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„WER HÖHER STEIGT, WIRD WEITER SEHEN“
Оглавление(Reinhard Karl)
Rundherum ist es still. Nicht nur still, sondern auch vollkommen windstill, obwohl wir mit circa 40 Stundenkilometern übers Karwendel gefahren sind und jetzt über Innsbruck dahingleiten. 360 Grad ist der Rundblick, unheimlich der Blick in die Tiefe. Kurz vor Sonnenaufgang bin ich mit dem Heißluftballon in Seefeld gestartet. Schnell hat der Ballon an Höhe gewonnen, die Grate und Gipfel wurden kleiner, die Sicht umso größer. Hinter dem Brandjoch und der Frau Hitt sind wir ins Inntal hinausgefahren, nur getrieben vom Wind. Man spürt aber keinen Fahrwind, wir ziehen gleich schnell dahin wie der Wind.
Die Sonne ist inzwischen aufgegangen. Grausilbern glänzen im Norden die Karwendelketten, silbergrün blitzt der Inn herauf, der sich vom Oberinntal kommend friedlich durch Innsbruck schlängelt und allmählich im Unterinntal entschwindet. Weit fliegt der Blick zu den Bergen hinunter: Bernina, die Ötztaler Alpen mit der Wildspitze, die Stubaier und Kalkkögel, das Wipptal, das zum Brenner führt, Tuxer und Zillertaler Alpen – bis zum Glockner und Großvenediger reicht der Blick, und im Süden grüßen die Dolomiten. Nichts kann die Schönheit dieses Panoramas stören.
So weit sieht man natürlich nicht, wenn man hoch über den Dächern von Innsbruck zu Fuß unterwegs ist: am Innsbrucker Klettersteig zum Beispiel – einer meiner Lieblingswege dort oben –, der vom Hafelekar über die Gipfel und Grate der Nordkette bis zum Frau-Hitt-Sattel führt. Leitern und Seile erleichtern die Auf- und Abstiege, immer wieder balanciert man über die Grate. Der Klettersteig spielt mit den Reizen der ihn begleitenden Kulisse: im Norden die Einsamkeit des Karwendels, zu Füßen die Stadt Innsbruck, und der Blick nach Süden ist zwar nicht so unendlich wie aus dem Ballon, aber doch großartig. Und vor allem spürt man hier heroben die Gewalten der Natur, der Wind fährt durch die Haare, man hört die Dohlen pfeifen, die einen während des ganzen Tages begleiten, und sein Glück muss man sich erst erarbeiten. Ich liebe es, Innsbruck aus der Vogelperspektive zu erleben. Fast jedes Jahr bin ich einmal dort oben unterwegs und dabei werden Erinnerungen an die Sonnwendfeuer meiner Jugend wach.