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Vorwort
Оглавление»Die Religion steht im Zentrum der großen Konflikte unserer Zeit. Sie verleitet Menschen dazu, grausame Dinge zu tun. Immer wieder kidnappt Religion die Moral. Wie destruktiv die Annahme ist, es gäbe ein besseres Leben als dieses! Diese Idee hält Abermillionen in Armut lebender Menschen im Würgegriff. Menschen wenden sich besonders dem Glauben zu in Zeiten, in denen das Leben schwer ist und die Aussichten schlecht sind. Wer aber auf ein besseres Leben nach dem jetzigen hofft, verliert die Hingabe an die eigene Existenz.«
So der britische Schriftsteller Ian McEwan.1
»Religion ist ein Beweis für die Schwäche des Menschen, kein Argument für die Existenz Gottes. Und dass die Renaissance des Glaubens die Welt zu einem schöneren Ort gemacht hat, wird im Ernst niemand behaupten. Religion rechtfertigt den islamistischen Terror, den militärischen Messianismus im Weißen Haus und ein paar andere unschöne Entwicklungen, und dass es oft gar nicht um den einen oder anderen Gott geht, sondern um politische Zwecke, ändert nichts daran, dass der Glaube vielen Konflikten gute Argumente liefert. Religionen sind Erfindungen des Menschen. Sie spiegeln wider, wie wir gerne wären, nicht, wie wir sind. Die meisten Religionen enthalten Appelle für ein friedliches Miteinander, die wenigsten wirken dabei friedensstiftend. Wie jedes andere soziale Distinktionsmerkmal, wie Klassen und Ethnien, ist auch der Glaube nur so integrativ wie jene, die ihn tragen.«
So die Journalistin Sonja Zekri, die sich als Atheistin fühlt wie »auf einer Eisscholle im Golfstrom«.2
Hat die Religionskritik im 19. Jahrhundert mit Schopenhauer, Nietzsche, Marx und Freud einen Höhepunkt erreicht und befindet sich seither in der Defensive? Das ist schwer zu beantworten; jedenfalls aber lässt sich feststellen, dass die Religion ein stärkerer Gegner ist, als es die frühen Aufklärer mit ihren schlichten Entwertungen wie »Opium für das Volk« oder »Illusion« wahrhaben wollten. Freilich spricht es nicht für die Überlegenheit einer Sache, wenn ihre Streiter unterschätzt werden. Es kann viele Gründe dafür geben, wenn in McEwans schönem Essay der Sieg von Kunst und Wissenschaft über die utopische Illusion wieder – wie bei Goethe – zum Traum eines Dichters wird.
Jedenfalls bin ich überzeugt, dass die Psychologie bisher zu wenig gründlich und differenziert über die Macht nachgedacht hat, die die Religion über den Menschen hat. Ein wenig davon will ich hier nachholen, und ich hoffe, dass es so ankommt, wie es beabsichtigt ist: als Bemühen, sich vom Fanatismus in jeder Hinsicht zu distanzieren und Illusionskritiker so gut wie Illusionsproduzenten mit Skepsis zu betrachten.
Diessen, im Januar 2007 | Wolfgang Schmidbauer |