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Praktische Vorbilder
ОглавлениеDie in der gemeinsamen Kommunion praktizierte Ökumene ist an sich nichts Neues. In vielen Pfarrgemeinden wird zum Beispiel auch einem |40|nicht katholischen Ehepartner auf dessen Wunsch hin das eucharistische Brot gereicht, wenn dieser es – etwa bei der Erstkommunion der Kinder – wünscht. Öffentlich geäußert wurde dieser weitverbreitete Wunsch nach einem gemeinsamen eucharistischen Mahl bereits beim Ökumenischen Pfingsttreffen 1971 in Augsburg. In mehreren der 32 angebotenen Gottesdiensten feierte man Abendmahl oder Eucharistie und praktiziert gemäß dem „Volkswunsch“ auch offene Kommunion. Der damals für Augsburg zuständige Bischof Josef Stimpfle (1916–1996) protestierte. „Doch im großen Gottesdienst-Arbeitskreis wird mit deutlicher Mehrheit eine Resolution angenommen: Es sei eine für ökumenische Gruppen und konfessionsverschiedene Ehepaare gemeinsame Eucharistiefeier zuzulassen, und jedem Christen gleich welcher Konfession möge in jeder christlichen Kirche der Kommunionempfang ermöglicht werden. So würde in der Tat in den verschiedenen Konfessionen die eine christliche Kirche sichtbar werden“ (Küng 2007, S. 340f.). Über die zahlreichen Verbote und Drohungen als Reaktion der offiziellen Kirche schreibt Hans Küng in seinen Erinnerungen: „Sie ignorierte glatt den Wunsch ihrer Gläubigen, ja, sie verhinderte jahrzehntelang ein weiteres ökumenisches Treffen. Natürlich in der begründeten Angst, es würden dieselben Forderungen laut und gemeinsame Eucharistie einfach praktiziert“ (ebd.). Erst im Jahre 2000 fand in Deutschland auf Einladung der „Initiative Kirche von unten“ in Hamburg ein weiterer öffentlicher ökumenischer Gottesdienst unter der Leitung des Trierer Pfarrers und Religionslehrers Hermann Münzel statt, bei dem zu einem gemeinsamen Empfang der Eucharistie eingeladen wurde. Münzel wurde danach vom Priesteramt suspendiert, bis er erklärte, dass er seine Tat bereue und sie nicht wiederholen werde.
Einen „interessanten Vorstoß“ nennt Hasenhüttl das so genannte „Straßburger Modell“. 1972 verfasste der lutherische Theologe Gérard Siegward einen offenen Brief an den damaligen Straßburger Bischof Léon Arthur Elchinger (1908–1998) mit der Bitte, konkrete Schritte hin zu einer eucharistischen Gemeinschaft aller Christen zu ermöglichen. Die bisher oft praktizierte eucharistische Gastfreundschaft innerhalb der Pfarrgemeinden sollte nicht mehr gleichsam „geheim“ geschehen, sondern in Einzelfällen eine offene Möglichkeit werden. Bischof Elchinger bestätigte nach dreijähriger Beratungszeit diese Position und erklärte, dass die Eucharistie für alle da sei und dass auch die nicht katholischen Christen zum Leib Christi gehörten. Während die französischen Bischöfe diesem Vorstoß weitgehend zustimmten, gab es von den deutschen Bischöfen |41|viel Kritik (vgl. 2010, S. 114ff.). Auch der Nachfolger von Bischof Elchinger unterstützte die Offenheit: „Bei einer charismatischen ökumenischen Versammlung in Plobsheim (16.7.2000) nahmen etwa 600 Christen unterschiedlicher Denominationen am katholischen Gottesdienst teil und empfingen die Kommunion. Im selben Jahr (30.7.2000) fand in Straßburg die 32. Konferenz der Internationalen Ökumenischen Gemeinschaft statt. Bei der katholischen Eucharistiefeier im Straßburger Münster kommunizierten Anglikaner, Altkatholiken, Orthodoxe, Lutheraner, Reformierte, Freikirchler u.a. Sie alle waren eingeladen. Zwei Jahre darauf (30.7.2002) fand wieder bei der Konferenz der Internationalen Ökumenischen Gemeinschaft im anglikanischen Dom zu Lincoln eine katholische Messfeier statt. Sie war die erste seit 470 Jahren. Der anglikanische Bischof von Lincoln nahm in vollem Ornat und mit Bischofsstab am Gottesdienst teil und empfing die Kommunion. 30 ordinierte Männer und Frauen nahmen teil: Anglikaner, Altkatholiken, Lutheraner, Reformierte, Methodisten, Baptisten, Böhmische Brüder usw. Sie alle nahmen im Altarraum Platz und empfingen die Eucharistie in ihrer liturgischen Kleidung“ (2010, S. 116).
Nach vielfältigen wissenschaftlichen Diskussionen um Inhalt und Form der Sakramente sowie insbesondere um die konkrete Gestaltung und die Zulassungsbedingungen des Sakraments der Eucharistie nahmen die Stimmen derer zu, die auf konkrete Umsetzungsmöglichkeiten und eine zeitnahe ökumenische Praxis drängten. Unter anderen unterstrichen die drei Ökumenischen Institute von Straßburg, Tübingen und Bensheim, dass letztlich nicht die Zulassung getaufter Christen zum gemeinsamen Abendmahl einer Begründung bedarf, sondern vielmehr gerade deren Ausschluss – wenn es eine solche Begründung überhaupt gibt. Ökumene dürfe sich nach Ansicht der Institute nicht nur auf Randphänomene beschränken, sondern müsse in Christus selbst und in seiner Gegenwart im Sakrament erfahrbar gelebt werden. Christus lade zur Eucharistie ein, nicht die Amtsträger der einzelnen Konfessionen. Tischgemeinschaft fördere und bedinge Kirchengemeinschaft und nicht umgekehrt. Bereits durch die Taufe, die von allen christlichen Kirchen anerkannt wird, stünden die Christen in dieser Gemeinschaft, auch wenn diese noch nicht überall sichtbar und vollkommen ist.
Hasenhüttl zitiert in seiner Darstellung der bisherigen Schritte hin zu einem gemeinsamen eucharistischen Mahl auch das Votum seines früheren Tübinger Kollegen, des späteren für die Ökumene zuständigen Kurienkardinals Walter Kasper von 1970: „Die eigentliche Irregularität sind |42|nicht solche offenen Kommunionfeiern, sondern die Spaltung und gegenseitige Exkommunikation der Kirchen. Die nicht positiv genug zu würdigende Funktion einzelner Gruppen, welche hier vorpreschen, ist es, dass sie den Kirchen den Skandal ihrer Trennung der Einheit immer wieder vor Augen führen und dafür sorgen, dass wir uns nicht bequem mit dem Status quo abfinden. Deshalb können einzelne gemeinsame Eucharistiefeiern, wenn sie in christlicher Verantwortung begangen werden, ein Zeichen der Hoffnung sein, dass die trennenden Gräben aus der Vergangenheit durch gemeinsame Anstrengung überwunden werden könne, indem sie sich alle im Glauben an den einen Herrn um den einen Tisch versammeln, um das Brot zu teilen, und sich zu einem Leib verbinden lassen“ (zitiert nach 2010, S. 119f.). Ob sich Kardinal Walter Kasper an seine eigenen Ausführungen erinnerte, als in seiner Anwesenheit in den Sitzungen der römischen Glaubenskongregation vom 13. Oktober 2004 und vom 10. November 2004 „kollegial entschieden“ wurde, den Einspruch Hasenhüttls gegen seine Suspendierung zurückzuweisen?