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Entmythologisierung und existenziale Interpretation bei Rudolf Bultmann

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1962 schließt Hasenhüttl seine theologische Dissertation an der Gregoriana unter der Betreuung des Professors für protestantische Theologie Johannes Witte S.J. ab. Sie erscheint 1963 unter dem Titel „Der Glaubensvollzug. Eine Begegnung mit Rudolf Bultmann aus katholischem Glaubensverständnis“. |24|Der Biograf Bultmanns, Konrad Hammann, betont, dass eine solche Arbeit nur im Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils möglich war, „das der Beschäftigung katholischer Theologen mit dem Denken Bultmanns zuträglich war“. Hasenhüttls Auseinandersetzung mit dem Theologen der Entmythologisierung und der existenzialen Interpretation stellt nach Hammann „in der Geschichte der katholischen Bultmannrezeption einen Durchbruch“ dar: „Hasenhüttls dialogisch angelegte, ebenso aspektreiche wie subtile Analyse eröffnete gerade dadurch neue, fruchtbare Perspektiven, dass sie reformatorische Grundeinsichten und das katholische Glaubensverständnis in Beziehung zueinander setzte“ (Hammann 2009, S. 445).

Rudolf Bultmann (1884–1976) äußert sich selbst zur Arbeit Hasenhüttls in einem ausführlichen „Geleitwort“. „Ein solches Verständnis meines Anliegens und meiner Arbeit wie in diesem Buch habe ich selten gefunden, sowohl in der protestantischen wie in der katholischen theologischen Literatur“. Alle Grundthemen seines theologischen Ansatzes sieht er bei Hasenhüttl wahrgenommen und sachgemäß beschrieben: „Besonders wichtig ist es, dass er – im Unterschied von den meisten meiner Kritiker – klar gesehen hat, was ich als die paradoxe Identität des historischen und eschatologischen Geschehens in der in Christus sich ereignenden Heilstat Gottes bezeichne. Damit ist aber auch gegeben, dass er sieht, in welchem Sinne ich, indem ich Zeugnis von bloßer Mitteilung unterscheide, von der Gegenwart des eschatologischen Geschehens in der Verkündigung der Kirche rede. Eine verständnisvolle Interpretation setzt, auch wenn sie eine kritische ist, eine innere Gemeinsamkeit zwischen dem Interpreten und dem Interpretierten voraus: die Bewegtheit durch die gleiche Problematik, die Bezogenheit auf die gleiche Sache“. Bultmann fährt fort: „So glaube ich mit dem Verfasser einig zu sein, wenn er den Glaubensvollzug charakterisiert als das Sich-selbst-bestimmen-lassen durch die Begegnung mit Christus (als dem Ereignis der Liebe Gottes), als personalen Vollzug, als eschatologisches Ereignis, das – als Ereignis – stets neu ist in der Weise, dass dieses ‚Neu‘ ein ewig bleibendes ist, weil es sich im Vollzug durchhält“ (1963, S. 9f.).

Als der Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Unversität Marburg am 26./27. Oktober 1984 ein wissenschaftliches Symposium anlässlich des 100. Geburtstags von Rudolf Bultmann ausrichtet, hält Hasenhüttl den Festvortrag zu der Frage, die sowohl Bultmann als auch ihn selbst zeitlebens beschäftigte: „Wie ist Glaube an Gott heute möglich?“ Er |25|dokumentierte dabei auch sein eigenes theologisches Anliegen: So, wie Bultmann die biblischen Schriften entmythologisierte und einer existenzialen Interpretation unterzog, wollte er selbst das christliche Dogma verstehbar und als Sinnangebot für den Menschen deutlich machen.

Nach Beendigung aller Prüfungen im Rahmen seiner theologischen Promotion – zu der auch gehörte, dass der Kandidat morgens um 8.00 Uhr ein Thema gestellt bekam, über das er um 17.00 Uhr eine dreiviertelstündige Vorlesung in lateinischer Sprache halten musste – und nach der Priesterweihe wurde Hasenhüttl von seinem Grazer Bischof Schoiswohl als Kaplan nach St. Lorenzen im Mürztal in der Steiermark berufen. Dort wirkte er von September 1962 bis zum 31. Dezember 1963. Neben den Aufgaben in der Pfarrei übernahm er dabei auch den Unterricht in einer Grundschule. Die äußeren Umstände entsprachen der vorkonziliaren Zeit: Der Kaplan hatte beim Pfarrer und Dechanten zu wohnen, Besuch nach 22.00 Uhr war nicht erlaubt. Als Gehalt wurden dem Kaplan direkt vom Pfarrer 200 Schilling im Monat überwiesen, was heute etwa 30,00 Euro entspricht. Der Jahresurlaub von zweimal sechs Tagen war jeweils von Montag bis Samstag zu nehmen, damit der Sonntagsgottesdienst gesichert war. Nur an diesen wenigen freien Tagen konnte der Führerschein erworben werden. Eigeninitiative in Seelsorge und Gemeindearbeit war nicht erwünscht. Jede Freiheit war so weit als möglich eingeschränkt. Diese konkreten Erfahrungen an der kirchlichen Basis ließen Hasenhüttl nach Alternativen suchen. Seine späteren Bücher über das Wesen und die Struktur der kirchlichen Glaubensgemeinschaft sind auch als Reaktion auf die in der praktischen Seelsorge gemachten Erfahrungen zu verstehen.

Gotthold Hasenhüttl

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