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13.

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Außenhafen Papenburg

Als sie den Bagger vorsichtig im Außenhafen angelegt hatten, standen schon ein Rettungswagen und ein Einsatzfahrzeug der Polizei am Anleger.

»Pieter, kannst du hier oben die Stellung halten?«, bat Henk. »Ich kümmere mich um die Obrigkeit.«

Der Maschinist nickte nur, und es war ihm anzusehen, was er dachte: Besser du als ich …!

Henk de Olde ging zur Relingspforte und half einem Sanitäter, dem Notarzt und zwei Beamten der Wasserschutzpolizei an Bord. »Ich bin der Schiffsführer des Baggers und habe Sie über Funk alarmiert.«

Einen der Beamten kannte er von diversen Kontrollen, die der an Bord des Baggers über die Jahre durchgeführt hatte. Im Grunde waren Henk de Olde und Onno Elzinga am Fluss gemeinsam älter geworden. Als junger Beamter war Elzinga sehr streng gewesen, aber mit den Jahren war er doch spürbar gnädiger geworden.

Onno Elzinga stellte ihm die anderen Männer vor und bat Henk de Olde, sie zu dem Toten zu führen.

»Er liegt auf der anderen Seite des Baggers«, erklärte Henk. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen … Aber bitte vorsichtig, das Deck ist noch nass. Und besonders vorsichtig mit dem Kopf – die Rohrleitungen!«

Wortlos folgten sie dem Schiffsführer zum Saugrohr auf der Backbordseite.

Der Notarzt untersuchte den Leichnam oberflächlich und machte die Polizeibeamten auf die Stichwunden am Körper aufmerksam. »Unnatürlicher Tod – wohl eindeutig«, sagte er und begann, den Totenschein auszufüllen. »Hier können wir nichts mehr ausrichten. Herr Elzinga. Wenn Sie nähere Informationen haben, insbesondere die Personalien, melden Sie sich bitte. Ich gebe Ihnen meine Karte. Tschüß.«

Der hat es aber eilig, dachte Henk. »Nehmen Sie den nicht mit?«

Onno Elzinga sah ihn an. »Ich weiß, dass Sie ihn loswerden wollen, aber wir müssen auf die Kriminalpolizei warten. Es geht nicht anders.«

In diesem Moment hielt der Einsatzwagen der Spurensicherung am Anleger. Die Männer stiegen aus und zogen sich weiße Overalls an.

Onno Elzinga half den Kollegen, die Ausrüstung an Bord zu bringen. Die Spurensicherungsbeamten begannen mit ihrer Arbeit bei der Leiche. Elzinga, sein Kollege Ferdinand Diekmann und Henk de Olde gingen zusammen auf die Schiffsbrücke. Der Schiffsführer zeigte den WSP-Beamten auf der Seekarte, wo sie den Toten gefunden hatten, und die Polizisten notierten die Personalien der Besatzung für den Bericht.

»Die Kollegen der Kripo werden nach der Leichenschau sicher noch einige Fragen an Sie haben«, kündigte Onno Elzinga an.

»Wie wär’s bis dahin mit einer Tasse Kaffee und einigen Schokokeksen, meine Herren? Schokolade ist Nervennahrung und die kann ich im Moment gut brauchen.« Ein doppelter Genever wäre allerdings noch besser, fügte Henk de Olde in Gedanken hinzu.

Stefan Gastmann und Albert Brede von der Tatortgruppe sahen sich inzwischen an Bord des Baggers um.

»Mal ein anderer Tatort, Albert. Hauptsache du wirst nicht seekrank«, frotzelte Gastmann.

»Pass du langes Elend lieber auf deinen Kopf auf«, konterte Brede. »Diese Rohrleitung … verdammt tief.«

Sie machten mit der neuen Digitalkamera als Erstes einige Übersichtsaufnahmen. Dann gingen sie daran, den Toten an Deck abzulegen.

»Sei bloß vorsichtig«, mahnte Brede. »Wenn der uns ins Wasser fällt … Wissen wir denn schon, um wenn es sich handelt?«

Gastmann untersuchte die Kleidung des Toten. »Pech gehabt – keine Brieftasche oder Ähnliches.« Er sah in Richtung des Ruderhauses. Ein Beamter der Wasserschutzpolizei beobachtete ihre Arbeit. »Albert, ich frag mal die Kollegen, ob die schon was über den Mann wissen.«

Brede stülpte Plastiktüten über die Hände des Toten und befestigte sie. Im Brustbereich und am Hals stellte er mehrere Stichwunden fest.

