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14.

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Uferpromenade Hafen Leer

»Jan, sind wir hier fertig?«

Die Stimme drang langsam wie durch Nebel in sein Bewusstsein. Jan Broning drehte sich langsam zu seinem neuen Kollegen Stefan Gastmann um.

Der Tote lag auf dem Holzanleger der Hafenpromenade. Die Meldung über den Leichenfund war vor einer halben Stunde beim 1. Fachkommissariat eingegangen.

»Jan, das ist ohne Zweifel unser vermisster Bootjefahrer Hauck aus Rhauderfehn.« Die Ehefrau hatte noch in der Nacht die Vermisstenanzeige erstattet. Ein Spaziergänger hatte die Leiche in Bauchlage treibend im Hafenbecken gesichtet und die Kollegen von der Wache alarmiert. Die hatten den Toten auf die Uferpromenade gezogen und den Holzanleger beidseitig abgesperrt.

»Haben wir denn schon alles erledigt, Stefan?«

Der neue Kollege war sichtlich nervös. Er wollte keine Fehler begehen und hatte zudem offenbar großen Respekt vor Broning – das machte die Aufgabe für ihn auch nicht leichter. »Wir haben die Fotos für den Bildbericht«, sagte Stefan Gastmann. »Bei der Leichenschau haben wir keine postmortalen Verletzungen festgestellt. Außerdem haben wir die Brieftasche des Toten gefunden. Sie ist eindeutig Eigentum des Vermissten Hauck. Die Verletzung am Schädel in Höhe des Hutrandes an der rechten Schläfe wurde ebenfalls dokumentiert.« Er zeigte Broning die Bilder im Display der Digitalkamera.

Broning sah sich noch einmal genau das Gesicht des Toten an. Die Identifizierung durch die Ehefrau würde nicht einfach werden, vielleicht sollte er den neuen Notfallseelsorger um Unterstützung bitten. »Sehr schön, Stefan. Und was ist deiner Meinung nach nun passiert?«

»Also, äh, entweder wurde er niedergeschlagen oder er ist, schlicht formuliert, ausgerutscht und ins Wasser gefallen.«

»Das sind zwei Möglichkeiten. Stefan. Entscheide dich für eine.«

Broning erntete nur Schweigen. Die jungen Kollegen legten sich nicht gerne fest, aus Angst, sie könnten danebenliegen. »Stefan, die Brieftasche ist noch da. Raubüberfall scheidet dann ja wohl aus. Die Ehefrau machte auch nicht den Eindruck eines Totschlägers. Was können wir also noch unternehmen, um den Sachverhalt zu rekonstruieren?«

»Obduktion?«, schlug Stefan zögerlich vor.

»Ja, später. Aber was können wir noch hier vor Ort tun?«

Keine Reaktion.

»Zeugen, Stefan«, sagte Jan Broning geduldig. »Zeugen suchen und befragen. Die mühselige, aber notwendige Polizeiarbeit. Als Erstes solltest du die anderen Bootjefahrer befragen, bevor die den Hafen verlassen. Die Kneipen in der Nähe nehmen wir uns anschließend vor. Es fehlt aber immer noch etwas.«

Stefan legte die Stirn in Falten und fragte vorsichtig: »Was glaubst du denn, was passiert ist, Jan?«

Schön ausgewichen, dachte Broning. Aber er wollte den Neuen nicht weiter unter Druck setzen. »Der Tote ist treibend aufgefunden worden. Also ist der Mann nicht im eigentlichen Sinne ertrunken, sondern erstickt. Das bedeutet, bei der Obduktion in der Gerichtsmedizin wird kein Wasser in der Lunge festgestellt, aber dafür vermutlich ein erheblicher Blutalkoholwert. Gestern hat es stark geregnet, der Holzanleger war deshalb sehr glatt.«

Stefan nickte und Jan Broning fuhr fort: »Die Frau hatte ausgesagt, ihr Mann wollte noch ein Glas Bier trinken gehen. Also, unser Bootjefahrer verließ sein Boot, um sich noch einen Schluck zu genehmigen. Er ging dazu in eine Kneipe, nicht so weit entfernt, wegen des Regens. Entweder trank er zu viel oder er hat den Alkohol schlecht vertragen und wollte zurück zum Liegeplatz. Das Boot liegt hinter dem etwa einen Meter hohen Geländer und es gibt keine Durchgangspforte oder Ähnliches. Herr Haack musste also über diese rutschige Stufe des Geländers klettern. Dazu kommen jetzt noch der unsichere Gang, bedingt durch Alkohol, und das rutschige, nasse Holz. Er rutscht aus und schlägt mit dem Kopf entweder auf den Holzanleger oder gegen das Boot. Deshalb ist es wichtig …«

»… den Anleger und das Boot nach eventuellen Blut- oder Haarspuren abzusuchen«, vervollständigte Stefan.

