Читать книгу Beziehungswirklichkeit im Personalmanagement des christlichen Krankenhauses - Proprium und strategischer Erfolgsfaktor - Wolfgang Schell - Страница 12
3. Hypothese: zentrale Bedeutung der Beziehungswirklichkeit
ОглавлениеFür das Proprium des christlichen Krankenhauses spielt die Gestaltung der Beziehungswirklichkeit eine entscheidende Rolle. In der vorliegenden Arbeit wird die Hypothese vertreten, dass sich die Propriumsfrage an der im christlichen Krankenhaus erfahrbaren Beziehungswirklichkeit entscheidet. Im Beziehungsgeschehen zwischen Mitarbeitern, Patienten und Angehörigen muss hierbei das christliche Profil spürbar werden und bei den Menschen ankommen. Der hierbei zu Grunde liegende Ansatz der Beziehungstheologie soll in der Folge näher erläutert werden.
Der beziehungstheologische Ansatz34 knüpft in struktur-analoger Weise an die Erkenntnisse der Kommunikationswissenschaft an, die jeder Interaktion und Kommunikation sowohl einen Inhalts- als auch einen Beziehungsaspekt zuordnet. In jeder Handlung und jeder Aussage steckt demnach sowohl ein Inhaltsaspekt, der durch die Frage nach dem „Was?“ gekennzeichnet ist, als auch ein Beziehungsaspekt, dem mit der Frage nach dem „Wie?“ nachgespürt werden kann. Auch die Theologie kennt eine analoge Unterscheidung – der Glaube besitzt eine Inhalts- und eine Beziehungsebene: Der Aspekt des „Fides quae creditur“ (Akkusativ des Glaubens) bezeichnet die Glaubensinhalte, das „Was“ des Glaubens. Diese Inhalte des Glaubens finden sich wieder in der Heiligen Schrift und in der kirchlichen Überlieferung, die sich z.B. in Konzilsaussagen, Glaubensbekenntnissen oder in Formulierungen von Theologen und Verantwortlichen der Kirche niederschlägt. Der zweite Aspekt des Glaubens versteht unter dem „Fides qua creditur“ (Dativ des Glaubens) die Art und Weise, das „Wie“ des Glaubens. Es geht hierbei um die gelebte Beziehung des Glaubenden zu Gott und zu seinen Mitmenschen. Hervorzuheben ist hierbei die grundlegende Bedeutung der Beziehungsdimension. Glaube ereignet sich als Beziehungsgeschehen, ist Kommunikation und interaktive Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen. Diese Beziehungs-„wirk“-lichkeit des Glaubens umfasst die Wirklichkeit des In-Beziehung-Stehens mit Gott und den Menschen, das Verbundensein in einer Grundhaltung der Liebe und Barmherzigkeit. Der Beziehungsaspekt des Fides-quacreditur geht dem Inhaltsaspekt voraus und bildet daher die Grundlage inhaltsbezogenen Glaubens: „Der gelebte Glaube bestimmt die Beziehung des Menschen zu sich wie zum Mitmenschen (Diakonie) und zu Gott (Liturgie). Theologisch geht es um die Art und Weise des Glaubens (fides qua creditur) und erst an zweiter Stelle um die Glaubensinhalte (fides quae creditur).“35
Die Unterscheidung von Beziehungsaspekt und Inhaltsaspekt lässt sich auch konkret auf die Bereiche der caritativen Diakonie der Kirche übertragen, wie z.B. auf das christliche Krankenhaus. Im christlichen Krankenhaus verbinden sich Fachlichkeit und Christlichkeit zu einem gemeinsamen Dienst für den Menschen. Die Fachlichkeit des Krankenhausbetriebes, mit seinem medizinischen, pflegerischen und wirtschaftswissenschaftlichem Fachwissen und -können, das „Was-getan-wird“, nimmt dabei primär Maß an den Erkenntnissen der Humanwissenschaften. Die Beziehungswirklichkeit drückt sich jedoch in der Art und Weise aus, wie ein Patient im christlichen Krankenhaus behandelt wird. In diesem „Wie-es-getan-wird“ kommt der christliche Geist einer Einrichtung zum Ausdruck, wenn in der Gestaltung der Beziehungswirklichkeit Maß an Gott genommen wird.