Stefan Gastmann kam zurück. »Fehlanzeige, die Kollegen können auch nichts zur Identität sagen. Besatzungsmitglieder von Schiffen oder Sportbooten werden aktuell nicht vermisst.«

»Pack mal mit an«, bat Brede, »ich möchte ihn von der anderen Seite sehen.« Vorsichtig drehten sie die Leiche auf den Rücken. »Hier sind auch einige Verletzungen. Die sind aber vermutlich nach dem Tod eingetreten. Halt mal den Maßstab, damit ich einige Aufnahmen machen kann.«

»Die Arme und Beine fühlen sich merkwürdig an«, sagte Stefan Gastmann.

»Ja«, bestätigte Alfred, »als wenn einige Knochen gebrochen sind.«

»Schiffsschraube?«

»Glaub ich nicht, solche Verletzungen sehen anders aus.« Albert Brede nahm sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer seiner Dienststelle. »Hallo, hier ist Albert – sind hier bei einem Toten, haben aber keine Hinweise auf seine Identität. Ich beschreib euch den mal und ihr schaut in die Vermisstenanzeigen, ob wir dort eine Übereinstimmung finden …«

Während Albert Brede telefonierte, sah sich Stefan Gastmann die Verletzungen des Toten genauer an. Der oder die Täter hatten mehrfach vermutlich mit einem schmalen Messer zugestoßen. Entweder war der Täter mächtig sauer gewesen oder er hatte auf Nummer sicher gehen wollen. Aber wie und warum war der Tote ins Wasser gelangt? Diese Knochenbrüche waren ein weiteres Rätsel.

Bredes Handy klingelte. »Brede«, meldete er sich. »Oh, das ging ja schnell …! Warte, ich schreib mit …« Dann drehte er sich zu seinem Kollegen um und wies auf den Toten. »Darf ich vorstellen, Stefan: Bernd Vogelsang. Er ist ein Umweltschützer und wird vermisst. Ein Streifenwagen ist zu seiner Adresse unterwegs. Sie melden sich. Ich glaub, wir beeilen uns besser. Kann sein, dass wir noch zu einem weiteren Tatort müssen.«

Onno Elzinga schaute um die Ecke. »Na, Kollegen, wie wär’s mit einer Tasse Kaffee im Ruderhaus?«

»Gerne«, sagte Stefan Gastmann, »dann können wir uns gleich einige Notizen zum Ablauf machen.«

»Der Kaffee ist gut«, lobte Albert Brede, »danke.«

Onno Elzinga schilderte ihm den Ablauf des Leichenfundes. »Und dann haben wir euch alarmiert.«

Bredes Diensthandy klingelte wieder. Er meldete sich und hörte einen Moment zu. »Ich hab’s mir gedacht«, sagte er dann. »Die Absperrung, na klar …Wir sind unterwegs.« Er steckte das Handy ein. »Stefan, pack zusammen, wir haben einen neuen Einsatz. Kollege Elzinga, bitte auf den Bestatter warten und Abtransport sicherstellen, zur Gerichtsmedizin Oldenburg, und Bericht mit Daten an uns.«

Onno Elzinga schaute etwas schräg, aber Stefan war schon an die spezielle Ausdrucksweise seines Kollegen gewöhnt. Irgendwie hatte man stets das Gefühl ›Da fehlt doch was …?‹ Bei Aufregung übersprang Albert Brede gern mal ein Wort.

Während Stefan Gastmann zusammen mit Onno Elzinga die Ausrüstung im Tatortfahrzeug verstaute, saß Albert Brede schon auf dem Beifahrersitz und gab Vogelsangs Adresse in das Navigationsgerät ein. »Stefan, fahr langsam«, sagte er, als sein Kollege einstieg, »wir haben es eilig.«

*

Westoverledingen

Nach dreißig Minuten hatten sie das einsam gelegene Haus erreicht.

»Ich glaube, Herr Vogelsang legte keinen großen Wert auf Nachbarschaft«, sagte Stefan Gastmann. Er hielt hinter einem auf der Auffahrt geparkten Streifenwagen.