»Genau. Alkohol und Wasser – das ist eine verdammt gefährliche Mischung, Stefan.« Broning lehnte sich auf das Geländer der Holzpromenade. Sofort schweiften seine Gedanken ab und führten ihn wie schon so oft zurück in eine bessere Zeit.

Er verstand immer noch nicht, wie schnell sich sein bisheriges Leben in dieses Elend hatte verwandeln können. Vor genau 330 Tagen … Broning konnte sich noch an jede Einzelheit erinnern.

*

330 Tage zuvor

Er hatte an seinem Schreibtisch im ersten FK gesessen, als das Telefon geklingelt hatte. Die Nummer im Display hatte angezeigt, dass sein Chef Renko Dirksen am Apparat war.

»Unser neuer Chef möchte sich vorstellen und zunächst alle Fachkommissariatsleiter kennenlernen«, hatte Renko gesagt. »Ich weiß, du bist noch kein Fachbereichsleiter. Aber es wurde ausdrücklich um deine Anwesenheit gebeten.«

»Wann und wo?« Broning verdrehte die Augen und sah zur Decke.

»In einer Stunde im Besprechungsraum vierte Etage.«

Broning stöhnte. »Renko, du weißt, ich habe hier alle Hände voll zu tun …«

»Ich weiß, du magst solche Veranstaltungen nicht, aber es muss sein.«

»Na gut.« Broning seufzte. »Ich ruf dann meine Frau an und sage ihr, dass ich später nach Hause komme.«

Zu diesem Zeitpunkt hatte Broning noch geglaubt, dass Brigitte zu Hause mit den Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigt war. Er hatte sich, so oft es ging, den Luxus gegönnt, mittags zu Hause zu essen.

Aber tatsächlich war Brigitte Broning auf dem Weg zur Arbeit gewesen. Sie war gebeten worden, kurzfristig für eine erkrankte Kollegin einzuspringen. Ihr Handy steckte wahrscheinlich wie immer in ihrer Handtasche, die auf dem Beifahrersitz ihres Kleinwagens lag.

Auf der Autobahn war nicht viel Verkehr gewesen und Brigitte in Gedanken wahrscheinlich bei ihrer Mutter. Seit die einige Tage zuvor ins Pflegeheim umgezogen war, plagte Brigitte ihr schlechtes Gewissen – trotz aller vernünftigen Argumente, die für den Umzug gesprochen hatten.

Sie sollte ihre Mutter zunächst nicht besuchen, um die Eingewöhnung zu erleichtern. Den Pflegern hatte sie für alle Fälle aber ihre Handynummer gegeben, und ihrer Mutter auch.

Als das Handy zum ersten Mal klingelte, hatte Brigitte den Anruf wahrscheinlich nicht entgegengenommen, weil sie schließlich auf der Autobahn war und im Moment keinen Parkplatz in der Nähe hatte. Tatsächlich hatte die Mutter ihr auch nur mitteilen wollen, dass sie eine alte Freundin im Heim getroffen hatte und ihre Tochter sich keine Sorgen machen sollte.

Kurz darauf hatte Brigittes Handy ein zweites Mal geklingelt. Sie hatte nicht ahnen können, dass ihr Jan nur sagen wollte, dass er später nach Hause käme. Brigitte hatte diese zwei Anrufe direkt hintereinander wahrscheinlich als Notfall im Zusammenhang mit ihrer Mutter gedeutet. Sie hatte dann wohl den Verschluss ihrer Handtasche geöffnet, vielleicht zunächst nur, um auf dem Display zu sehen, wer anrief. Als sie das Handy in der Tasche endlich ertastet und herausgezogen hatte, war es ihr vermutlich in den Fußraum des Pkw gefallen.

Die Aussagen der Unfallzeugen würde Jan nie vergessen.

