Читать книгу Wolfgang Nairz - Es wird schon gut gehen - Wolfgang Nairz - Страница 18

„IM STRASSENGRABEN SCHLAFEN WIR, DANN RENNEN WIR ZUM EINSTIEG“

Оглавление

Die erste Winterbegehung der Nordwand des Lyskamms in den Walliser Alpen zusammen mit Andi Schlick und Franz Jäger war zweifelsohne ein Meilenstein deiner Kletterkarriere. Das wird schon klar an der Intensität, mit der du dieses Unternehmen beschreibst. Da ist nichts mehr von der Unbekümmertheit deines Berichts über den Bazanellapfeiler, jetzt geht’s um Ernsteres. Was ist dazwischen geschehen?

Eine Zeitlang hat sich am Stil meiner Bergfahrten nicht viel geändert, außer dass sie immer schwerer wurden. Immer noch sind wir beispielsweise bei Dunkelheit um vier Uhr früh mit dem Fahrrad von Innsbruck in den Wilden Kaiser gefahren, bis auf die Wochenbrunner Alm. Über die Gaudeamushütte sind wir aufs Stripsenjoch und weiter zum Einstieg der Fleischbank oder des Predigtstuhls gerannt. Nach der Tour ging sich noch ein schnelles Bier aus, bevor wir uns wieder aufs Rad geschwungen haben und beim Dunkelwerden in Innsbruck ankamen. Müde, aber glücklich.

1966 steht die Direkte Nordwand der Lalidererspitze, die Rebitsch-Spiegl-Route im Karwendel, in meinem Tourenbuch, die damals zu den ganz schwierigen Touren zählte. Mein Partner ist Gernot Wersin vom Akademischen Alpenklub Innsbruck, der schon ein Auto hatte. Wir fahren am Nachmittag in die Eng, schlafen bis drei Uhr früh im Straßengraben und rennen dann zum Einstieg. Um sieben Uhr steigen wir ein, nach zwölf Stunden Kletterzeit haben wir die Wand geschafft. „Bis jetzt meine schwerste und vor allem gefährlichste Tour. Abstieg und langer Hatscher nach Scharnitz“ steht in meinem Tourenbuch.

Apropos „gefährlichste Tour“: Bist du von Unfällen verschont geblieben?

1969, bei einem 40-Meter-Sturz in der Goldkappl-Südwand, hatte ich – ähnlich wie Hias Rebitsch mehr als 30 Jahre zuvor – Glück im Unglück. Andi Schlick und ich gingen das erste Mal mit Doppelseil. Beim Sturz riss ein Seil, das zweite war zwar auch angeschlagen, aber es hielt. Glücklicherweise konnten wir noch aussteigen.

Du warst inzwischen auch mit neuen Partnern unterwegs.


Lalidererwände (Standort Mahnkopf), Öl auf Leinwand, 50 × 70 cm (Foto Maria Peters)

Mit den Innsbruckern Georg Wurm und Sepp Strickner gelangen schwerste Dolomitentouren. Mit Georg und Günter Wurm habe ich in nur acht Stunden die Matterhorn-Nordwand durchstiegen.

Du hast in der Zwischenzeit die Bergführerprüfung gemacht. Wolltest du dir tatsächlich als Bergführer deinen Lebensunterhalt verdienen?

Nein. Es hat mich einfach interessiert und ich konnte dabei viel lernen. Kursleiter waren Kuno Rainer, Ernst Senn und der legendäre Rudl Steinlechner. Die Ausbildung, die ich 1967 abschloss, war höchst anspruchsvoll, von ganz Österreich kamen die besten Bergsteiger, die Stars darunter waren Walter Almberger und Kurt Diemberger. Von Anfang an verstand ich mich bestens mit Andi Schlick, Franz Jäger und Hansjörg Hochfilzer, meinen späteren Partnern im Himalaya. Dieses Einverständnis betraf nicht nur das Bergsteigerische. Auch abends beim Glasl Wein, beim Singen und Gitarrespielen waren wir auf einer Wellenlänge. Manchmal sind wir erst in der Früh vom Hüttentisch aufgestanden und gleich auf Tour gegangen. Die Lehrer haben das toleriert, weil wir konditionell immer gut mithalten konnten.


