiligen für eine gute Ernte zu danken. Als Patron der Seeleute ist der hl. Nikolaus von Myra wesentlich bekannter. Das Patronat des Jakobus dürfte daher eher die vielen Pilger im Auge gehabt haben, die von den Britischen Inseln, der Kanal- und der Atlantikküste auf kurzem Weg die gefährliche Seereise nach Nordspanien und weiter nach Santiago wagten.

Zum Patron der Krieger wurde er im Verlauf der spanischen Reconquista, der Wiedereroberung der nach 711 muslimisch gewordenen Gebiete der spanischen Halbinsel ab etwa 718. Hiervon und von der Rolle des Apostels Jakobus ist im folgenden Kapitel ausführlich die Rede. Zu Beginn der erst in der Neuzeit als »Reconquista« bezeichneten

kriegerischen Auseinandersetzungen der christlichen Königreiche im Norden mit muslimischen Gegnern spielte der Apostel Jakobus keine Rolle. Er war nach der fragwürdigen Erhebung seiner Gebeine zu Beginn des 9. Jahrhunderts ein lokaler Heiliger, der nach dem Gebot Christi seinen Feinden verzieh. Zum Kriegerheiligen wurde er, nach dem erhöhten Druck durch die Invasionen der Almoraviden und Almohaden und nicht zuletzt durch den Einfluss der Ritterorden, erst ab dem 12. Jahrhundert, machte in seiner neuen Rolle allerdings rasch Karriere.

Begegnungen am Jakobsweg

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