Ein Autofahrer, der sich direkt hinter Brigitte befunden hatte, hatte berichtet: Der Kopf der Frau im Wagen vor mir verschwand aus meinem Sichtfeld nach rechts. Ich hatte den Eindruck, dass sie etwas im Bereich des Beifahrersitzes suchen würde. Das Fahrzeug geriet dabei zweimal auf den rechten Seitenstreifen. Plötzlich fuhr sie mit der rechten Fahrzeugseite in den Grünstreifen und knallte gegen die Außenschutzplanken. Ich führte eine Notbremsung durch und sah, wie der Kleinwagen quer über beide Fahrstreifen schleuderte und gegen die Mittelschutzplanken knallte. Ich bin sofort ausgestiegen und habe mit einem anderen Mann, der aus dem Wagen hinter mir ausgestiegen ist, nach der Frau gesehen. Wir konnten sie leicht verletzt – ich glaube, sie hatte eine Platzwunde an der Stirn – aus ihrem Auto befreien. Anschließend sind wir von der Fahrbahn auf den Seitenstreifen gegangen.

Ein weiterer Zeuge: Wir wollten die Unfallstelle absichern und die Polizei anrufen. Einen Moment haben wir nicht an die Frau gedacht. Plötzlich sehe ich, wie die Frau wie unter Trance zurück auf die Fahrbahn läuft.

Der Beschuldigte hatte in seiner Vernehmung gesagt: Ich hatte meinen Kleinlaster schon sehr früh beladen und wollte nach Oldenburg über die Autobahn. Als ich durch die lange Kurve fahre, sehe ich plötzlich, dass mehrere Autos auf der Fahrbahn stehen. Bitte, glauben Sie mir, die Unfallstelle war erst spät zu erkennen und nicht abgesichert. Ich stehe quasi auf der Bremse und versuche, den Zusammenstoß zu vermeiden. Alles läuft immer wieder wie in Zeitlupe ab. Mein LKW knallt auf das hinterste Fahrzeug und schiebt die davor stehenden Autos zusammen. Wie in einem Albtraum sehe ich, dass sich eine Frau zwischen den zusammenkrachenden Autos befindet. Für einen kurzen Moment sehen wir uns an und ich werde diesen Blick nie vergessen.

Aus dem Unfallbericht: Der Beteiligte 02 befuhr mit seinem voll beladenen LKW die Autobahn. Er bemerkte die Unfallstelle, welche noch nicht abgesichert war, hinter der Kurve zu spät. Trotz Notbremsung fuhr er auf den Beteiligten 07 (männlich, 45 Jahre, schwer verletzt) auf und schob die davor abgestellten Fahrzeug zusammen. Die Beteiligte 01 (weiblich, 38 Jahre, verstorben) befand sich zwischen den zusammengeschobenen Fahrzeugen der Beteiligten 03 und 04. Der Unterleib der Beteiligten 01 wurde zerquetscht und die Frau verstarb noch an der Unfallstelle.

Das tatsächliche Grauen an der Unfallstelle konnte man zwischen den Zeilen des amtsdeutschen Berichtes nur erahnen.

Was Jan jedes Mal verzweifeln ließ, war die Tatsache, dass sich Brigitte schon in Sicherheit befunden hatte. Warum war sie wieder auf die Fahrbahn gelaufen? Hatte sie direkt nach dem Unfall unter Schock gestanden? Hatte sie ihr Handy oder ein Warndreieck holen wollen? Er würde es nie erfahren.

Bei der Unfallaufnahme hatten die Kollegen von der Autobahnpolizei das Handy gefunden, und bei der Auswertung war dann festgestellt worden, dass kurz vor dem Unfall die zwei Anrufe eingegangen waren.

*

Gegenwart

Broning fühlte sich mitverantwortlich für Brigittes Tod. Er redete sich ein, dass sein Anruf den Unfall zumindest mitverursacht hatte.

Der plötzliche Tod seiner Frau hatte ihn aus der Bahn geworfen. Er haderte mit sich und seiner Umwelt. Broning hatte die Feuerbestattung organisiert und sich um alles Notwendige gekümmert. Unbemerkt hatte er sich immer mehr zurückgezogen von seinen Freunden, die nicht wussten, wie sie reagieren sollten, und von den Kollegen. Seine Schwiegermutter hatte er seit der Seebestattung noch nicht wieder gesehen.

Das gemeinsam gebaute Einfamilienhaus hatte er weit unter Wert an eine Familie aus Westfalen verkauft. Er hatte Brigittes Sachen in Umzugskartons verpackt und war in eine Leeraner Altstadtwohnung im vierten Stock umgezogen. Die Sachen, von denen er sich nicht trennen konnte, hatte er im Gästezimmer verstaut.