Habt ihr damals schon an den Himalaya gedacht?

Zwangsläufig. Wir haben natürlich erfahren, dass Reinhold Messner und sein Bruder Günther zu einer Nanga-Parbat-Expedition eingeladen waren, ebenso die beiden Tiroler Felix Kuen und Werner Haim. Waren die um so viel besser? So reifte im Hinterkopf von Andi, Franz, Hansjörg und mir der Gedanke, das Glück in den Weltbergen einmal selbst zu versuchen. Dazu brauchten wir aber noch Erfahrung.

Nach der Bergführerausbildung arbeiteten wir für eine Bergsteigerschule, von der wir uns in die Westalpen einteilen ließen, sodass wir durchgehend sechs Wochen in Zermatt und Chamonix verbrachten. Am Sonntag trafen wir unsere Gäste, die wir eine Woche betreuen sollten. Von Anfang an legten wir ein solches Tempo vor, dass das Wochenprogramm schon am Mittwoch erledigt war und die Gäste, erschöpft, aber glücklich, am Donnerstag heimfuhren. Wir aber hatten ein überlanges Wochenende ganz für uns zur Verfügung.

Wie war zu dieser Zeit dein Kontakt zu Hias Rebitsch?

Der hat uns immer bestärkt, uns höchste Ziele zu setzen, wir haben aber gewusst, dass uns noch einiges fehlte, nämlich schwere Winterbegehungen in den Westalpen, und so kam es zur Lyskamm-Nordwand.

Die hat in Bergsteigerkreisen, aber auch in den Medien ein großes Echo ausgelöst. Hat sie auch für euch Folgen gehabt?

Zunächst hat sie körperliche Spuren hinterlassen. Franz hatte sich die Zehen erfroren, ein paar davon mussten amputiert werden. Im Innsbrucker Krankenhaus lag zur gleichen Zeit Reinhold Messner mit seinen Erfrierungen von der Rupalwand des Nanga Parbat. Bald waren wir uns einig, gemeinsam auf eine Expedition zu gehen. Josl Knoll und Horst Fankhauser sollten ebenfalls dabei sein, und Oswald Oelz war als Expeditionsarzt vorgesehen.

Warum war gerade der Manaslu das Ziel?

Das hat wieder mit Hias Rebitsch zu tun. Der hat uns einerseits eine Schiene gelegt zu Paul Bauer, dem legendären, politisch nicht unumstrittenen Expeditionsleiter der 1930er-Jahre, der während des Nationalsozialismus die zentrale Figur des organisierten Bergsports war, und andererseits zum Alpenvereinskartografen Erwin Schneider, der wiederum den Nazis offen ablehnend gegenüberstand und – was besonders wichtig war – gute Beziehungen zur Regierung des Königreichs Nepal hatte.

So kam es, dass wir zuerst eine Genehmigung für den Kangchendzönga erhielten, die aber aufgrund des Indisch-Pakistanischen Kriegs wieder gestrichen wurde, und dann, wieder mit Hilfe von Erwin Schneider, eine Bewilligung für den Manaslu. Allerdings nur von der Südseite, von der niemand wusste, wie sie aussah, wie man dort hingelangte und welche Schwierigkeiten uns erwarteten. Wir studierten die einschlägige Literatur und besuchten voller Respekt den legendären „Himalayaprofessor“ Günter Oskar Dyhrenfurth in der Schweiz. Ein einziges Foto und eine Kammverlaufsskizze kramte er aus seiner Schublade hervor, das war alles, was wir von der Südseite des Manaslu zu sehen bekamen.


Vor der Laliderer-Nordwand: Wolfgang Nairz, Hias Rebitsch, Darshano L. Rieser, Reinhard Schiestl

Wolfgang Nairz - Es wird schon gut gehen

Подняться наверх