Der Fokus der vorliegenden Arbeit richtet sich auf die Beziehungswirklichkeit im Personalmanagement des christlichen Krankenhauses. Damit ist die Beziehungsdimension caritativen Helfens im Krankenhaus angesprochen. Der beziehungstheologische Ansatz soll hier mithelfen bei der Klärung und Bewahrung des christlichen Profils eines Krankenhauses. Die im Krankenhaus herrschende und erlebbare Beziehungswirklichkeit darf als zentraler Aspekt gelten, an dem sich ein christliches Profil und Proprium zeigt und entscheidet. In diesem Zusammenhang soll im Folgenden das Personalmanagement ins Zentrum der Erarbeitung gestellt werden. Patienten und Angehörige im christlichen Krankenhaus können eine christlich geprägte Beziehungswirklichkeit nur durch Menschen erfahren: der christliche Charakter eines Krankenhauses zeigt sich nicht durch inhaltlich geprägte Glaubensvermittlung, sondern entfaltet sich in einer personal vermittelten und gelebten Glaubenserfahrung. „Der christliche Glaube ist im Tiefsten Beziehungsrealität“36, und diese Beziehungsrealität kann nur durch die im christlichen Krankenhaus arbeitenden Menschen vermittelt werden. Dem Personal und dem Personalmanagement kommt demnach eine entscheidende Rolle zu bei der Aufgabe, eine christlich gestaltete Beziehungswirklichkeit für Patienten und Angehörige erfahrbar zu machen und so das Proprium des christlichen Krankenhauses zu sichern. Sollen die Mitarbeiter durch eine christlich geprägte Beziehungswirklichkeit das christliche Profil eines Hauses verlebendigen, so muss als Voraussetzung dazu bedacht werden, dass auch die Mitarbeiter selbst in der Art und Weise, wie sie von Vorgesetzten und vom Dienstgeber behandelt werden, den Geist christlicher Beziehungsrealität erfahren können. Hier steht zu fragen, wie die Mitarbeiter eines christlichen Krankenhauses in ihrem Arbeitsalltag die in einer Klinik herrschende Beziehungswirklichkeit erleben. Welche Impulse gibt hierbei das Personalmanagement des Krankenhauses und wie kann Führung und Personalmanagement die christliche Ausgestaltung des Beziehungsgeschehens unterstützen? Welche Anstöße und Hilfen kommen hier gegebenenfalls auch aus dem Bereich der Humanwissenschaften, d.h. aus der aktuellen personalwirtschaftlichen Diskussion, und können im Personalmanagement des christlichen Krankenhauses aufgegriffen werden? Welche theologischen Grundlinien sind bei der Gestaltung der Beziehungswirklichkeit zu beachten?
34 Vgl.: POMPEY, Heinrich: Beziehungstheologie. In: LThK, 3.Augl., Bd. 2, Sp. 358f; POMPEY, Heinrich: Beziehungstheologie – Das Zueinander theologischer und psychologischer „Wirk“-lichkeiten und die biblisch-theologische Kontextualisierung von Lebens- und Leidenserfahrungen, v.a. S. 106-109.
35 POMPEY, Heinrich: Caritas zwischen Ökonomisierung/Management und Anspruch der caritativ-diakonischen Praxis Jesu. In: LÜTTIG, Josef; SCHALLENBERG, Peter (Hrsg.): Caritatives Handeln zwischen Bibel und Bilanz. Münster : LIT, 1999, S. 5-54, hier S. 19.
36 POMPEY, Heinrich: Zur Neuprofilierung der caritativen Diakonie der Kirche, S. 53.