»Jan, der Bestatter ist da und will wissen, ob er den Toten zur Rechtsmedizin nach Oldenburg bringen soll.« Stefan Gastmann wartete vergeblich auf eine Antwort. Diese Situation kannte er bereits. Broning war wieder in seiner eigenen Welt. Also erteilte Gastmann dem Bestatter selbst die notwendigen Anweisungen. Die Leiche wurde im Zinksarg in den Kombi des Bestatters geschoben und abtransportiert.

Stefan Gastmann ging zum Liegeplatz des Bootes von Familie Hauck, um sich noch einmal gründlich umzusehen.

An einer Holzstufe fand er geringe Gewebespuren und Haare. Er machte zunächst Fotos, darunter auch Nahaufnahmen mit einem speziellen Maßband, um die Größenverhältnisse darzustellen. Routiniert arbeitete er sich mit den Aufnahmen von außen nach innen. Er maß die Spuren für die Skizze aus, dann sicherte er Gewebe und Haare in kleinen Plastiktüten und beschriftete sie. Schließlich klappte er den Spurensicherungskoffer wieder zusammen und verstaute die Digitalkamera.

Als Gastmann zu den anderen Bootjefahrern ging, die in der Nähe festgemacht hatten, sah er, dass Broning immer noch auf den Hafen starrte. Die Bootsbesatzungen, die er bisher befragt hatte, machten schon ihre Sprüche darüber. »Was ist denn mit Ihrem Kollegen los – will oder kann der Ihnen nicht helfen? Sie machen ja alles alleine!«

Die Arbeit der Polizei wurde doch immer sehr genau beobachtet.

Ein Herr Kowaltzky aus Dortmund lag mit seinem Motorboot ebenfalls an der Promenade. Er konnte sich noch erinnern, Herrn Hauck in der Kneipe beim Heimatmuseum getroffen zu haben. Die beiden Sportbootfahrer hatten sich dort in der maritimen Atmosphäre sofort wohlgefühlt. Als später noch einige Mitglieder des örtlichen Shantychores eingetroffen waren, war dort richtig was los gewesen. Kowaltzky war ein altes Akkordeon in die Hände gedrückt worden, und bei Rolling Home und Hamburger Veermaster hatte eine allgemeine Verbrüderung stattgefunden.

»Jeder gab eine Runde Kruiden und Bier aus, Herr Kommissar«, erzählte Kowaltzky. »Wir waren so zehn Leute und dann ging es noch mal rum. Da kommt schon was zusammen. Es war ein toller Abend. So circa am Ende der zweiten Runde will der Kollege Hauck aber dann plötzlich nach Hause, woll? Böse Zungen waren am Lästern, weil er in der zweiten Runde noch keinen ausgegeben hatte. Ich glaub aber, dass ihm die Kombination Kruiden und Bier nicht bekommen ist. Ich selbst hatte inzwischen auch Probleme, die richtigen Tasten zu drücken am Akkordeon, und hab dann nicht weiter auf Herrn Haack geachtet. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wann er gegangen ist, woll.«

Gastmann notierte sich die Personalien und den Kern der Aussage in seinem Merkbuch. Zwischendurch sah er immer wieder zu Broning hinüber.

Schließlich schlenderte er zu seinem Kollegen, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte. »Jan, wir sind fertig. Kommst du?«

»Fahr schon los«, entgegnete Broning. »Ich gehe zu Fuß über die Promenade.«

»Wie du meinst.« Gastmann zuckte die Achseln und verstaute den Spurenkoffer und die Kameratasche in den Dienstwagen. Auf der Fahrt zur Dienststelle dachte er über seinen Bärenführer Jan Broning nach.

Bärenführer – als er diesen Begriff das erste Mal hörte, hatte er gelacht. Polizisten liebten solche bildhaften Begriffe, Spitznamen und Abkürzungen. Als Neuling wurde man einem erfahrenen Kollegen zugeteilt, der helfen sollte, die gröbsten Anfängerfehler zu vermeiden. Dieser Bärenführer oder Mentor war für Anfänger extrem wichtig, weil er einem den Einstieg in die Polizeiarbeit erschweren oder erleichtern konnte. Stefan seufzte. Erst dieser Albert Brede und jetzt Jan Broning …

Noch vor einem Jahr war Broning als neuer Fachbereichsleiter im Gespräch gewesen. Der plötzliche Tod seiner Frau hatte ihn dann völlig aus der Bahn geworfen. Gerüchte machten die Runde. Die lautstarken Auseinandersetzungen zwischen Jan Broning und Renko Dirksen waren außerdem nicht zu überhören. Es ging um Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit und Beschwerden von Kollegen über unsoziales Verhalten. Der Tiefpunkt war erreicht worden, als von übermäßigem Alkoholkonsum gesprochen wurde.