Die uniformierten Kollegen kamen ihnen entgegen und stellten sich als Streifenbesatzung der örtlichen Dienststelle vor. Der ältere Uniformierte hatte einen leichten Silberblick und sprach Hochdeutsch mit einem starken Akzent. »Moin!« Er zeigte auf seinen Partner. »Kollege Michael Pesche und ich bin Stinus Wurpts. Euch beide kenne ich. Bin ja schon lange bei diesem Verein.« Er deutet auf das Haus vor ihnen. »Die Haustür ist nicht verschlossen. Im Flur sieht es schlimm aus. Umgestürzte Möbel und ich glaube, da ist auch ’ne Menge Blut auf dem Bodenbelag. Im Haus ist aber niemand, wir haben alles durchsucht. Der Fernseher im Wohnzimmer lief noch. Es hätte ja sein können, dass sich Verletzte im Haus befinden. Wir haben nichts angefasst oder verändert und waren sehr vorsichtig.«

Stefan Gastmann war beeindruckt. Man sollte die uniformierten Kollegen doch nicht unterschätzen.

Albert Brede hatte zunächst regungslos zugehört. Ein kurzes Nicken, mehr durfte man von ihm wohl nicht erwarten.

»Kollege Wurpts, kennen Sie den Bernd Vogelsang?«, fragte Stefan Gastmann.

»Ja, er ist ein engagierter Umweltschützer. In letzter Zeit hat er aber Probleme. Er hat sich bei uns beschwert, weil er wegen der Sache mit den verendeten Rindern beschimpft und bedroht worden war. Dann noch die Geschichte mit seiner Mutter. Schweren Herzens musste er sie im Altenheim unterbringen. Er lebt jetzt alleine hier.«

»Danke Kollegen, damit können wir uns schon ein Bild machen«, sagte Gastmann.

Albert Brede fragte den Stationsbeamten: »Können Sie mir zeigen, wo Sie durch den Flur gelaufen sind?«

Stinus Wurpts ging voran und drückte vorsichtig die Eingangstür des Hauses auf. Die Männer sahen in den Flur, wo verschiedene Gegenstände verstreut auf dem Boden lagen. Wurpts ging um die Tür herum und die Kollegen folgten ihm. Im Flur blieb er stehen. »Michael und ich sind dann dicht an der Wand lang, also wo man normalerweise nicht läuft. Denselben Weg haben wir zurück genommen. Klinken und Türen haben wir außerhalb des normalen Griffbereichs berührt.«

Wurpts’ Schilderung wurde vom Kollegen Brede nur durch ein kurzes Nicken kommentiert.

»Sehr gut, Kollegen«, lobte Stefan Gastmann, »alles richtig gemacht. Den Rest könnt ihr uns überlassen.«

Als die Uniformierten außer Hörweite waren, sagte Gastmann: »Hättest ja auch mal ein paar nette Worte sagen können. Die haben das doch hier ordentlich gemacht.«

Als Antwort verzog Brede nur mürrisch das Gesicht.

Die Kriminalbeamten sahen sich nacheinander alle Räume im Haus an.

»Na, Stefan, was ist hier passiert?«, fragte Brede. »Was sagt dir der Tatort?«

»Ich stell mir das so vor …«, begann Gastmann und wies in Richtung Wohnzimmer, aus dem TV-Licht flackerte und Stimmen zu hören waren. »Das Opfer hatte den Fernseher eingeschaltet. Vermutlich klingelte der oder die Täter an der Tür.« Er drehte sich zur Haustür um. »Das Opfer öffnete die Eingangstür. Es gibt keine Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen. Kannte er seinen Besucher?« Er ging ein paar Schritte und schaute ins Wohnzimmer. »Die Möbel sind umgestürzt und beschädigt. Es muss ein Kampf stattgefunden haben. Die Blutspuren – insbesondere die große Blutlache hier vorne – sprechen dafür, dass eine Person erheblich verletzt wurde und dort einige Zeit lag.«

»Eins versteh ich nicht«, sagte Brede. »Wie gelangte das Opfer in die Ems? Warum lässt man ihn nicht einfach hier im Flur liegen?«

»Das ist ’ne gute Frage«, seufzte Gastmann, »leider nicht die einzige.«

»Der Ablauf ist aber schlüssig«, bestätigte Brede ihm, »auch wenn wir daran denken, wie unser Toter aussah.«

»Aber wie sind die Knochenbrüche entstanden?«, fragte Gastmann. »Hier beim Kampf – oder nach Eintritt des Todes, und die Brüche wurden durch das Saugrohr verursacht?«

»Egal«, winkte Brede ab, »nach der Obduktion wissen wir mehr. Du kannst schon mal mit den Außenaufnahmen beginnen. Ich werde Dirksen Bericht erstatten.«

Emsgrab

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