Ein Wunder, dass Dirksen immer noch zu Broning hielt und ihn noch nicht strafversetzt hatte.

Die Zusammenarbeit mit Jan Broning war schwierig, das gestand sich Stefan ein. Aber wenn man von den zwischenmenschlichen Problemen absah, konnte man bei ihm verdammt viel lernen. Gut, manchmal ignorierte Broning seine Kollegen, weil er in Gedanken irgendwo anders war …

Das Problem war dann, ihn quasi wachzurütteln. Gelang dies, konnte man ihn in alter Stärke erleben. Auch bei diesem tragischen Personenunfall jetzt hatte er sich in das Opfer hineindenken können. Broning kombinierte Empathie mit den gegebenen Fakten, und Stefan war sicher: Das machte dessen Erfolg als Ermittler aus.

An den nächsten Tag wollte Stefan Gastmann gar nicht denken, er stöhnte unwillkürlich auf. Mindestens drei lange Monate mit seinem Bärenführer Albert Brede lagen vor ihm – die Zeit mit Broning war erst einmal vorbei.

*

Polizeidienstgebäude Leer

Inzwischen stand Broning vor der Eingangsschleuse der Wache. Er klingelte, und ein jüngerer uniformierter Kollege schaute ihn fragend an. Offenbar kannte er Broning nicht.

Aber der Wachhabende drückte auf den Öffnungsknopf. »Moin, Jan. Hast du mal wieder den Code vergessen?«

»Klaus, ich glaub, ich werd alt«, brummte Broning. Er drückte die Tür auf, als der Öffner summte, und hob grüßend die Hand, ehe er im Flur verschwand.

»Kennst du den?«, fragte der jüngere Polizist den Wachhabenden neugierig.

Der sah ihn überrascht an. »Natürlich. Das ist Jan Broning aus dem 1 FK.«

»Ach, der.« Das Gesicht des jungen Kollegen sprach Bände. »Wie ein Kollege sieht der nicht gerade aus.«

Der Wachhabende sah ihn wütend an. »Hör mal, du Greenhorn, ich weiß, er sieht im Moment nicht danach aus. Aber Broning war hier einer unser besten Ermittler. Sobald er am Tatort erschien, wusste man sofort, hier ist jemand, der die Sache in die Hand nimmt. Er hatte eine unglaubliche Ausstrahlung – irgendwie schwer zu erklären.«

Klaus sah, dass der junge der Kollege ihn abwartend anschaute, und versuchte zu beschreiben, was er meinte. »Stell dir vor, du bist als Erster am Tatort, alles Mögliche schwirrt dir durch den Kopf – ist der Täter noch vor Ort, wie soll ich Erste Hilfe bei den Opfern leisten … Und dann wird dir klar, dass du gerade im Tatort herumläufst. Natürlich überlegst du: Verdammt, habe ich Spuren vernichtet? Die Angehörigen laufen kopflos herum und Zeugen, die du jetzt nicht festhältst, sind vielleicht nicht mehr erreichbar. Mit anderen Worten: Du kannst verdammt viel falsch machen. Das Letzte, was du jetzt brauchst, ist jemand, der herumschreit und selbst verunsichert ist. Oder schlimmer: einer, der keine Ahnung hat und überfordert ist.« Klaus lächelte. »Bei Jan Broning war das so: Sobald er am Tatort war, fühlte man sich besser.«

»Wieso?«, wollte der Jüngere wissen.

»Er nahm dir die Verantwortung ab und gab dir ein ruhiges Gefühl. Plötzlich übertrug sich die Ruhe, die er ausstrahlte, auf alle anderen. Er verschaffte sich einen Überblick, teilte Leute ein und gab ihnen genaue Aufträge, die sie auch erfüllen konnten. – Wie gesagt: schwer zur erklären. Das muss man erlebt haben.«

»Sprechen wir hier von diesem Kollegen?« Der junge Mann beobachtete Jan Broning, der mit hängenden Schultern den Fahrstuhl betrat.

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